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Stell dir vor, es ist Borussia - und du bist nicht da Teil IV

10.09.2018, 00:00 Uhr von:  Nadja
Stell dir vor, es ist Borussia - und du bist nicht da Teil IV

Zu jedem Spiel gibt es Geschichten zu erzählen. Aber die meisten von uns können nicht bei allen mitreden, weil sie sie nicht alle miterlebt haben. Wir lassen diese in der nächsten Zeit lose Revue passieren.

Am 7. April 2007 ist das dramatische Spiel auf der Bielefelder Alm gerade mal eine Woche alt und der bitterkalte Regen und die Tränen der Enttäuschung und Wut noch in lebhafter Erinnerung. Dennoch haben mein Freund und ich uns für ein langes Osterwochenende Aachen verabredet, weil da der BVB spielt und das im Jahr davor in Berlin Ostern auch ganz gemütlich war. Außerdem muss man sich ja irgendwie irgendwann treffen, wenn man 850 Kilometer auseinander wohnt und Aachen ist sozusagen in der Mitte. Also fast. Also zumindest mussten wir beide hinfahren. Mein Freund 300, ich 600 Kilometer. Passt.

Es hat auch Spaß gemacht, durch die Stadt zu schlendern, Leute zu treffen, gemütlich zu essen. Am Samstag machten wir uns dann auf den Weg zum altehrwürdigen Tivoli. Wir hatten allerdings noch keine Tickets. Was aus heutiger Sicht fast schon klingt, wie aus einem Science-Fiction-Roman, war zu der Zeit nämlich noch ziemlich unproblematisch: Tickets am Stadion kaufen. Auch auswärts. Auch bei BVB-Spielen. Auch von BVB-Fans und nicht von Schwarzmarkthändlern. Wir wussten aber, dass es für dieses Spiel etwas schwerer werden würde als zum Beispiel in Frankfurt, wo man einfach zur Tageskasse gehen konnte (ja, liebe Millennials, es gab mal ne Zeit – in diesem Jahrtausend – da konnte man BVB-Auswärtstickets an der Tageskasse kaufen!). Wie eigentlich immer hatten wir uns für den Kartenkauf das Limit von 35€ gesetzt. Mehr wollten wir für einfache Tageskarten nicht bezahlen. Die immer wieder gern zugefügte Ergänzung „Ist ja keine Championsleague! Hahahahaha!“ hat uns später eingeholt. Aber darum geht es gerade nicht. Im Gegenteil. Es geht um den puren Abstiegskampf. Der BVB ist ja als Inhaber eines Abstiegsplatzes nach Aachen gereist und es muss dringend was passieren, wenn man aus der finanziellen nicht auch noch in eine äußerst bedrohliche sportliche Krise rutschen will.

Wir gehen beim Stadion erst mal zur Tankstelle und holen uns was zu trinken, dann schlendern wir zu den ersten Kartenverkäufern hin. Zwei Stehplätze, 40€ das Stück. Wir schauen sie entgeistert an, so zockt man seine „Mitfans“ doch nicht ab. Die Karten hatten keine 15€ gekostet im Vorverkauf. Also weiter. Doch je weiter wir kommen, umso höher werden die Preise. Bekannte von uns gehen irgendwann wieder zu den ersten Verkäufern zurück und nehmen die Karten für 40€. Doch wir haben ja unsere Prinzipien. Und ich außerdem ein Studentenbudget. Über 35€ ist nicht. Je näher der Anpfiff rückt, umso mehr wird uns klar, dass unser Preis nicht mit den weiter horrend steigenden Ticketpreisen vereinbar ist, daher gehen wir unverrichteter Dinge zurück in die Innenstadt. Was solls, sagen wir uns, das wird eh so ein Bielefeld 2.0 und das braucht sich ja niemand anzutun. Erst recht nicht für 40€ aufwärts!

Und am Ende Jubel am Tivoli

In der Innenstadt setzen wir uns in eine Kneipe und sehen, wie der BVB in seinen weißen Trikots sich in eine Art Rausch spielt. Es ist der Anfang vom Ende des Abstiegskampfes, das entscheidende Spiel aus dem Sumpf raus. Die Wende der Saison 2006/2007. Die Wende zum Guten. Und wir haben es am Fernseher in der Kneipe gesehen, weil uns 5€ zu schade waren.

Viel mehr geärgert als dieses Spiel zu verpassen hat mich jedoch die Tatsache, dass der alte Tivoli zwei Jahre später abgerissen wurde und ich niemals ein Spiel in diesem legendären Stadion gesehen habe. Wegen 5 läppischen Euro.

Wieder versöhnt mit Aachen haben wir uns dann glücklicherweise 2011. Wir hatten Tickets für den neuen Tivoli. Ist zwar ein schwacher Trost, aber immerhin etwas. Das Spiel zwischen Alemannia und Hertha endete 0:5 und war nicht gerade ein Leckerbissen – zumindest von der heimischen Stehplatztribüne aus betrachtet – dafür gab es danach in der Sporthalle um die Ecke das 3:1 unserer Borussia gegen Bayern München auf Großleinwand zu sehen. Ein Meilenstein auf dem Weg zur Meisterschaft. Seither ist die Erinnerung an Aachen irgendwie recht versöhnlich und nur ganz weit im Hintergrund nagt noch ein bisschen der Gedanke daran, dass ich mir ein Spiel im alten Tivoli habe entgehen lassen. Wegen 5€.

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