Aubameyang: vom „Batman“ zum „Bad-Man“
Als Pierre-Emerick Aubameyang im Sommer 2013 in Dortmund aufschlug, galt der Gabuner als relativ unbeschriebenes Blatt. Zwar wusste man um seine Exzentrik, hatte er doch beispielsweise einen Treffer für seinen Ex-Klub AS St. Etienne mit einer Spiderman-Maske zelebriert, doch für große Eskapaden und Skandale war Aubameyang nicht bekannt. Außerdem war die Verpflichtung von Henrikh Mkhitaryan aus Donezk schon deshalb interessanter, da dieser als designierter Nachfolger von Mario Götze galt. Und doch sollte die Causa Aubameyang eine prägende werden: Vom Spiderman entwickelte sich der Starstürmer zum Batman – und hat nun den Weg zum Bad-Man eingeschlagen.
Aubameyangs Zeit in Dortmund beginnt mit einem Paukenschlag: Zum Auftakt der Bundesliga-Saison gelingt ihm ein Hattrick beim 4:0-Sieg in Augsburg. Und das, obwohl „Auba“ zunächst aufgrund seiner immensen Schnelligkeit auf den Außenbahnen eingesetzt wird. Mal rechts, mal links, aber zumindest in der Hinrunde stets torgefährlich: Nach 17 Spielen hat der Neuzugang neun Treffer erzielt – und damit nur einen weniger als Dortmunds Weltklasse-Stürmer Robert Lewandowski.
Doch der Schein trügt zunächst: In der Rückserie kann Aubameyang zunächst nicht an die starke Anfangsphase in Dortmund anknüpfen – und verliert seinen Stammplatz. Dortmund-Coach Jürgen Klopp setzt zu dieser Zeit lieber auf „Kampfschweine“: Kevin Großkreutz, Jonas Hofmann oder der aus Belgrad dazu gestoßene Milos Jojic dürfen sich allesamt auf der rechten Offensivposition im 4-2-3-1 probieren, auf links ist Marco Reus gesetzt. Und Aubameyang? Der darf nach Spieltag 25 nur noch zweimal von Beginn an – und wird beide Male ausgewechselt.
Im Sommer 2014, kurz nach dem WM-Titel der deutschen Mannschaft, steigt in Dortmund der alljährliche Supercup. Es ist auch die Rückkehr von Robert Lewandowski – den der BVB zuvor ablösefrei nach München ziehen lassen musste. Anstatt des Polen spielt nun Ciro Immobile im Dortmund-Sturm. Dass der Italiener zu einem der größten Missverständnisse der BVB-Vereinsgeschichte mutieren sollte, kann an diesem Abend aber noch niemand wissen.
Der BVB gewinnt mit 2:0 – Aubameyang sorgt in der 62. Minute mit seinem Treffer für die Entscheidung. Der Gabuner greift kurz in seinen rechten Stutzen, zieht eine Maske heraus und jubelt als Spiderman vor einer enthusiastischen Südtribüne. Als „Geburtstaggeschenk“ für seinen Sohn, wie er später erklärt. Es sollte das letzte Mal sein, dass Aubameyang in Dortmund als Spiderman wahrgenommen wurde. Denn von hier an beginnt der Aufstieg des „Batman“.
Doch wie in der Nolan-Trilogie sind zunächst Rückschläge zu verkraften. Das Martyrium des Bruce Wayne verläuft analog zur Dortmunder Hinserie. Die Lücke, die Robert Lewandowski hinterlässt, kann von Ciro Immobile nicht geschlossen werden. Und so gehen die Borussen auf einem Abstiegsplatz platziert in die Winterpause. Hätte Jürgen Klopp die Möglichkeit gehabt, hätte er die Mannschaft vermutlich geschlossen aus Ra’as al Ghuls Bergpalast geführt, um in der „Gemeinschaft der Schatten“ an den Basics zu arbeiten. So aber geht es „nur“ ins spanische La Manga. Und doch muss Dortmunds Fußballlehrer schon damals erkannt haben, dass eine Aufholjagd mit Ciro Immobile im Sturmzentrum schwierig werden würde.
Doch es braucht noch zwei weitere Tiefschläge und den Absturz auf Rang 18, um die rettende Maßnahme einzuleiten: Beim Auswärtsspiel in Freiburg ist Aubameyang erstmals im Sturmzentrum anzufinden. Er trifft doppelt, der BVB gewinnt 3:0 und gibt die „rote Laterne“ an die Gastgeber ab. Es folgt eine Dortmunder Aufholjagd – und Aubameyang ist einer der Haupt-Protagonisten: Neun weitere Treffer steuert er bei. Dortmund gelingt der Einzug in die Europa League, Jürgen Klopp verlässt den Klub dennoch.
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Die öffentliche Wahrnehmung als „Batman“ beginnt am 28. Februar. Ein überlegen geführtes Derby gegen Schalke 04 wird lange nicht mit dem erlösenden Führungstreffer gekrönt. Dann überwindet Aubameyang zehn Minuten vor Spielende den bravourösen Schalke-Schlussmann Wellenreuther und jubelt an der Seite von Kumpel Marco Reus, verkleidet als Batman und Robin. Aubameyang und Reus gelten als Gesichter des BVB-Aufschwungs. Im Nachgang des Auswärtssieges in Stuttgart bezeichnet Aubameyang Reus als „Bruder“, mit dem er nicht nur auf dem Feld harmoniere.
Im Sommer 2015 übernimmt Thomas Tuchel die wiedererstarkte Borussia. Und er lässt den Gabuner weiter im Sturmzentrum wirbeln. Dieser dankt es dem Ex-Mainz-Coach mit 25 Toren in 31 Bundesligaspielen. Und doch wird erstmals medial berichtet, dass Aubameyang die Borussen eines Tages verlassen will – und ein Versprechen an seinen inzwischen verstorbenen Großvater einlösen möchte. Er will eines Tages für Real Madrid spielen, um seinen Opa „stolz zu machen“.
Nun sind die Bundesliga-Gegner der Borussen nicht immer mit der Intensität vom Riddler, dem Joker oder Bane zu vergleichen: Doch Aubameyang trifft nach Belieben – und avanciert unter Tuchel zum wichtigsten Mann im Borussen-Dress. In der Saison 2016/17 erzielt er wettbewerbsübergreifend 40 Tore – und bereitet doch seinen Abschied langsam, aber sicher vor.
Herbst 2016: Der BVB ist in der Champions-League-Gruppenphase bestens im Rennen. Nach drei Spieltagen hat man sieben Punkte, nun kommt Sporting Lissabon in den Signal-Iduna-Park. Dortmund erwartet ein Fußballfest, doch wenige Stunden vor Anpfiff der Paukenschlag: Tuchel streicht Aubameyang aus dem Aufgebot, da dieser einen Shopping-Trip nach Mailand unternimmt und anschließend verspätet zum Training erscheint.
Die Gerüchte werden lauter, dass Aubameyang seinen Sommerabschied anstrebe. Ungeachtet dessen entwickelt sich in Ousmane Dembélé ein Sommerzugang zum neuen Fixpunkt in der Dortmunder Offensive. Der junge Franzose bringt alles mit: Technik ,Kreativität und Schnelligkeit. Dembélé und Aubameyang werden schnell Freunde, schon aufgrund des gemeinsamen sprachlichen Backgrounds. Und auch auf dem Platz wird geliefert: Dembélé bereitet 13 Bundesliga-Treffer vor – nicht selten heißt der Abnehmer Aubameyang. Der „Alfred“ und „Bruce Wayne“ – Vergleich liegt nahe – und wird doch im Sommer durch den FC Barcelona ad absurdum geführt.
Aubameyang bekommt, so wird medial berichtet, die Zusage, den Verein im Sommer 2017 verlassen zu dürfen, sofern ein werthaltiges Angebot bis zu einem gewissen Zeitpunkt eingeht. Dieses bleibt offenbar aus – und einem Wechsel wird aus Planungsgründen ein Riegel vorgeschoben. Selbiges gilt auch für Dembélé, dem nach seiner Premierensaison die europäischen Topklubs nach und nach zu Füßen liegen. Doch im Fall des Franzosen wird Dortmund schwach, auch weil dieser einen beispiellosen Streik beginnt, um seinen Wechsel nach Katalonien durchzusetzen. Butler Alfred wechselt – Bruce Wayne bleibt in Gotham, vorerst.
Auf Tuchel folgt Peter Bosz auf der BVB-Bank. Und diese Liaison soll auch aufgrund des Gabuners vorzeitig scheitern. Vor der Begegnung gegen den VfB Stuttgart wird Aubameyang erneut suspendiert, erneut aufgrund wiederholt zu spätem Erscheinen beim Training. Wenig später sieht Aubameyang im Derby gegen Schalke 04 eine völlig unnötige Ampelkarte beim Stand von 4:2 – das Ende ist bekannt. Es braucht keine großen Empathie-Werte, um zu erkennen, dass Aubameyangs Batsignal langsam aber sicher nicht mehr den Dortmunder Nachthimmel ziert. Zum Bosz-Ausstand kommt Aubameyang zu spät. Erwartungsgemäß, würden Zyniker behaupten.
Als Michael Zorc nach der vom Bosz-Nachfolger Peter Stöger ausgesprochenen Suspendierung davon spricht „Aubameyang nicht wiederzuerkennen“, dürfte auch der letzte im Dortmunder Umfeld verstanden haben, dass eine Weiterbeschäftigung des Gabuners mittlerweile nahezu ausgeschlossen erscheint. Die Instagram-Message „Kannst du mich nach London bringen?“ setzt der Aubameyang-Thematik eine neue, unwürdige Krone auf. Aubameyangs Batmobil, getarnt als Lamborghini, wird demnächst woanders für Aufsehen sorgen – und das ist auch gut so.
Denn wie die Nolan-Trilogie wird auch die Ära Aubameyang „rund“ enden – auch wenn dies nicht auf den ersten Blick ersichtlich ist. Das mittlerweile anhaftende Image des „Bad-Man“ wird sich spätestens dann legen, wenn mit etwas Abstand auf Aubameyangs Leistungen für den BVB geblickt wird. Ob man sich hierbei Schauspieler Christian Bale bei einem abschließenden Kaffee im schönen Florenz vorstellen muss, sei jedem selbst überlassen. Positive Erinnerungen an Aubameyangs Treffer gegen Schalke, Real Madrid oder der entscheidende Elfmeter im Pokalfinale gegen Eintracht Frankfurt dürften aber am Ende des Tages stärker sein als jeder Groll. „(…) und wenn keiner Sie aufhalten kann, dann werden Sie zu etwas gänzlich anderem.“ - „Und das wäre?“ – „Zu einer Legende, Mr. Wayne.“
geschrieben von Niklas
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