Ganz souverän
Der aufmerksame Beobachter der Partie in Bremen wird direkt merken, dass die Überschrift durchaus als größere Spitze gepaart mit purem Sarkasmus zu verstehen ist. Denn ganz ehrlich, die Quintessenz des ganzen gleich vorweg: es war furchtbar. Was für ein leerer, dünner Auftritt unseres Ballspielvereins bei einem (auch noch lange Zeit in Unterzahl) agierenden Gegner, der seinerseits das Fußballspielen nicht gerade erfunden hat. Doll reloaded oder auch Tuchel unloaded. Eins von beiden spielte sich während der 85 Minuten nach dem Dortmunder Führungstreffer auf dem Grün des Weserstadions ab. Und jetzt braucht auch keiner zu kommen und wieder die „ihr pöbelt ja nur noch rum, auch bei Siegen“-Keule zu schwingen. Dieser Auftritt war wirklich grausam, auch wenn am Ende sicherlich drei nicht ganz unwichtige Punkte stehen.
Jetzt aber doch mal ein bisschen der Reihe nach. Ab zum Weserstadion und merkwürdigerweise die Rückrunde zu Beginn des neuen Jahres abschließen. Wirkliche Vorfreude war in den meisten Gesichtern vor dem Gästeblock nicht zu erkennen. Das kann natürlich mehrere Gründe haben. Die Hinrunde zum Beispiel. Die kurze Winterpause. Die magere Auswärtsbilanz. Das kalte Schmuddelwetter. Der Mix aus all diesen Punkten. Wie auch immer. Im Block fiel dann auch relativ schnell das Fehlen vieler Ultras auf, die an einer Raststätte vor Bremen noch Bekanntschaft mit den wieder mal undurchsichtigen Plänen der Polizei machten und so zeitlich arg verzögert am Gästeblock eintrafen. Mit Anpfiff betraten sie dann doch noch einigermaßen pünktlich den Gästebereich und ermutigten die frierende Masse zum Kälte vertreibenden Support. Einige Mutige turnten anscheinend auf einem der sinnlos installierten Vordächer im Gästebereich herum und veranlassten so den Stadionsprecher zu mehrfachen „Achtung, das gibt die Statik nicht her“-Durchsagen. Dieses Gartenlauben-Vordach-Prinzip habe ich bis jetzt nicht verstanden. Welches Vordach überhaupt? Egal. Als das geklärt war, stand es auch schon 1:0 für Schwarzgelb. Der eine
Milliarde Euro Neuzugang André Schürrle hatte das Wunder vollbracht und als Aubameyang Ersatz sein erstes Saisontor erzielt – nach starker Vorarbeit des Bremers Serge Gnabry, der kurze Zeit später wegen Übelkeit – wahrscheinlich aus Scham ob dieses eklatanten Rückpasses – das Feld verlassen musste. Zu dieser Zeit hatten die Bremer Glück gehabt, nicht direkt noch das nächste Gegentor kassiert zu haben, denn der BVB machte ordentlich Druck. Die einzige wirklich zwingende Druckphase, wie sich viele Minute später herausstellte. Die zweite Spitze neben Schürrle, Marco Reus, war Hauptprotagonist zweier Schreckmomente im ersten Durchgang. Erste holte ihn der Bauer (kein Witz, der heißt wirklich so) unsanft von den Beinen. Reus hielt sich das Sprunggelenk und das Knie und irgendwie alles. Der halbe Gästeblock befürchtete einen neuerlichen Totalschaden und das sichere Confed-Cup-Aus. Zum Glück ging es weiter und so kam dann der nicht gerade gut aufgelegte Drobny zu seinem großen Auftritt. Reus war durch, Drobny kam aus dem Kasten und verpasste dem ohnehin schon geschundenen rechten Bein des Stürmers ein kleines Stollen-Branding. Klare rote Karte! Bremen zu zehnt und Reus konnte abermals weitermachen.
Dem Hawk-Eye sei Dank war der saftige Fritz-Schuss kurz vor dem Halbzeittee nicht im Kasten und der BVB durfte mit einer Führung den zweiten Abschnitt starten. Von Überzahl keine Spur. Auch nicht in den Minuten nach der Pause, die eher von teils kuriosen Szenen geprägt waren. So schoss man Bremer Gegenspieler aus einem Meter an, spielte arg riskante Bälle auf Weidenfeller oder einfach ins Seitenaus. Von Spielfluss und einem taktischen Match-Plan keine Spur. Es sah tatsächlich übel aus und bis auf einen kläglichen Reus-Abschluss, der im Strafraum am Ersatzkeeper scheiterte, brachte die Borussen nichts zustande. Da war dann auch der Ausgleich nicht wirklich überraschend, obwohl er dennoch mehr oder weniger aus dem Nichts fiel. Bartels narrte die gesamte Abwehr und konterte einen sehr hoch stehenden BVB eiskalt aus. Eiskalt zu diesem Zeitpunkt auch das Stichwort, denn der Großteil Gästeblock hatte sich eben jener Kälte (dabei war es gar nicht so kalt, sondern nur unangenehm frisch) ergeben und brachte stimmungstechnisch nur noch wenig hervor. Hinzu kam mit dem Ausgleich auch noch Unruhe. Bei den Fans und tollerweise auch bei den Spielern, die sich scheinbar echt überlegten, wie man diese Partie am besten noch komplett aus den Händen geben könnte. Auch Tuchel überlegte lang. In welche Richtung war nicht wirklich klar. Aber irgendwann
brachte er Dembelé und den endlich wieder halbwegs fitten Guerreiro. Bis dahin war das einheitliche Murren über Fehlpässe und völlig überhastete Abschlüsse in die Tagesordnung übergegangen. Bedingt durch den Wechsel schöpften einige Unerschrockene doch wieder neuen Mut und glaubten an den Siegtreffer. Keine zwei Minuten später fiel dieser Treffer dann tatsächlich. Auf eine Weise, die zum Spielverlauf passte und ebenso schwachen, wenn auch aufopferungsvoll kämpfenden Bremern, die berüchtigte Pfanne mitten ins Gesicht schlug. Ein abgefälschter Guerreiro-Schuss landete im Fünfer beim Goalgetter Piszczek, der den Ball über Wiedwald lupfen konnte.
Reingemurmelt. Führung. Und dann hinten reinstellen. Bremen viel zu oft zu Abschlüssen und Standards kommen lassen und Konter so wahnwitzig schlecht zu Ende spielen, dass bis in die Nachspielzeit um die drei Punkte (gegen eine Truppe in Unterzahl) gebangt werden muss. Ja, das brachte die Mannschaft an diesem Nachmittag im Norden tatsächlich genau so fertig. Der Abpfiff erlöste dann nur so zum Teil, denn über diesen wirklich nicht guten Auftritt wird nicht nur Taktikfuchs Tuchel noch länger grübeln.
Ja, ja, drei Punkte sind drei Punkte. Alles gut. Aber irgendwie auch wieder nicht. Schließlich haben sich die Verantwortlichen diese Vorgaben auferlegt, auch in dieser Spielzeit wieder unbedingt direkt hinter den Bayern landen zu müssen. Wird schwer. Aber noch ist ja auch eine komplette Rückrunde Zeit. Die Hinrunde jedenfalls ist vorbei. Abgeschlossen mit einem Auswärtssieg. Heja BVB!
Statistik-Krams
Torschüsse: 9 - 22
Ballbesitz: 42 % - 58 %
Eckbälle: 3 - 5
Tim, 22.01.2017