...Carsten Cramer und Matthias Naversnik über die BVB-Ticketbörse
Zuletzt haben wir über die ersten Erfahrungen mit dem BVB Ticket-Zweitmarkt aus der Sicht des Anwenders berichtet. Nun haben wir mit den beiden BVB Ticketing Verantwortlichen Carsten Cramer und Matthias Naversnik über die technische Entwicklung und den ersten Erfahrungen im Live Einsatz gesprochen.
schwatzgelb: Was war die Motivation des BVB, einen offiziellen Zweitmarkt für Tickets einzurichten?
Carsten Cramer: Grundsätzlich hatten wir uns mit diesem Thema schon länger beschäftigt. Zum einen, weil wir das permanente Ziel haben, den Service für unsere Fans zu verbessern. Zum anderen, weil im Gespräch mit Fans und der Fanabteilung in diesem Bereich immer wieder der Wunsch nach einer solchen Lösung vorgetragen worden war.
Matthias Naversnik: Das Thema war ursprünglich auch schon im Kreis der Ticketverantwortlichen der 1. und 2. Bundesliga diskutiert worden, die sich mehrmals im Jahr treffen, um aktuelle Themen in Zusammenhang mit Tickets zu besprechen. Ein solches Thema war stets die Bekämpfung des Schwarzmarktes und die diesbezüglich aktuellen Verfahren der Rechtsprechung. Um den Fans eine Plattform zu liefern, nicht genutzte Tickets legal und zum Originalpreis zurück zu geben, ist die Idee entstanden, einen autorisierten Zweitmarkt zu installieren.
schwatzgelb: Wann war das und wie sahen die ersten Schritte aus?
Naversnik: Die Ticketverantwortlichen erarbeiteten gemeinsam mit der Deutschen Fußball Liga Vorschläge und stellten Fairplay-Regeln zur Schaffung eines legalen Ticketzweitmarkts zusammen. Diese wurden von der DFL-Mitgliederversammlung Finanzen noch im Jahr 2014 abgesegnet. Da es in der Liga kein einheitliches, zentrales Ticketsystem gibt, wurden von den Vereinen selbst, aber auch von der DFL Programmierer beauftragt eine eigene oder schon vorhandene Plattformen in die vorhandenen Ticketsysteme zu integrieren.
schwatzgelb: Hat sich der BVB bei der Umsetzung an anderen Vereinen, die bereits einen derartigen Zweitmarkt betreiben, orientiert?
Cramer: Uns war es nicht wichtig, der Erste oder Schnellste zu sein. Unsere Lösung sollte zum BVB und den Anforderungen unserer Fans passen.
Naversnik: Wir haben daher tatsächlich zunächst die Erfahrungen anderer Klubs zusammengetragen und dabei festgestellt, dass es verwirrend sein kann, wenn man den Fan auf andere, wenngleich autorisierte Plattformen verweisen muss. Wir wollten eine vollständige Integration des Erst- und Zweitmarktes in einem Shop abbilden. Ein solches Verfahren hatte bis dahin nur Bayer Leverkusen programmieren lassen. Gemeinsam mit der BVB Fan- und Förderabteilung und der dort verankerten AG Ticketing haben wir dann noch weitere Regeln wie z.B. die Spendenmöglichkeit für die BVB-Stiftung „leuchte auf“ für den BVB-Zweitmarkt festgelegt.
schwatzgelb: Von der DFL wird allen Vereinen ein derartiges System zur Verfügung gestellt. Warum hat man sich beim BVB entschieden, ein eigenes zu entwickeln, beziehungsweise welche Vorteile hat das BVB-Modell?
Cramer: Das Gesamtpaket muss passen. Schnittstellen und Verweise auf andere Plattformen stellten für uns von Anfang an keine Ideallösung dar. Und die Reaktion in den ersten Tagen und Wochen ist eine Bestätigung dafür, dass dies der richtige Weg war.
schwatzgelb: Bei der Einrichtung mussten ja verschiedene Aspekte berücksichtigt werden. Unterschiedliche Abwicklungen bei (einmaligen) Tages- und Dauerkarteninhabern, Datenschutzbestimmungen, technische Umsetzung. Wer war alles an der Entwicklung und Umsetzung der Plattform beteiligt?
Naversnik: Wir haben von Anfang an mit der Fan- und Förderabteilung gesprochen und sie transparent in alle Vorgänge mit einbezogen. Gemeinsam haben wir Regeln und Termine erarbeitet. Mit unserem Ticketanbieter eventim wurden dann die Gespräche aufgenommen. Letztendlich konnten wir die Geschäftsführung von dem Projekt überzeugen - fast 20 Wochen saßen 3 komplette Programmierteams dann an der Umsetzung dieser integrierten Zweitmarktlösung. Darüber hinaus mussten auch unsere Juristen die AGB`s anpassen. So etwas dauert schon, vor allem, wenn der Erstaufschlag sitzen soll und muss.
schwatzgelb: Ursprünglich war die Einführung bereits für Saisonanfang avisiert. Warum hat sich die Einführung bis zum Spiel gegen Ingolstadt hinausgezögert?
Naversnik: Wie gesagt: Wir wollten mit einer Lösung an den Start gehen, an der auf Anhieb alles passt, und nicht mit einer, die 1000 Kinderkrankheiten aufweist.
Cramer: Nach dem Motto: Gründlichkeit vor Geschwindigkeit (lacht).
Naversnik: Und noch etwas kommt hinzu: Im April 2016 hatten wir mit eventimsports die Zweitmarktplattform besprochen, uns wurde dabei gesagt, dass eine Programmierung etwa 14 Wochen dauern wird. Das hätte mit Saisonstart gut gepasst. Damit einhergehend war jedoch auch ein Shop-Launch, der den Onlineshop auf ein besseres responsives Webdesign – also auf Smartphones, Tabletcomputer darstellen kann. Das war uns anfänglich nicht bewusst. Vielleicht waren wir daher auch etwas zu euphorisch mit der Terminierung des Zweitmarktes.
schwatzgelb: Stichwort Kinderkrankheiten: Wie fällt das erste Fazit direkt nach dem Start aus?
Naversnik: Wir haben mit unserem Ticketpartner einen überaus erfahrenen Player im Einsatz, der im Vorfeld von mehreren hundert Usern das System auf Herz und Nieren getestet hat. Auch die Usability wurde im Vorfeld erprobt und die Benutzerfreundlichkeit getestet. Die Kinderkrankheiten sind daher im Vorlauf bereits gänzlich abgestellt worden.
Cramer: Ich muss sagen, eventimsports hat eine super Arbeit abgeliefert. Und die Kolleginnen und Kollegen im BVB-Ticketing um Matthias Naversnik haben ebenfalls ihren Anteil daran.
Naversnik: Wir verstehen die Rückrunde jetzt auch als Testphase, um uns gemeinsam mit der Fanabteilung in der Sommerpause zu beraten, was wir ändern, anpassen oder verbessern müssen. Wir sind nicht so vermessen zu glauben, schon jetzt die "Eier legende Wollmilchsau" entwickelt zu haben.
schwatzgelb: Wie viele Karten wurden gegen Ingolstadt über die Plattform weiterverkauft?
Naversnik: Das Flutlichtspiel gegen Ingolstadt war nur 10 Tage vor dem Spiel zum Einstellen der Tickets freigegeben worden. In diesem kurzen Zeitraum sind bereits über 500 Karten gehandelt worden.
schwatzgelb: Für die Südblöcke 12 und 13 können keine Karten eingestellt werden, dabei dürften Tageskarten für die Stimmungsblöcke vor allem für die jüngeren Fans sehr begehrt sein. Welche Gründe waren ausschlaggebend dafür, diese Bereiche vom Zweitmarkt auszunehmen?
Cramer: Wir haben über diese Frage auch lange nachgedacht, am Ende kommen wir aber zu dem Schluss, dass es aus Sicherheitsgründen nicht möglich ist. Gerade diese Blöcke sind sehr beliebt und hier haben wir auch die meisten Probleme mit dem Tauschen von Karten. Es besteht das Risiko, dass dann zu viele Fans in einem Block sind, und da stehen wir als Veranstalter einfach in der Pflicht, das zu verhindern.
Naversnik: Ich will das einmal erklären: Fan X verkauft seine Dauerkarte für Block 12 für ein Heimspiel, der Käufer erhält nun eine Tageskarte für Block 12. Ein Freund von X hat ebenfalls eine Karte für das Spiel. Er hat aber Block 83, möchte aber zu seinen Kumpels in Block 12. Also gibt ihm X seine Dauerkarte, damit er innerhalb des Stadions in den Block gehen kann. Für den Stadioneintritt nutzt er natürlich seine Karte für Block 83. Und schon haben wir eine Person zu viel im Block. Um diese Fälle zu vermeiden, geben wir auch seit Jahren keine Ersatzkarten bei Dauerkartenverlust für die Blöcke 12 und 13 aus. Die Fans erhalten dann Karten in anderen Blöcken.
Cramer: Wir wissen ja auch, dass diese Blöcke sehr attraktiv sind und wir ohnehin immer wieder damit konfrontiert werden, dass Fans von ihren Freunden und Bekannten mit anderen Karten in die Blöcke geholt werden sollen und dabei von unserem Ordnungsdienst erwischt werden. Wer das tut, gefährdet auch seine Wiederkaufsoption, die Dauerkarte ist dann für die Zukunft weg. Wir sind seit einigen Jahren zu diesem Handeln gezwungen und möchten einfach die Sicherheit unserer Zuschauer gewährleisten. Das geht nicht, wenn ein Block wirklich überfüllt wäre.
schwatzgelb: Potenzielle Verkäufer können Karten für ein Spiel bis zwei Tage vorher zum Verkauf anbieten. Warum ist es nicht möglich, Karten auch noch am Spieltag einzustellen und vom Käufer per Print at home ausdrucken zu lassen? Das würde Karteninhabern die Möglichkeit geben, auch kurzfristig z.B. bei Erkrankung die Karte zur Verfügung zu stellen.
Cramer: Wir haben jetzt erst einmal die Möglichkeit geschaffen, Tickets aus dem Erstmarkt wieder einzustellen und werden Erfahrungen sammeln. Bei Stehplatzkarten ist zudem eine print@home-Lösung nicht vorgesehen. Hier müssen die Karten für den Käufer noch gedruckt und zur Abholung in der BVB-Fanwelt hinterlegt werden. Darüber hinaus kommt es in letzter Zeit immer häufiger vor, dass Lastschriften zurück gezogen werden. Hier brauchen die Kollegen Handlungsspielraum.
Naversnik: Zudem macht es auch Sinn, dem Erstkäufer immer noch den Hinweis zu geben, dass das Ticket nicht verkauft wurde sodass er noch rechtzeitig vor dem Spieltag Bescheid weiß und die Möglichkeit hat, das Ticket dann selbst zu nutzen. Selbst wenn das Ticket am Spieltag noch eingestellt werden könnte, gibt es keine Gewähr, dass noch ein Käufer auf dem Zweitmarkt gefunden wird.
schwatzgelb: Eine häufig geäußerte Sorge war die, dass die Plattform eine weitere Möglichkeit für Schwarzmarkthändler darstellt, an Karten für das Spiel zu gelangen. Wie will der BVB verhindern, dass die freien Karten letztendlich in diesen Kanäle gelangen?
Cramer: Wir geben die Möglichkeit, bei Verhinderung die im Erstmarkt gekauften Tickets wieder einzustellen. Damit bleiben die Plätze im Stadion nicht leer und das Ticketangebot wird erhöht. Wer die Karten aber letztendlich erwirbt, darauf hat Borussia Dortmund wenig Einfluss.
schwatzgelb: In unserem Forum gab es Kritik bezüglich der erhobenen Gebühren. Der ursprüngliche Käufer einer Tageskarte erhält die 10-prozentige Vorverkaufsgebühr nicht zurück, beim Kauf wird sie in gleicher Höhe noch einmal an den neuen Käufer berechnet. Warum wird die Gebühr nicht zusammen mit Ticketpreis rückerstattet, beziehungsweise doppelt abgerechnet?
Naversnik: Dem Tageskartenkäufer aus dem Erstkauf wurde bereits die Leistung erbracht. Zudem ist es doch eher selten, dass ein Tageskartenkäufer, der die Tageskarte soeben gekauft hat, sie gleich wieder zurückgibt. Dem Dauerkarteninhaber wird der komplette Betrag erstattet. Die Servicegebühr, die der Zweitmarktkäufer zahlt, steht dem Anbieter zu, der die Software programmiert und für den Betrieb des Onlineshops sowie die Weiterentwicklung des Systems auch Kosten hat.
schwatzgelb.de: Wir bedanken uns für das Gespräch.