Warmlaufen

Abrissparty und Neubeginn

13.05.2016, 16:18 Uhr von:  Redaktion

SüdtribüneDas letzte Heimspiel einer Saison ist auch ohne tabellarische Brisanz immer etwas Besonderes. Es bedeutet nicht allein, dass man für längere Zeit seine Samstagnachmittage anders als gewohnt verbringen muss – es bedeutet immer auch ein bisschen Abschied nehmen. Abschied für längere Zeit von seinem „Wohnzimmer“ mit all seinen liebgewonnenen Stadionbekanntschaften. Von einer Saison mit all ihren Höhen und Tiefen und erinnerungswürdigen Momenten. Natürlich auch von Spielern, mit denen man sich viele Spieltage zusammen durch die 90 Minuten auf dem Platz gekämpft hat. Und in unserem Falle endet auch so langsam eine unfassbar tolle Zeit, von der wir unseren Nachkommen noch mehr als genug erzählen werden. Die Klasse von 2010/2011 tritt ab.

Wie schnelllebig das Fußballgeschäft ist, sieht man, wenn man die Mannschaft, die am letzten Spieltag der Saison 2010/2011 gegen Frankfurt die Meisterschale erhalten hat, mit der heutigen vergleicht. In der Startelf standen damals Weidenfeller, Schmelzer, Hummels, Santana, Piszczek, Götze, da Silva, Kuba, Lewandowski, Großkreutz und Barrios. Dede, Kagawa und Feulner wurden eingewechselt. Dazu saßen Langerak, Bender, Kringe und Zidan auf der Bank, zudem fehlten Subotic, Sahin und Kehl.

Meistermannschaft 2010/2011Viel ist nicht mehr übrig geblieben von der Truppe, die damals für uns alle unfassbar durch die Liga gerauscht ist und uns von einem Jubelsturm in den nächsten gestürzt hat. Der legendäre „Kinderriegel“ in der Innenverteidigung wird nie wieder zusammen spielen. Der „Dortmunder Jung“ Kevin Großkreutz wird vermutlich in der nächsten Saison gegen Sandhausen und Co. Zweitligafußball spielen und Mario Götze erlebt gerade am eigenen Leib, wie schnell Karrieren einstürzen können. Für Kuba wird es nach Ende des Leihgeschäftes mit Florenz wohl auch nur ein kurzer Zwischenstopp in Dortmund werden. Da hat es „Opa“ Kehl noch richtig gut, der ein würdiges Dienstzeitende feiern durfte und anschließend erst einmal über den Erdball reiste. Und wer hätte damals gedacht, dass „unser Kloppo“ uns als gegnerischer Trainer fünf Jahre später den mit Abstand bittersten Moment der Saison bescheren wird?

Für die neue Saison steht Mats Hummels als Abgang schon fest, die Anzeichen für einen Wechsel sind bei Neven Subotic deutlich zu erkennen. Und auch hinter die Zukunft des Zurückgekehrten Nuri Sahin muss man wohl ein Fragezeichen machen, sollte er nicht so langsam Thomas Tuchel zumindest annähernd seine alte Leistungsstärke präsentieren. Es ist sehr gut möglich, dass in der nächsten Saison eine Elf bei Anstoß auf dem Platz steht, in der kein einziger Spieler aus der geilsten Saison aller Zeiten vertreten ist.

letzter Auftritt für Mats HummelsUnd wenn wir ehrlich sind, hat sich nicht nur die Mannschaft verändert. Borussia Dortmund fühlt sich anders an als früher. Ohne jetzt noch einmal die letzten Wochen durchkauen zu wollen und Schuldzuweisungen anzuführen, aber die Tatsache, dass ein Spieler, der achteinhalb Jahre lang einen großen Anteil an Titeln und Finalspielen hatte, am letzten Heimspiel nicht verabschiedet wird, weil man Pfiffe und Protest fürchtet, sollte traurig machen. Da kann auch Watzkes Erklärung, dass man nicht den Eindruck erwecken wolle, nach dem Spiel wäre alles vorbei, während ja noch ein Pokalendspiel zu bestreiten sei, nichts übertünchen. Es ist die fünfte Finalteilnahme in Serie und bislang haben wir es noch immer geschafft, beim letzten Heimspiel feststehenden Abgängen einen Blumenstrauß zu überreichen und sie mit einem festen Händedruck zu verabschieden. Etwas ist unterwegs kaputt gegangen und es wäre zu einfach, daran nur den Spielern die Schuld zu geben.

Es ist wenig geblieben von 2010/2011.

Und trotzdem besteht kein Grund zu Wehmut. Oder wie der große Philosoph Oliver Kahn sagte: „Immer weitermachen! Immer weiter!“. Die nächste Generation steht schon in den Startlöchern und scharrt mit den Hufen. Julian Weigl ist wohl die Überraschung der Saison und auf dem Weg, ein echtes Herzstück im Spiel unserer Borussia zu werden. Christian Pulisic weist mit neun Bundesligaeinsätzen eine bemerkenswerte Bilanz für einen 17-Jährigen auf. Beide hätten, wären sie denn dabei gewesen, bei der Meisterfeier 2011 nur mit einer Fanta feiern dürfen. Mit Mikel Merino und dem aktuell eingetüteten Ousmane Dembélé stehen zwei weitere Spieler, die ebenfalls noch ihre ganze Karriere vor sich haben, bereits für nächstes Jahr fest.

Thomas TuchelUnd nicht zuletzt hat Thomas Tuchel einen so wohl nicht für möglich gehaltenen Übergang nach „Übervater“ Jürgen Klopp hingelegt und gezeigt, dass er eine Mannschaft formen und entwickeln kann. Übernommen hat er eigentlich nur die gute Tradition, uns ein Finale nach Ende der offiziellen Bundesligasaison zu schenken. Auch wenn wir ehrlich eingestehen müssen, dass wir wohl alle lieber nach Basel gefahren werden. Ok, und danach dann nach Berlin.

Also lasst uns gegen Köln noch einmal eine Abrissparty feiern, die Generation 2010/2011 ehren und anschließend etwas Neues aufbauen. Die Saison geht zu Ende – die Geschichte unserer Borussia wird fortgeschrieben.

Borussia Dortmund: Bürki – Schmelzer, Sokratis, Hummels, Piszczek – Weigl, Castro – Reus, Kagawa, Mkhitaryan – Aubameyang

1. FC Köln: Horn – Maroh, Mavraj, Heintz - Risse, M. Lehmann, Vogt, Mladenovic - Osako, Bittencourt - Modeste

Sascha, 13.05.2016

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