Wie ein Abziehbild der Saison - BVB offenbart beim 1:1 gegen FCA bekannte Schwächen
Es war eine Partie, die sich eigentlich perfekt als Abziehbild für die bisherige Bundesliga-Spielzeit von Borussia Dortmund eignet. Beim 1:1 (0:1) zeigte der BVB am Dienstagabend abermals die Schwächen auf, über die sich seine Fans seit einigen Wochen und Monaten ärgern müssen. Der Defensive mangelt es nach wie vor an Eingespieltheit und Automatismen, der Offensive an Zielstrebigkeit und Ideen. Dazu gesellen sich teils haarsträubende individuelle Fehler sowie das Auslassen guter Torchancen, manche Spieler befinden sich zudem nicht in der Form, in der man sie kennt oder in der man sie sich wünschen würde. Mit all diesen genannten Defiziten ist es am Ende eines Bundesliga-Tages eben schwierig, die gesamten drei Punkte zu Hause zu behalten. Auch, wenn der Gegner "nur" ein Team aus dem unteren Tabellendrittel mit eigenen Problemen und kurz nach einem Trainerwechsel ist. Es bleibt ein Punkt, der unter dem Strich zu wenig ist - wie die gesamte Ausbeute der Tuchel-Elf in der laufenden Spielzeit. Es bleibt der Frust über eine weitere Partie, in der man einem Rückstand hinterher laufen musste. Es bleibt das Gefühl, dass diese Mannschaft nicht das Meiste aus ihren Möglichkeiten macht. Es bleibt einfach kein guter Eindruck, kein versöhnliches Gefühl, das man sich im letzten Heimspiel des Jahres, das man nebenbei immerhin seit langer Zeit und erst zum dritten Mal überhaupt mal wieder komplett ohne eine Niederlage im heimischen Westfalenstadion beenden konnte, eigentlich wünscht. Und ein bisschen zeichnete sich dies vielleicht sogar schon vor dem Spiel ab...
Vor dem Spiel
Einmal mehr überraschte Trainer Thomas Tuchel nämlich schon beim Blick auf den Aufstellungsbogen. Mikel Merino nahm nach dem Startelf-Debüt gegen die Hertha mal wieder in einem Flutlichtspiel im Westfalenstadion nicht nur einen Platz im Kader, sondern auch unter den ersten Elf ein. Im Vergleich zu Freitag nahm Sven Bender dafür auf der Bank Platz, sein Einsatz von Beginn an sei laut Tuchel "unverantwortlich" gewesen. So weit, so gut, denn - das sei vorweg genommen - Merino war nicht das Problem des Spiels und machte trotz geringer Spielpraxis eigentlich abermals einen positiven Eindruck. Dazu sollten im Mittelfeld nun Pulisic und Kagawa wirbeln, nachdem der "Ladendieb" Marco Reus nach seiner gelb-roten Karte in Hoffenheim nur zugucken durfte. Zumindest die Personalie Kagawa kann man rückblickend hinterfragen. Das ist zwar sehr viel Schweinchen Schlau, aber wenn man ehrlich auf die Saison des Japaners zurück blickt, findet man wohl nur wenige Spiele, in denen er überzeugen konnte. André Schürrle, dem ebenfalls keine zufriedenstellende Formkurve nachgesagt wird, dürfte die Rolle wohl ebenso wenig schlechter ausgefüllt haben wie auch Emre Mor. Beide durften jedoch zunächst ebenfalls nur zuschauen. Dafür war der zuletzt starke Aktivposten Ousmane Dembélé wie geplant wieder fit und somit natürlich auch von Beginn an auf dem Rasen.
Trotz der schlimmen Vorkommnisse in Berlin, an die nicht nur die Schweigeminute vor der Partie und der von allen Akteuren getragene Trauerflor, sondern auch Norbert Dickels kurze Ansprache vor "You'll never walk alone" erinnerte, gab es zumindest aus Fußball-emotionaler Sicht schon vor dem Anstoß positive Nachrichten zu vermelden. Nachdem die Sonnenkinder, die für viele BVB-Fans jeglichen Alters und unterschiedlichster Art immer wieder ein Highlight einer jeden Spielzeit sind, ihr erstes Lied zum Besten gegeben hatten, erschien Julian Weigl auf den Stadionleinwänden und erklärte, dass er seinen bestehenden Vertrag beim Ballspielverein bis 2021 verlängert habe. Dies hatte sich in den letzten Wochen ja schon angedeutet, ist aber nach der Vielzahl der Abgänge von Schlüsselspielern in der Vergangenheit durchaus ein wichtiger Fingerzeig.
Ebenso wichtig war auch die Spruchbandaktion, die sich auf der Dortmunder Südtribüne zu "Heja BVB" präsentierte. Erneut wies das Bündnis Südtribüne im Vorfeld des Spiels mit Flyern auf die Schwachsinnsidee der Einführung von Montagsspielen in der Fußball-Bundesliga hin und distanzierte sich von der bereits beschlossenen Spieltagsaufsplittung, die erneut nichts mit den Interessen der Fans zu tun hat. "Für fangerechte Anstoßzeiten! Nein zu Montagsspielen" war in großen Lettern hinter dem Tor vor der Südtribüne zu lesen. Dem kann man sich dann auch einfach ohne weiteren Kommentar anschließen. Aber wenn man die Fans des FC Augsburg an einem Dienstagabend nach Dortmund schicken kann (um die 700 nahmen die weite Anreise letztlich doch auf sich), kann man vermutlich auch Montagsspiele einführen...
Erste Hälfte
Nachdem der BVB direkt zu Beginn die Partie wie ein Hausherr anging, eben die aktivere und fußballspielende Mannschaft war, merkte der FCA nach einer guten Viertelstunde, dass man ja auch durchaus selbst aktiv werden könnte. Zu diesem Zeitpunkt hatte Götze bereits den Außenpfosten getroffen, nachdem er sich mit einem netten Solo und einem kleinen Quäntchen Glück über die linke Seite Platz verschafft hatte. Die Gäste führten währenddessen eine Partie aus einer gut sortierten Defensive mit schnellen Umschaltangriffen, die oft mit langen Bällen und Kopfballverlängerungen vorgetragen wurden. So wurde man im Laufe der ersten Hälfte ein wenig mutiger, ohne sich aber zwingende Chancen zu erspielen. Gleichzeitig merkte man der Dortmunder Defensive leider immer wieder an, dass es sich um eine abermals neu zusammengesetzte Abwehrreihe handelte, was zu einigen Abstimmungsfehlern und auch teils haarsträubenden Fehlern im Spielaufbau führte. Aber woher soll es auch kommen, wenn in gefühlt jedem Pflichtspiel andere Verteidiger mit von der Partie sind und man dank zahlreicher englischer Wochen keine Zeit hat, Automatismen einzutrainieren? Wenn in 16 Bundesliga-Partien die Abwehr aus insgesamt 13 verschiedenen Formationen besteht, ist dies nicht nur hohe Kombinatorik-Kunst, sondern auch sportlich vielleicht nicht die beste Variante. Die Hoffnung in diesen Punkten liegt wohl doch sehr deutlich auf der Winterpause. Nach einer eigentlich guten Anfangsphase verlor der BVB dann bis zum Gegentreffer vollkommen den Faden. Zwar hatten Ginter (nach Schmelzer-Freistoß) und Kagawa (nach toller Hacken-Ablage von Aubameyang) die Führung der Dortmunder auf dem Fuß, letztlich war Kagawas Abschluss aber zu ungenau und zielte auf den Mann und auch Ginters Kopfball konnte von Hitz noch entschärft werden.
Nach 33 Zeigerumdrehungen setzte es dann den Nackenschlag. Marc Bartra, der in Dortmund immer noch Findungsschwierigkeiten hat, leistete sich einen der schon erwähnten haarsträubenden Fehler im Spielaufbau und leitete mit einem Fehlpass einen schnellen Gegenangriff der Augsburger ein, bei dem die Dortmunder jedoch schon wie die Zwischensieger aussahen, das Leder dann aber bei den Gästen blieb. Erneut leistete sich Bartra einen Patzer, weil er zu spät nach vorne rückte und somit das Abseits aufhob, wovon ausgerechnet der Ex-Borusse Dong Won Ji profitierte, der alleine auf Weidenfeller zumarschierte, im ersten Versuch noch zweiter Sieger blieb, dann aber doch zur Gäste-Führung traf. Bezeichnend, dass ausgerechnet ein Spieler, der beim BVB nie einen Fuß auf den Boden brachte, gegen ihn wieder ins Netz treffen kann. Es war das siebte Pflichtspiel in Serie, in dem der BVB einen Rückstand hinterher rennen musste. In den Gefilden, in denen man als Borussia Dortmund mitspielen möchte, ist dies nüchtern betrachtet einfach eine völlig indiskutable Anzahl. Dass dabei zuletzt wenig Zählbares bei heraus sprang, liegt in der Natur der Sache. Man kann eben nicht immer zwei oder drei Treffer schießen... Drei Minuten nach dem 0:1 konnte man aber fast noch froh sein, nicht noch höher in Rückstand zu liegen, da ein Abstimmungsfehler von Ginter und Bartra beinahe dafür sorgte, dass es wieder klingelte. Der überraschte Augsburger Angreifer konnte aus Dortmunder Sicht zum Glück nicht von der Situation profitieren.
Immerhin: es folgte die beste Phase der Gastgeber, die die Führung eigentlich ganz gut wegstecken konnten und in den letzten zehn Minuten vor der Pause und den ersten zehn Minuten nach dem Seitenwechsel fast zu Chancen im Minutentakt kamen. Der dreifache Aubameyang traf aber leider nicht einmal, scheiterte zunächst mit einem strammen Versuch nach einem Eckball, dann mit einem Kopfball und letztlich erreichte ihn eine Flanke vom insgesamt eher unauffälligen Christian Pulisic nicht. Der BVB drängte zwar auf den Ausgleich, musste aber doch zunächst mit dem Rückstand in die Kabine gehen, was erste Anhänger des Ballspielvereins mit Pfiffen quittierten, die von Seiten von Block Drölf jedoch überspielt werden konnten. Dennoch waren sie schon zu diesem Zeitpunkt zu vernehmen... Ob richtig oder nicht, ob angebracht oder nicht, darauf soll an späterer Stelle noch einmal eingegangen werden.
Zweite Hälfte
Nach der Pause kam Bender für den schwachen Bartra und der BVB knüpfte an die starke Phase vor der Pause an, als es dann auch schon direkt zum Ausgleich klingelte. Ousmane Dembélé, der seine zuletzt starke Form auch am Dienstagabend bestätigte, wurde ordentlich in Szene gesetzt und sorgte mit einem platzierten Schuss in die linke Ecke für etwas Balsam und Beruhigung der Dortmunder Seele. Der BVB setzte nach, doch Aubameyangs Tor des Monats per Fallrückzieher wurde durch Hitz vereitelt und auch ein Kopfball von Sven Bender nach einer weiteren guten Hereingabe von Marcel Schmelzer, der mit Dembélé wohl zu den besten Spielern der Schwatzgelben gehörte, fand nicht das Ziel. Zwischendurch hatte man jedoch auch Glück, da es fast im Gegenzug zum Ausgleich schon wieder nach Gegentor roch. Bender ließ sich zu leicht ausspielen und der Schlenzer eines Augsburger Angreifers verpasste das Gehäuse schließlich.
Nach zehn Minuten Feuerwehr verlor der BVB dann aber wieder an Zielstrebigkeit und Tempo, blieb dabei zwar nicht komplett ungefährlich, die große Sturm-und-Drang-Phase schien ab Minute 55 aber erst einmal wieder beendet zu sein. Weitere Gelegenheiten boten sich fortan etwa im Abstand von zehn Minuten, zunächst krönte Kagawa seine eher durchwachsene Hinrunde mit einem Tritt in den Rasen statt aus aussichtsreicher Position den Ball auf das Tor zu bringen. Zuvor hatte ein gutes Solo von Mikel Merino und Dembélés Pass für das In-Szene-Setzen des Japaners gesorgt (59.). Merino war auch an der nächsten Aktion beteiligt, bei der nach einem Schmelzer-Freistoß Aubameyang den Ball vom zweiten Pfosten noch einmal in die Mitte bugsierte, wo der Spanier knapp verpasste. Schade (67.)!
Die beiden größten Chancen des Abends versemmelte dann schließlich Aubameyang, der zunächst nach einem tollen Pass des mittlerweile für den enttäuschenden Kagawa eingewechselten Castro allein auf das Tor von Marwin Hitz zusteuerte, dann aber die von ihm eigentlich doch sehr gewohnte und wichtige Cleverness vermissen ließ. Sein Abschluss landete doch deutlich über dem Tor (77.). Elf Minuten später machte Aubameyang es eigentlich gut, brachte einen harten Schuss von halblinks auf den Kasten, den Hitz nur abklatschen konnte. In der Mitte verpasste zunächst Götze den Nachschuss, der heranrauschende ebenfalls eingewechselte André Horst Schürrle setzte den letztlichen Abschluss dann knapp neben das Tor. Das wäre es dann eigentlich fast gewesen, wenn Roman Weidenfeller nicht noch einmal unserer aller Herzen strapazieren wollte. Der Dortmunder Schlussmann reihte sich ein in die Reihe der Spieler mit haarsträubenden Fehlpässen, konnte seinen Fehler aber zumindest selbst wieder ausbügeln, als man fast schon befürchten musste, der BVB würde in der Nachspielzeit noch den endgültigen Knockout kassieren.
Es blieb beim 1:1 und zum Abpfiff waren erneut einige Pfiffe im Westfalenstadion zu hören, dieses Mal deutlicher als noch in der Halbzeit. Zwar ebbten diese recht schnell ab und Block drölf konterte mit seinem Durchhalte-Lied, dennoch waren sie doch gut zu vernehmen. Persönlich hält der Schreiber dieser Zeilen die Pfiffe für unangebracht, weil er der Meinung ist, dass es selten Situationen gab, in denen Pfiffe wirklich angebracht gewesen wären. Es ist nicht ganz zwei Jahre her, als es sie zuletzt nach einem Heimspiel gegen den FC Augsburg gab - damals war man allerdings in einer ganz anderen, fast hoffnungsloseren Situation und spielte gegen den Abstieg. Das sollte man sich vielleicht auch noch einmal vor Augen halten, bevor man die eigene Mannschaft lang machen möchte. Ansonsten verbindet man solche Überreaktionen nämlich eher mit dem ungeliebten Nachbarn aus Gelsenkirchen und nicht mit einem Ballspielverein, der auf einem Platz im oberen Tabellendrittel überwintert und maximal drei Punkte Rückstand auf die Champions League-Plätze besitzt.
Fazit und Ausblick
Nichtsdestotrotz bleibt Kritik bestehen, die man auch ernst nehmen sollte. Es kann eigentlich nicht sein, dass sich die immer wieder gleichen Missstände über Wochen und Monate hinweg ziehen und sich gefühlt wenig bis gar nichts daran ändert, dass einen individuelle Fehler, schlechtes Abwehrverhalten oder schlicht fehlende Automatismen und Eingespieltheit in Verlegenheit bringen. Es kann nicht sein, dass man in sieben aufeinanderfolgenden Pflichtspielen in Rückstand gerät. Zumindest nicht, wenn man die Ansprüche von Borussia Dortmund hat, die auch mit den Abgängen dreier wichtiger Spieler im Sommer nicht komplett ausgelöscht wurden. Man muss Verständnis und auch ein wenig Geduld für die junge Mannschaft und die Findungsphase der selbigen haben, dennoch haben wir mittlerweile einen Punkt erreicht, bei dem ein gewisses Maß an Frustration einsetzen kann und dies durchaus verständlich ist. So kann man durchaus froh sein, dass nun erst einmal Winterpause ist und ja auch durchaus Hoffnung daraus ziehen, dass mit einer weiteren gemeinsamen Vorbereitung und der Rückkehr einiger Verletzter Besserung zu erwarten ist. Dennoch haben Thomas Tuchel und sein Team einen großen Berg an Hausaufgaben auf dem Tisch liegen, die durch das Spiel gegen Augsburg keineswegs erstmals aufgeführt, aber noch einmal exemplarisch verdeutlich wurden. Es ist allen Beteiligten zuzutrauen, dass sie in der Lage sind, die Situation richtig einzuschätzen, Konsequenzen aus ihr zu ziehen und Lösungsansätze zu finden. Dies sollte dann in der Rückrunde (und dem weiteren Spiel bei Werder Bremen, das in 2017 ja noch zur Hinrunde zählt) aber auch folgen, denn um die Ziele, die Qualifikation zur Champions League, zu erreichen, ist eine Steigerung klar erforderlich. Höhere Ziele wird man in dieser Saison nicht mehr erreichen, das sollte man aber auch nicht erst seit Dienstagabend wissen. In diesem Sinne: der Weihnachtsbaum in Dortmund brennt keineswegs, aber es gibt Hausaufgaben, die erledigt werden müssen. Happy Winterpause!
Statistik:
Borussia Dortmund: Weidenfeller - Ginter, Bartra (46. Bender), Merino, Schmelzer - Weigl - Pulisic, Götze, Kagawa (71. Castro), Dembélé (80. Schürrle) - Aubameyang
FC Augsburg: Hitz - Verhaegh, Gouweleeuw, Hinteregger, Stafylidis - Baier - Schmid, Kohr (78. Kacar), Moravek (73. Feulner), Teigl - Ji (90. Altintop)
Tore: 0:1 Ji (33.), 1:1 Dembélé (47.)
Gelb: Kagawa - Stafylidis, Baier
Schiedsrichter: Guido Winkmann (Kerken)
Zuschauerzahl: 81.360 Zuschauer (ausverkauft)
Vanni, 21.12.2016