Punktgewinn beim Sympathieträger schlechthin
Es gibt Vereine in der Bundesliga, die braucht keine Sau. Muss man sich seit dieser Saison auch noch mit dem Brauseclub aus Leipzig arrangieren, nervt einen der heutige Gegner bereits seit viel zu vielen Jahren. Auch gestern hatte man sich in Hoffenheim wieder dick auf die Fahnen geschrieben, aller Welt zu zeigen, warum man einfach ein richtig doofer Verein ist.
Bereits wenige Tage vor dem Spiel machten sich beim Ballspielverein abermals Verletzungssorgen breit. Gerade bei der eh schon nicht ganz so sicheren Abwehr waren die Aussichten auf eine zusammengewürfelte Abwehr nicht gerade verheißungsvoll. So wurde Bender nach sechs Monaten zum ersten Mal wieder ins kalte Wasser geworfen, neben ihm Bartra, von dem am Freitag noch nicht einmal gewiss war, ob es überhaupt bis zum Spiel reichen würde. Es sollte reichen. Insgesamt bot Thomas Tuchel jedoch eine Mannschaft auf, die sich, trotz großer Verletzungssorgen, durchaus sehen lassen konnte und auch nicht viel anders auftrat.
Erste Halbzeit
Schwungvoll ging es in die erste Halbzeit, auf wenig positive Art und Weise. Bereits in der zweiten Minute schepperte es zwischen dem allseits als sanftmütig bekannten Sandro Wagner und Ginter, woraufhin Letzterer direkt benommen auf dem Boden liegen blieb. Na das ging ja wunderbar los. Etwas benommen ging es dann für Ginter weiter, der beim darauffolgenden Angriff entsprechend fehlte. Auf der rechten Seite überlief Hübner die gesamte Dortmunder Seite, spielte den Ball in die Mitte auf Uth, der den herauskommenden Weidenfeller ziemlich blass aussehen ließ und aus spitzem Winkel ins rechte Eck schoß. 1:0 für Hoffenheim. Jedes Mal derselbe Mist gegen Hoffenheim. Und immer wieder diese frühen Gegentore.
Trotz miserablem Start schüttelte Dortmund sich kurz und machte dann einfach weiter. Während Ginters Flanke von rechts von Schmelzer noch eher schlecht als recht verwertet wurde, zeigte Dembélé nur eine Minute später, wofür man ihn gekauft hatte. Nach klasse Vorarbeit von einem eh stark aufspielenden Dembélé, leitete Reus den Ball an Aubameyang weiter, der den Ball nur knapp verzog. Versuch zwei klappte dann schon wesentlich besser. Nach einem erneut starken Auftritt von Dembélé will in der Hoffenheimer Abwehr keiner so recht seinem Pass nachgehen, weshalb er sich den Ball gleich noch einmal schnappt, auf Götze vorlegt, der zum 1:1 vollendet. So kann es weitergehen.
Und agil geht es auch weiter, nur nicht unbedingt in unserem Sinne. Nach einer Ecke köpft Hübner den Ball Richtung langes Eck vom Tor, soweit so unspektakulär. Der Schubser von Sandro Wagner an Bender, der dem Ball mit seinem Kopf noch einen Richtungswechsel gab, machte das Tor dann aber zu einem irregulären Tor, was das Schiedsrichtergespann dann aber wohl übersehen hat. Kann man im Eifer des Gefechts entschuldigen, schaut man sich allerdings den weiteren Spielverlauf an, kann man auch einfach einen riesen Hals bekommen. So steht es 2:1 für Hoffenheim, die sich im Spiel kontinuierlich um den Sympathiepreis bewarben.
Insgesamt war es ein munteres, zweikampfbetontes und laufintensives Fußballspiel auf beiden Seiten und nicht zu vergleichen mit dem eher behäbigen und unglücklichen Auftritt gegen den FC Köln von letzter Woche.
Nach einem erneuten starken Antritt, spielt Dembélé den Ball weiter auf Pulisic, der ihn scharf in die Mitte spielt und vom Hoffenheimer geblockt wird. Die darauffolgende Ecke bringt allerdings nichts ein. Jedoch meldete auch Hoffenheim hin und wieder Ansprüche auf das Spiel an. Nach einer Dortmunder Ecke ging es plötzlich sehr schnell. Zu schnell für die Blau-weißen, die einen vielversprechenden Konter nicht entscheidend unter Kontrolle bringen konnten. Gut für uns, da hätte man mehr drauf machen können. Nur wenig später folgte der
zweite Witz des Spiels. In der 42. Minute lieferte sich Marco Reus, der zu Beginn schon ohne großes Vorgeplänkel mit gelb verwarnt worden war, ein Laufduell mit Hoffenheims Amiri. Offensichtlich hatte Amiri leichte Balanceprobleme, da er es für nötig hielt sich gefühlte zwei Minuten an Reus Trikot und Arm festzuhalten. Wie ein Schiedsrichter hierbei auf die Idee kommen kann Marco Reus dafür die zweite gelbe Karte zu verpassen, weiß wohl auch nur er. Klar, natürlich kann man als Schiedsrichter nicht alles sehen, dafür gibt es dann ja auch Linienrichter. Wenn aber ein komplettes Schiedsrichtergespannt innerhalb einer Halbzeit so wenig Fingerspitzengefühl und Kompetenz in den wichtigen Szenen aufweisen kann, ist das mehr als bedenklich. Die Quittung dafür erhielt unmittelbar danach dann wohl der Spielertunnel von Hoffenheim. Wer kann es Reus verdenken. Ziemlich frustriert ging es dann auch in die Halbzeitpause.
Zweite Halbzeit
Ähnlich turbulent wie in Halbzeit eins ging es auch danach weiter. Bereits in der 48. Minute hätte für uns alles vorbei sein können. Nach einem schnellen Spielzug von Hoffenheim über rechts, hat Sandro Wagner erneut die Chance alles für Hoffenheim zu versiegeln und trifft stattdessen aus aussichtsreicher Position nur den Pfosten. 18 Sekunden später steht es 2:2. Wagners vertane Chance nutzte Dembélé
sofort um einen blitzschneller Konter auszuführen und den Ball auf Aubameyang zu verlängern. Dieser ließ sich nicht zweimal bitten und netzte zum Ausgleich ein. Hoffenheim konnte bei dem schnellen Antritt beider Spieler nur schauen und staunen. Überhaupt rannte Dembélé an diesem Tag über das Spielfeld als wäre weit und breit kein Hoffenheimer zu sehen. Dabei war es völlig egal, wer sich ihm da in den Weg stellte, er wurde schlichtweg überrannt. So auch wieder in der 50. Minute. Zu Ende gespielt wurde dieser geschickte Spielzug leider nicht. Zu lasch war Aubameyangs Abschluss, der wohl besser in die Mitte gespielt hätte, wo Pulisic gewartet hat. Vielleicht noch eine Randnotiz zu Schmelzer, die vielleicht im Spiel eher untergeht, aber es verdient gewürdigt zu werden: als nach Aubameyangs Ausgleich in einer wichtigen Phase des Spiels nicht der gesamte Trupp zum Jubeln kommt, staucht Schmelzer in Kapitänmanier die Spieler zusammen gefälligst zum Jubeln zu kommen. Eine herrliche Szene, die bei aller Kritik, die oftmals auch berechtigt ist, zeigt, wie wichtig Schmelzer als Person für unseren Ballspielverein ist.
Ruhiger wurde es nun nach einer gespielten Stunde. Dortmund musste seine Kräfte bündeln, das laufintensive Spiel der ersten Halbzeit und der Verlust eines Spielers machten sich nach und nach bemerkbar. Aber auch Hoffenheim hatte nichts zwingendes mehr entgegen zu setzen. Obwohl man auf dem Feld räumlich überlegen war, wusste man mit diesem Raumgewinn nichts Großartiges anzufangen.
Dortmund hingegen lauerte weiter auf Konter. Diese erschienen ab der 67. jedoch schwieriger. Mit schmerzverzerrtem Gesicht wurde Dembélé vom Spielfeld getragen, ein Anblick der Böses erahnen ließ. Die leichte Entwarnung kam jedoch schon während des Spiels - scheinbar „nur“ ein Pferdekuss. Den Schmerzen nach zu urteilen, hätte einen da auch schlimmeres erwarten können. Gerade nach seinem bärenstarken Auftritt heute, wäre das mehr als schade gewesen.
Viel passierte danach nicht mehr. Der Rest des Spiels war vor allem von Unterbrechungen und Fouls geprägt. Tumulte im Dortmunder Strafraum, lösten sich jedoch in Luft auf und bis zur letzten Minute des Spiels fiel auch Hoffenheim nicht mehr viel ein. Zum Schluss gab es nochmal einen kurzen unruhigen Moment als Hoffenheim den Weg abermals über rechts in den Dortmunder Strafraum fand und der Ball gefährlich bei Kramaric in der Mitte landete. Doch dieses Mal war Weidenfeller sicher zur Stelle. Nach 93 Minuten wurde das denkwürdige Spiel dann endgültig abgepfiffen.
Es überrascht einen nicht, dass wieder Hoffenheim an einem mehr als denkwürdigen Spiel beteiligt ist. Da kann man sich als Hoffenheimer noch so sehr mit einem jungen Trainer und einem anständigen Tabellenplatz sonnen, ein Kackverein bleibt ein Kackverein,
wie heute ja auch mal wieder mehr als nur einmal demonstriert wurde. Wenn dann auch noch Verantwortliche des Vereins in Spielanalysen der Halbzeit nicht den Anstand besitzen eklatante Fehlentscheidungen einzuräumen, beweist das abermals, dass man weder Tradition, noch Klasse kaufen kann. Zumindest Letzteres bogen sowohl Nagelsmann als auch Wagner nach dem Spiel einigermaßen hin, viel zu leugnen gab es da ja aber auch nicht.
Dortmund auf der anderen Seite zeigte eine wesentlich leidenschaftlichere Leistung als eine Woche zuvor gegen Köln. Nach den eklatanten Fehlentscheidungen schaffte man es hier den Kopf nicht in den Sand zu stecken, eine lange Zeit weiter mutig aufzuspielen und den Punkt hier mitzunehmen. Mehr davon.
Und dann war da noch…
Stimmung
Die TSG machte sich im Vorfeld des Spiels vermutlich viele Gedanken darüber, wie man das Vorprogramm des Spiels so grauenhaft wie möglich gestalten könnte. Nach Einspielungen über das bestmögliche Verhalten bei Katastrophen (zu den Ausgängen laufen!), minutenlangen Zelebrierens der Kiss-Cam und schließlich dem Einlaufen der Hopp-Jünger bei "Put your hands up for Detroit" hatte man es um 20:30 Uhr als Zuschauer im Gästeblock endlich überstanden. Wer dann jedoch noch fehlte, waren TU und Jubos. Vermutlich aufgrund der vielen Staus um Rhein und Ruhr sowie im Rhein-Neckar-Gebiet kamen die Ultras erst eine gute Viertelstunde nach Anpfiff im Stadion an. Die Stimmung bis dahin war aber wider Erwarten gar nicht so schlecht. Die "Normalos" wussten durchaus zu überzeugen und waren lautstark zu vernehmen. Besser wurde es dann aber doch noch, als die Ultras schließlich im Gästeblock ankamen. Im Vergleich zum eher müden Auftritt in Köln wussten die mitgereisten Schwatzgelben in Hoffenheim durchaus zu überzeugen und trugen Ihnen Teil dazu bei, dass man wenigstens einen Punkt mitnehmen konnte.
Zum gemeinsamen Gucken
Auch ohne Sieg war das Rudelgucken mit jungen Geflüchteten im BVB Lernzentrum ein voller Erfolg. Dass Fußball verbindet, ist sicherlich keine neue Erkenntnis und auch nicht, dass Fußball als Identifikation mit der Stadt dienen kann. So stand der Abend unter dem Motto des gleichnamigen Projekts „Meine Stadt, mein Verein – Willkommen in der neuen Heimat“.
Was macht man also, um den Verein der neuen Heimat besser kennenzulernen? Wir haben uns mit ca. 70 jungen Menschen auf eine abendliche Stadionführung begeben: ein bisschen auf der leeren Süd spazieren gehen, die Mixed Zone kennenlernen und die Mannschaftskabine betreten. Natürlich durfte auch das ein oder andere Foto auf den Ersatzbänken nicht fehlen. Anschließend ging es dann zum BVB Lernzentrum, wo bereits Suppen bereitstanden, um sich an dem doch sehr frischen Abend zu wärmen und sich den Magen zu stärken.
Beim gemütlichen Zusammensein kam man ins Gespräch, tippte fleißig das Ergebnis des anstehenden Spiels oder maß sich beim Kickern. Ausgestattet mit den schwarzgelben Schals des Fan-Projektes wurde dann das Auswärtsspiel des BVB verfolgt – immer auch mit einem Blick auf das Tippspiel, das letztlich auch seine glücklichen Gewinner fand. Einer der Jugendlichen hatte tatsächlich Unentschieden getippt und sicherte sich so den begehrten Ball. Der zweite Preis, eine BVB-Sporttasche, musste schließlich zwischen allen, die vier Tore getippt hatten, ausgelost werden.
Hier fand das Losglück natürlich auch einen glücklichen Abnehmer. Es war ein schöner Abend, der gerne im kommenden Jahr wiederholt werden darf.
Statistik
Hoffenheim: Baumann, Süle, Vogt, Hübner, Kaderabek, Toljan, Rudy, Demirbay (61. Atik), Amiri, Wagner, Uth (58. Kramaric)
Trainer: Nagelsmann
Ballspielverein: Weidenfeller, Bartra, Bender, Ginter, Schmelzer, Götze, Weigl, Pulisic (83. Ramos), Reus, Dembélé (69. Mor), Aubameyang (92. Merino)
Tore: 1:0 Uth (3., Hübner), 1:1 Götze (11., Dembélé), 2:1 Wagner (20. Hübner), 2:2 Aubameyang (48. Dembélé)
Trainer: Tuchel
Schiedsrichter: Brand (Bamberg)
Stadion, das keiner braucht: 30150 (ausverkauft)