An der Nordseeküste
Das Meer rauscht leise im Hintergrund, eine altbekannte Melodie schwebt in der Luft, gerade so leise, dass man sie noch hören kann. Ich summe leise mit „… ist allen bekannt, sind die Fans von Borussia…“. Der Nebel hat sich in der Nacht über die Stadt gelegt und es ist herrlich ruhig und dunkel. Die Luft riecht nach Fisch, nach See, so wie es sich hier gehört. Es ist keine Menschenseele zu sehen, die sind woanders. In St. Pauli, da wo das Leben tobt und auch nachts der Bär steppt. Dafür bin ich aber nicht in der Stimmung. Hamburg macht mich immer etwas nachdenklich. Vielleicht liegt es an dieser Stille, die man hier finden kann, wenn man denn will, am Rauschen der Wellen…
Es ist eine schöne Stadt. Wie auch Berlin oder München. Ein ideales Auswärtsspiel - wenn denn der Fußball nicht wäre. Hamburg und der Fußball, das beisst sich etwas in letzter Zeit. Das gilt nicht nur für den HSV und sein neues „Konzept“ des „Plus-Fußballs“ oder seine seltsame Einkaufspolitik, Fanpolitik, Fußballpolitik und die (damit einhergehende?) Talfahrt in der Bundesliga hin zu einem Dauergast in den Kellerregionen. Das gilt auch ganz gerne mal für den BVB und seine seltsam regelmäßigen Arbeitsverweigerungen und Gastgeschenke in der Hansestadt. Und nicht zuletzt gilt das auch für alle Auswärtsfans, die die bittere Pille der Eintrittspreise schlucken oder auf die Fahrt nach Hamburg verzichten müssen.
Ich halte kurz inne, weil ich in der Ferne ein Geräusch höre. Ein Fischkutter kommt langsam rein getuckert und durchbricht die Stille der Nacht. Das Licht spiegelt sich im Wasser und tänzelt auf den Wellen. Im Gegensatz zu meiner Liebe für die Stadt ist mein Verhältnis zum Hamburger Sport Verein gespalten. Ich weiß um die alte Fanfreundschaft, habe sie aber nie gelebt oder erlebt. Die Fans und die Tradition hingegen sind mir auf eine gewisse Weise vertraut. Ich sehe Hamburg als einen von uns. Einen Verein wie der BVB, wie Köln, Frankfurt, Gladbach, Nürnberg, Kaiserslautern und noch ein paar andere, die sich jetzt aufregen werden, weil ich sie vergessen habe. Ein großer, ein Traditionsverein, mit einer lautstarken, treuen Fanbasis, wo es nebst einigen Idioten vor allem viele gute, nette Menschen gibt, die sich auch mal aufregen, fluchen, schimpfen, übertreiben, über die Stränge schlagen, Choreos organisieren und Pyros zünden und so diese kleinen Nadelstiche setzen, die den Fußball ausmachen. Damit irgend ein Reporter im Fernsehen dann von „sogenannten Fans“ sprechen kann und sich wichtig finden darf in seiner Rolle als Moralapostel. Nur, damit der selbe Fernsehsender kurz danach von den temperamentvollen Italienern schwärmen kann, wenn sie Bilder von Pyrotechnik aus Südeuropa zeigen.
Aber ich schweife ab. Der langgezogene Uferweg scheint auch meine Gedanken in die Länge zu ziehen.
Hamburg ist für mich nicht ein Traditionsverein, weil er Gründungsmitglied der Bundesliga ist. Hamburg ist für mich ein Traditionsverein, weil seine Fans in schlechten Zeiten noch lauter schreien als sonst. Weil sie wissen, wie es ist, oben zu stehen. Und weil sie wissen, wie es ist, unten zu stehen.
Mein zwiegespaltenes Verhältnis zum HSV betrifft dagegen den ganzen Rest vom Verein. Vielleicht ist es für einen Außenstehenden beim BVB ähnlich, aber das kann ich nicht gut beurteilen, weil ich nicht objektiv bin. Es gibt sicherlich Punkte, in denen ich mir das durchaus vorstellen kann. Ich persönlich finde es bei Hamburg allerdings extremer als sonstwo. Dieses Gefühl, dass alles, was die Vereinsführung in den letzten Jahren so tut und getan hat, schlichtweg nicht zum Verein passt. Dass der Club in seinen Handlungen eigentlich vielmehr in die Kategorie Wolfsburg und Leverkusen passt als in die oben genannte. Es geht nur um Geld, um Fremdsteuerung, um Erfolg auf Biegen und Brechen, der im Endeffekt dann auch noch regelmäßig ausbleibt. Ich habe keinen genauen Einblick und ich bin die Erste, die zugibt, dass ich nicht alle Fakten aufgereiht habe. Es ist mehr ein Gefühl. Ein Gefühl, das mich manchmal denken lässt, es würde dem Verein vielleicht ganz gut tun, wenn sie mal ein Jahr in der zweiten Liga verbringen müssten. Nur, um wieder auf den Boden zu kommen. Und sicher nicht, weil ich es den Fans gönnen würde.
Dass es letztes Jahr nicht dazu gekommen ist, dafür haben wir mit den geschenkten drei Punkten gesorgt. Vielleicht ist es ein guter Zeitpunkt, dieses Geschenk zurückzubekommen.
Andererseits sollten wir auf Geschenke gar nicht angewiesen sein. Denn nachdem wir zuletzt doch sehr gut zurück in die Spur gefunden haben und den Ausflug auf den Acker von Dresden nur mit ein paar Schrammen bezahlt haben, sind wir aller Vergangenheit zum Trotz der klare Favorit in diesem Spiel.
Und während im Hintergrund langsam die Sonne aufgeht und der Nebel einen leichten Schimmer bekommt, wandern meine Gedanken zurück zum letzten Samstag und ein unvermeindliches Lachen kommt auf mein Gesicht. Dieses perfekteste aller perfekten Fußballspiele! Ja, wir wissen auch wieder, was es heißt, ganz oben zu sein! Und das ist ein Gefühl, das ich so schnell nicht wieder verlieren möchte.
Vorwärts BVB!
So könnten sie spielen:
Hamburger SV: Drobny - Diekmeier, Djourou, Cleber, Jansen - Kacar, Jiracek - N. Müller, Stieber, Gouaida - Rudnevs
Borussia Dortmund: Weidenfeller - Kirch, Subotic, Hummels, Schmelzer - Kehl, Gündogan - Blaszczykowski, Kagawa, Mkhitaryan - Aubameyang
Schiedsrichter: Gagelmann
Stadion: Irgendeine Arena mit jährlich änderndem Namen – für immer Volksparkstadion
Nadja, 06.03.2015