Unsa Senf

Salary Cap: Für einen fairen Wettbewerb

03.09.2015, 17:30 Uhr von:  Redaktion

"Wer wird deutscher Meister? BVB Borussia! Wer wird deutscher Meister? Borussia BVB!" - Gerne stimmen wir diesen Gesang an, wenn wir denn mal wieder von der Tabellenspitze grüßen. Doch wenn wir die Vereinsbrille ablegen und den Text des altbekannten Liedes wörtlich nehmen, führt es uns eine bittere Wahrheit vor Augen. Die Frage nach der Meisterschaft ist in den meisten Saisons früh und unspektakulär beantwortet. Mal wieder hat sich der FC Bayern vier, fünf, sechs Spieltage vor Ende der Spielzeit die Schale gesichert. In unregelmäßigen Abständen darf dann mal ein anderer Verein für einen kurzen Moment auf Deutschlands Fußball-Thron Platz nehmen, wenn bei den Bayern der neue Trainer nicht funktioniert oder ein Kaderumbruch stattfindet. Aber solch erfrischende Überraschungen in der Bundesliga-Tabelle erfreuen den neutralen Was Fans von Clubs wie Manchester City wohl über eine Salary Cap denken?Fußballfan nur kurz. Wenig später steuern die Münchner dann erneut eine Ära langweiligster Dominanz an.

Und auch in anderen europäischen Spitzenligen entdecken wir dieses Problem. PSG dominiert die Ligue 1. In der Serie A spielen außer Juventus gefühlt 19 Teams gegen den Abstieg. Und da wirkt es schon fast wie ein interessanter Spannungsbogen, wenn es in Spanien immerhin zwei Teams sind, die alles in Grund und Boden ballern.

Ähnlich verhält es sich im Vorzeige-Wettbewerb der UEFA. Um den Titel der Champions League spielen stets die üblichen Verdächtigen. In den vergangenen vier Jahren bestand das Halbfinale jeweils aus den Bayern, Real Madrid und dem FC Barcelona. Und irgendein Überraschungs-Team durfte dann auch noch im Konzert der Großen mitmischen.

Spannung und Abwechslung wären demzufolge nicht zwingend die Worte, mit denen man den Kampf um die ganz großen Titel im europäischen Spitzenfußball beschreiben mag. Man kann Vereinen wie Real Madrid oder Bayern München gewiss nicht ihren eigenen sportlichen und wirtschaftlichen Erfolg vorwerfen. Man kann aber ein System hinterfragen, das die Reichen immer reicher und die Armen immer chancenloser macht.

Der Blick über den großen Teich

Jetzt nehmen wir alle mal ganz viele harte Drogen und geben uns der Illusion hin, dass den großen Fußballverbänden doch tatsächlich etwas an einem fairen und spannenden Wettbewerb gelegen ist. Was könnten die Verbände also tun, um diesem Oligopol ein Ende zu bereiten?

Eine Möglichkeit wäre die Einführung einer Gehaltsobergrenze. In den großen amerikanischen Sportligen ist diese Regelung eine der Hauptursachen dafür, dass sich die Machtverhältnisse in den Ligen fast jährlich ändern. Während zum Beispiel die Seattle Seahawks in der NFL in den beiden vergangenen Saisons das große Top-Team waren, stellten sie vor wenigen Jahren noch eine der schlechtesten Mannschaften der Liga auf den Platz. Und die Los Angeles Lakers, in der NBA bis vor kurzem noch einer der Dieses System macht die Reichen immer reicher.jährlichen Titelkandidaten, spielten in diesem Jahr eine der statistisch schlechtesten Saisons der NBA-Geschichte.

In diesen Ligen dürfen Teams pro Saison nur eine bestimmte Summe an Spielergehältern zahlen. Warum es eine solche Regelung ausgerechnet in dem Land gibt, in dem freie Marktwirtschaft die Volksreligion Nummer eins ist, bleibt unklar. Fakt ist jedoch, dass diese Salary Cap einen ausgeglichenen Wettbewerb garantiert. In der NBA oder NFL kann kein Team einfach wild drauf los kaufen, nur weil es die finanziellen Möglichkeiten hergeben. Wenn ein Verein einen Top-Spieler verpflichtet, muss der Club meist im Gegenzug einen anderen Star ziehen lassen. Wenn ein Verein einige junge Talente mit niedrig dotierten Verträgen ausstattet, sich diese Talente dann prächtig entwickeln und nach Ablauf ihrer Verträge deutlich höhere Gehaltsvorstellungen haben, ist der Verein gezwungen, diese Spieler abzugeben.

Wie ist das in Europa umsetzbar?

Nun ist es gewiss unmöglich, die amerikanischen Sportligen eins zu eins mit dem europäischen Fußball zu vergleichen. Schließlich herrschen in der NBA und NFL andere Besitzverhältnisse als in den europäischen Ligen. Und zum anderen sprechen wir bei NBA und NFL von jeweils einer einzigen Liga in einem einzigen Land, wohingegen die UEFA über rund 50 Mitglieds-Verbände aus ebenso vielen Ländern verfügt. Zudem ist die Spielerrekrutierung bei den US-Sportarten mit Free Agency und Draft eine ganz andere.

Doch dieses Modell der Gehaltsobergrenze kann dem europäischen Fußball definitiv als interessante Orientierung dienen. Die Grenze könnte dabei helfen, die im wahrsten Sinne des Wortes asoziale Entwicklung von Spielergehältern zu stoppen, so dass deutsche Nationalspieler im Herbst ihrer Karriere demnächst nicht mehr so leicht in Manchester am Tag mehr verdienen als der deutsche Durchschnittsbürger im Jahr. Die Grenze könnte verhindern, dass Scheichs, russische Oligarchen und andere zwielichtige Investoren aus Ländern mit katastrophaler Menschenrechtslage wie Malaysia oder den USA ihre europäischen Fußballvereine als Spielzeuge und Geldwaschmaschine nutzen. Die Grenze könnte es Wirtschaftsunternehmen (wie zum Beispiel Automobilkonzernen oder Getränkeherstellern) erschweren, Fußballvereine lediglich als Marketinginstrument künstlich aufzupumpen. Und die Grenze kann in jedem Fall dazu beitragen, dass die Vereinswettbewerbe endlich wieder ausgeglichen und spannend werden, was die Attraktivität der gesamten Sportart aufwerten und den Fußball für so viele Menschen so viel interessanter machen würde.

Seit vielen Jahren sprechen die mächtigen Männer des europäischen Fußballs immer wieder von der Einführung einer Salary Cap. Ihre Beweggründe scheinen mehr heuchlerisch als ernst zu sein. Und auch nach dem jüngsten Transfer-Wahnsinn wurde der Ruf nach einer Deckelung laut. So forderte Stuttgarts Sportdirektor Robin Dutt nicht nur eine Obergrenze für Gehälter, sondern auch bei Transfers. Der Wirtschafts-Weise Matthias Sammer wusste jedoch gleich zu mahnen und erinnerte in seinem typisch allwissenden Tonfall: "Der Sozialismus ist gescheitert, und der Kommunismus gleich mit."Aktuell kaufen die besten Teams einfach die besten Spieler.

In manchen Ligen gibt es sogar offiziell bereits Gehaltsobergrenzen, die sich aufgrund diverser Beschränkungen jedoch quasi selbst aufheben. In England ist die Grenze zum Beispiel an den Einnahmen des Clubs gekoppelt. Bei den schwindelerregenden TV-Einnahmen und Ablösesummen, die in England gezahlt werden, kann man sich vorstellen, wie hoch dementsprechend diese Grenzen liegen. Zudem gibt es bei diesem Modell das Problem, dass die ohnehin schon wohlhabenden Vereine durch die hohen Einnahmen in der Champions League deutliche Wettbewerbsvorteile gegenüber den kleineren Clubs genießen. In Holland versuchen die Vereine, „grundsätzlich“ nicht mehr als eine Million Euro Gehalt pro Spieler zu zahlen. Ausnahmen bestätigen die schwammige Regel.

Fragen über Fragen

Wie könnte eine faire Gehaltsobergrenze also konkret aussehen? Wo könnten Verbände diese Grenze ansetzen? Welches Maß sollte dabei gelten? Wäre neben einer Gehaltsobergrenze für den gesamten Kader auch eine Grenze für das einzelne Spielergehalt denkbar? Sollte die UEFA eine einheitliche Grenze einführen, die sowohl für die englische Premier League als auch für die litauische A-Lyga gilt? Oder sollte jeder Landesverband seine eigene Grenze ziehen? Sollte jeder Landesverband zudem mehrere Grenzen für seine einzelnen Ligen ziehen? Wie könnte die konkrete Umsetzung speziell in der Einführungsphase aussehen? Was geschieht mit den Vereinen, die die Grenze derzeit deutlich überschreiten? Entscheiden sich Verbände dann für einen radikalen Schnitt oder gewähren sie den Vereinen ein paar Jahre zur Umstellung? Was würde wohl auf die Spieler zukommen, und wie würden sie auf das neue Gehaltsgebilde reagieren? Und wie könnte man geheimen Zahlungen, die „unter der Hand“ getätigt werden, entgegenwirken?

Das sind viele Fragen. Fragen, die ein schwatzgelb.de-Redakteur ohne wirtschaftswissenschaftliche Ausbildung und erst recht ohne jahrelange Erfahrung im Management eines internationalen Top-Clubs so leicht nicht beantworten kann. Aber es sind Fragen, die sich der europäische Fußball in Zukunft gerne stellen darf, wenn er nicht noch langweiliger und wirtschaftlich einseitiger werden will.

Elster, 03.09.2015

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