Meine Damen und Herren, wir werden verarscht
Ja, genau das ist es, was ich denke, wenn ich Fußballfunktionäre wie Herrn Seifert von der DFL oder selbst den ansonsten sympathischen Herrn Heidel aus Mainz zum Thema TV-Verträge höre.
„England ist unsere neue Konkurrenz" – so kurz und knackig fasst der Mainzer das unwürdige Schauspiel zusammen, das die DFL den Fans momentan bietet. Gemeint ist damit der neue TV-Vertrag der Premier League, der mit wahnwitzigen 9,5 Milliarden Euro für vier Jahre die Fahrt des Fußballzuges nach Absurdistan noch einmal kräftig beschleunigt. Selbst der Tabellenletzte der Liga wird demnach schlanke 80 Millionen allein aus der Vermarktung der Fernsehrechte erhalten.
Dagegen nehmen sich die 2,5 Milliarden, die die Bundesliga für ebenfalls vier Jahre von Sky überwiesen bekommt, geradezu bescheiden aus. Auch wenn dieser Betrag an sich schon pervers hoch ist für den Betrieb einer ehemaligen Freizeitbeschäftigung namens Fußball. Selbst ohne Taschenrechner erkennt jeder, der halbwegs mit den Grundrechenarten vertraut ist, dass die Lücke zwischen den beiden Verträgen gigantisch groß ist. Und trotzdem tun alle so, als könnte man sie auch nur ansatzweise schließen. So gab Wolfsburgs Manager Klaus Allofs schon recht früh nach Bekanntgabe der neuen PL-Zahlen die Stoßrichtung vor, indem er verkündete, dass „Anstoßzeiten kein Tabuthema“ sein dürfen. Folgerichtig scheint es jetzt Pläne bei der DFL zu geben, den Spieltag weiter zu „entzerren“, wie es euphemistisch heißt. Für die Fans der ersten Bundesliga heißt das übersetzt, dass wir uns auf die gleiche Scheiße einstellen dürfen wie jetzt schon die Anhänger der Zweitligavereine. Ein Spiel sonntags parallel zum Mittagsbraten, eins zum fanfreundlichen Montagabend. Natürlich wird die DFL darauf achten, dass die Montagspartien nur Vereine betreffen, die nicht allzu viele Kilometer voneinander entfern liegen – haha.
Das sind also die Pläne, mit denen die fehlenden sieben Milliarden Euro etwas kompensiert werden sollen. Dass das hanebüchener Unsinn ist, gibt die DFL sogar selber verklausuliert zu. Noch einmal Herr Seifert:
"An diesen Zahlen dürfen wir uns nicht orientieren - wir dürfen sie aber auch nicht ignorieren."
Tja, aber warum dürfen wir sie nicht ignorieren, wenn sie gar keinen Orientierungspunkt bieten? Weil sie die neuen Preisschilder für Bundesligaspieler darstellen. Ein 30-jähriger Okazaki kostet dann mal zehn Millionen, für den neuen brasilianischen Nationalspieler Roberto Firmino zahlt der FC Liverpool behämmerte 41 Millionen. Was für den Normalsterblichen wie ein warmer Geldregen aussieht, wird von der Liga als Bedrohung dargestellt. Ja, sicher kann der Tabellenletzte der Premier League jetzt jeden Verein aus dem Mittelfeld der Bundesliga ausstechen, aber die Drohkulisse, dass die britischen Clubs die Bundesliga leer kaufen und hier nur noch die B- und C-Promis der Fußballwelt ihre Stiefel in den deutschen Umkleidekabinen schnüren, ist doch schlicht und ergreifend Quatsch. Es gibt 20 Teams in der englischen Eliteklasse und auch bei den verrückten Briten dürfen nur elf Spieler pro Mannschaft gleichzeitig auf dem Platz stehen. Dazu hat entgegen mancher Stammtischmeinung die Mehrzahl der Kicker ein Interesse daran, auch regelmäßig spielen zu dürfen. Die Kader können also nicht bis ins Unendliche aufgebläht werden. Worüber sprechen wir da also? 600 Arbeitsplätze vielleicht – über alle Positionen hinweg. Für diese Arbeitsplätze kommen Spieler aus der ganzen Welt in Frage. Und das soll der ganze Spielerexodus über den Ärmelkanal sein?
Ok, vielleicht geht der ein oder andere Spieler der deutschen Mittelklasse nach Leicester oder Swansea oder sonst wohin und natürlich kann bis auf die Bayern und vielleicht Wolfsburg kein Verein mithalten, wenn ein englischer Topclub für einen Topspieler alle Geldströme öffnet – ja, und? Die Bundesliga war nie die Liga, in der den Spielern die dicksten Geldsäcke an die Beine gebunden wurden und trotzdem hat sie sich prächtig entwickelt. Die Stadien sind voll, die Stimmung ordentlich und kein Profi muss nebenbei noch Zeitungen austragen, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Nicht zu vergessen, dass er das Geld tatsächlich und pünktlich bekommt, was längst nicht überall die Regel ist. Wenn einem Spieler das nicht reicht und er lieber in England gegen den Abstieg spielt, na dann „have fun in Great Britain“. Ich bin jedenfalls nicht bereit, mir montags Urlaub zu nehmen und nach Berlin zu fahren, nur damit ein Spieler der Güteklasse Joselu vielleicht doch in Hannover bleibt. Es können nicht alle in England spielen und so werden genug Kicker, die einen gepflegten Ball spielen können, in Deutschland bleiben.
Aber wenn wir eh nicht gegen England anstinken können, vielleicht können wir mit mehr Geld ja den Konkurrenten aus Italien, Spanien oder Frankreich ein Schnippchen schlagen. Jeder Euro mehr ist schließlich ein Euro Vorteil. Wirklich? Nein, denn das Geldniveau steigt für die gesamte Liga. Jeder Verein muss sich auch ligaintern der Konkurrenz erwehren und aufpassen, dass ihm nicht ebenfalls die Spieler abgeworben werden. Einen Großteil der Mehreinnahmen kann er also gar nicht in eine aktive Transferpolitik stecken, stattdessen geht es für das bereits bestehende Mannschaftsgefüge drauf. Es wird noch nicht einmal dafür sorgen, die Bundesliga insgesamt spannender zu machen, eher im Gegenteil. Glaubt wirklich jemand, dass die Branchengrößen den kleineren Vereinen in Zukunft mehr vom Kuchen gönnen werden? Höhere TV-Einnahmen würden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit so verteilt, dass der Löwenanteil bei den Vereinen verbleibt, die finanziell den kleinen Vereinen der Liga eh schon enteilt sind. Man muss ja schließlich in Europa konkurrenzfähig bleiben. Wen kümmert es da schon, wenn in Zukunft Meisterschaft und CL-Teilnahme schon zwei Monate vor Saisonende praktisch entschieden sind.
Aber worum geht es dann bei dem Versuch, zukünftig mehr für die TV-Rechte herauszuschlagen? Herr Seifert gibt ja selber zu, dass dieser ganze Vergleich mit England nur Kokolores ist: „Durch jedes noch so gewagte Manöver kommen wir nicht in englische Bereiche. Es gilt, alle Interessen unter einen Hut zu bekommen." Da frag ich mich doch glatt, welche Interessen das sein könnten, die da bedient werden sollen. Irgendjemand eine Idee? Es geht um Kohle. Darum, noch mehr Geld in ein völlig überhitztes System zu pumpen. In der Bundesliga laufen haufenweise Millionäre herum, die jeden Tag ihrem Gott auf Knien dafür danken sollten, dass er den Profifußball erfunden hat, weil die Lebensrealität sonst eine ganz andere wäre. Spieler, Berater, Trainer, Manager und Geschäftsführer – zumindest in der ersten Liga dürften bei diesen Personen auf den monatlichen Gehaltsabrechnungen Zahlen stehen, die die Mehrzahl der Fans zu Freudensprüngen animieren würden. Schon als Jahresgehalt natürlich.
Trotzdem funktioniert das System und dafür dürfen wir Fans uns alle einmal gepflegt selber in den Allerwertesten treten. Wir zahlen regelmäßig mehr für unsere Eintrittskarten und für Trikots, zu deren Einzelpreisen sich ein Erwachsener komplett einkleiden könnte. Die Vereine pinseln für Stadionbier und -bratwurst Preise auf die Tafeln, bei denen ein normales Restaurant innerhalb weniger Wochen ein Fall für die Kochprofis als Rettung vor der Insolvenz wäre und wir konsumieren das Zeug trotzdem. Und jetzt sollen wir auch noch sonntags unserer Familie guten Hunger wünschen, weil wir uns gegen elf Uhr auf ins Stadion machen müssen und noch ein paar Urlaubstage mehr für den Auswärtskick unter der Woche abzwacken. Es wäre zu billig zu sagen, dass man es mit uns ja machen kann. Wir machen es schließlich und das bereitwillig.
Das Ende der Fahnenstange ist also noch nicht erreicht und so lange es noch ein paar hundert Milliönchen gibt, die nur darauf warten, im gierigen Profifußball zu versickern, so lange wird man auch Mittel und Wege suchen, um an sie heranzukommen. Liegt einfach nur an uns, ob wir uns weiter verarschen lassen wollen.