Das Derby der Zukunft, schon gestern
Mittwoch, 15:30 Uhr in Wattenscheid: In einem Stadion, das nur so vor Ruhrpottromantik sprüht, wird die kleine Version des „wichtigsten“ Spiels der Saison angepfiffen. Die Lohrheide, keine Prachtbaut, dafür mit Laufbahn und viel Charakter im Schatten der Abraumhalde, präsentiert sich als geeigneter Ausweichort für das Revierderby, welches ursprünglich auf einem Freitag um 14:30 Uhr (!) in der Mondpalast-Arena in Wanne-Eickel angesetzt war. Vor leider nur 808 Zuschauern bestritten die beiden Teams gestern ihr Derby. Das „Nur“ ist dabei keineswegs despektierlich gemeint, sondern es sollte einem Respekt abnötigen, dass es Fans gab, die zu einer völlig sinnlosen Anstoßzeit und auf Dortmunder Seite auch noch mit der Aussicht den Anstoß zum Pokalspiel zu verpassen, diesem Spiel beiwohnen wollten. Letztendlich verdeutlicht es doch, wohin sich die Zukunft des Derbys hinbewegt: Durch Anstoßzeiten oder sonstige Schikane den Fans den Spaß am Derby zu nehmen. Alles, mit der Begründung „bürgerkriegsähnliche Zustände zu verhindern“. Anfahrtswege vorschreiben, Kartenkontingente reduzieren, Spieltagsansetzungen zum Sich-Schütteln. Maßnahmen, die leider viele Fans treffen, aber den Kern der Sache nicht. Es wird Zeit, dass wir uns das Derby zurückholen. Sonst kommt dabei heraus, was man gestern schon sehen durfte: Ein Derby mit wenig bis gar keiner Stimmung.
Ich kam gegen 15:00 Uhr am Lohrheidestadion an. Mit mir waren ca. 30 Borussen im Bus und wir wurden an der Bushaltestelle ein bisschen zerstreut. Letztendlich ging ich mit vielleicht fünf weiteren Fans Richtung Eingang, wo wir von ebenso vielen Polizisten in Empfang genommen und zum Gästeblock geführt werden sollten. Immerhin hat man dieses Konzept nicht durchgezogen, weil schnell auch dem Letzten bei der anwesenden Staatsmacht klar wurde: Hier war, ist und wird alles friedlich bleiben. Zu Beginn des Spiels herrschte Totenstille im Stadion. Man konnte gar hören, wie sich unsere Amas im Kreis „heiß machten“. Es war davon die Rede, dass das jetzt ein Derby sei und man sich den Arsch aufreißen wolle. Auf den Tribünen Tristesse: Zwei Zaunfahnen im Dortmunder Block, nichts dergleichen auf Seite der Blauen. Stimmung stellte sich erst ein, als der große Sympathieträger Christian Wetklo vor den Gästeblock trat. Die „A.., W.., H..“-Rufe hatten dann wenigstens etwas Derbycharakter und ab der 75. Minute konnte man auch Fangesänge aus Reihen unserer Fans hören. Weitere Sympathieträger durften nur auf der Tribüne Platz nehmen. Zu Pele Wollitz und Gerald Asamoah gesellte sich der „braune“ Mauersberger, der seine arischen Freunde diesmal nur von der Tribüne grüßen konnte, da er nicht im Kader stand.
Die Vorkommnisse beim Spiel sind ebenso wie der Stimmungsbericht schnell erzählt. Hieß es vor einigen Jahren beim Derby mal Borussia Dortmund 0 – Manuel Neuer 0, konnte man dies getrost auf ein Borussia Dortmund 0 reduzieren. Der Torerfolg wurde am gestrigen Nachmittag nur von der eigenen Chancenverwertung verhindert. Eine völlig desolate Ückendorfer Mannschaft, die den Ball zeitweise nicht einmal über die Mittellinie bringen konnte und ein überforderter Torhüter, der jeden Ball zum Gegenspieler brachte, konnten jedenfalls nicht der Grund für die Punkteteilung gewesen sein. Gerade bei Wetklo fragten wir uns von der Amas-Crew, ob der fußballerisch immer so schlecht war. Nervös, unkonzentriert und alles andere als ein sicherer Rückhalt, was uns natürlich sehr entgegen kam. Wie gesagt, kein Ball kam bei einem Mitspieler an, rein statistisch schon unwahrscheinlich, aber Wetklo treibt es halt gerne auf die Spitze. Trotzdem blieb es unserer Zweitvertretung versagt, den entscheidenden Treffer zu erzielen, was sich mit zunehmender Spieldauer auch als schwierig erwies, da die Blauen das Flutlicht scheinbar nicht gebucht hatten. Bei Einbruch der Dunkelheit sah man jedenfalls keine Notwendigkeit eben jenes anzuschalten. Ein Unding, aber auch irgendwie passend. Die Krone der Dummheit setzte sich Moritz Leitner auf: Nach Spielschluss sah es so aus, als hätte er den Schiedsrichter als „Missgeburt“ bezeichnet. Gemeint war aber wohl Marvin Ducksch. Ganz egal, folgerichtig gab es den roten Karton. Was blieb war ein Kopfschütteln. Ein Kopfschütteln ob der Anstoßzeit, der fehlenden Atmosphäre, der vergebenen Chancen und Moritz Leitner, der wohl ein Abo darauf hat, sich selbst im Weg zu stehen.
Statistik
FC Meineid
Wetklo – Kehrer, Öztürk, Uphoff, Neubauer – Machtemes (Pick, 66.) – Schumacher (Dum, 71.), Göcer , Mickels – Gasilin, Rathgeber (Przybylko, 40.)
Borussia Dortmund
Bonmann – Knystock, Zimmermann (Dieckmann, 46.), Gorenc-Stankovic, Stenzel – Karazor, Leitner – Ozbolt (Harder, 75.), Ducksch, Hanke – Eberwein (Solga, 79.)
Gelbe Karten: Kehrer, Przybylko
Rote Karte: Leitner
Zuschauer: 808
Seb, 29.10.2015