Im Gespräch mit...

...Ivan Perisic: „Irgendwann kommt Klopp wieder zurück zur Borussia“

14.05.2015, 09:59 Uhr von:  Daniel R.
Perisic im BVB-Dress

Als er im Sommer 2011 zum frischgebackenen Deutschen Meister Borussia Dortmund wechselte, titelte der Kicker: „Perisic ist einer wie Ballack“. Entsprechend groß waren die Erwartungen an das kroatische Mittelfeld-Ass, das den Konkurrenzkampf noch einmal beleben und eine zusätzliche Option auf gleich mehreren Positionen darstellen sollte. Tatsächlich deutete Ivan Perisic von Anfang an an, wie groß sein Talent ist. Der endgültige Durchbruch sollte dem Nationalspieler trotzdem nicht gelingen: Nach anderthalb Jahren, 42 Ligaspielen (zumeist als Joker), 9 Toren und 4 Assists wechselte der Rechtsfuß im Januar 2013 schließlich zum VfL Wolfsburg – seines Zeichens nicht nur der nächste Bundesliga-Gegner der Borussia, sondern auch Kontrahent im DFB-Pokalfinale am 30. Mai. Vor den beiden Duellen sprach Perisic mit schwatzgelb.de nicht nur über das bevorstehende Liga-Spiel und das Highlight in Berlin, sondern auch über seine Zeit in Wolfsburg, seine Verbundenheit zur Borussia und die schlaflose Nacht nach seinem Traumtor gegen Arsenal. Zudem verrät der Kroate, was er von Jürgen Klopps Abgang hält und ob er sich noch mit ehemaligen Mitspielern austauscht.

schwatzgelb.de: Ivan, Du bist Anfang 2013 zum VfL Wolfsburg gewechselt, weil Du beim BVB nicht so oft spielen durftest wie erhofft. Bei den Wölfen spielst Du – wenn Du fit bist – tatsächlich häufiger und ihr habt Euch im Gegensatz zum BVB in dieser Saison für die Champions League qualifiziert. War der Wechsel also die absolut richtige Entscheidung?

Perisic spielt jetzt in Wolfsburg

Ivan Perisic: Ja, ich denke schon. Ich hatte in Dortmund alles: Wir waren Deutscher Meister, Pokalsieger und auch in der Champions League haben wir gut mitgehalten. Aber ich war nicht zufrieden mit meinen Einsatzzeiten. Ich habe zu oft auf der Bank gesessen, darum bin ich gewechselt. Ich bin hier zufrieden, auch wenn ich jetzt einige Verletzungsprobleme hatte. Bis zu meiner Zeit in Wolfsburg war ich noch nie länger verletzt. In den letzten zweieinhalb Jahren war ich aber plötzlich vier Mal für mehrere Wochen raus. Aber mit so einer Situation muss ich eben leben. Jetzt bin ich wieder fit, und wir haben uns für die Champions League qualifiziert. Alles läuft gut.

Bist Du mit Deiner sportlichen Bilanz zufrieden?

Ivan Perisic: Die ersten sechs Monate waren etwas schwer. Ich war verletzt, hatte Probleme mit meinen Adduktoren und hatte einen Innenbandriss. Ich war dadurch zwei Monate raus. Aber das letzte Jahr war für mich sehr gut und ich habe auch oft für die Nationalmannschaft gespielt. Dieses Jahr war dann wieder etwas schwieriger. Ich wurde vor zwei Monaten an meiner Schulter operiert und hatte wieder Probleme mit Adduktoren – aber okay: Jetzt läuft es wieder! Ich denke, die letzten anderthalb Jahre waren total in Ordnung.

Vermisst Du manchmal das Westfalenstadion, die Südtribüne und die leidenschaftlichen BVB-Fans?

Ivan Perisic: Oh doch, ja. Immer wenn ich ein Spiel von Dortmund sehe, bin ich emotional noch dabei. Ich mag diesen Verein und diese tollen Fans einfach. Ich werde immer ein Dortmund-Fan bleiben. Aber jetzt spiele ich eben für einen neuen Verein. Ich gebe hundert Prozent für Wolfsburg, aber meine zweite Mannschaft ist der BVB.

Nach dem Pokal-Halbfinale gab es einen kurzen verbalen Schlagabtausch zwischen Jürgen Klopp und Dieter Hecking, weil der BVB-Trainer angezweifelt hatte, dass viele Wolfsburg-Fans nach Berlin reisen. War das unfair von Klopp?

Ivan Perisic: Ich finde die Fans hier gut! Man muss eben sehen, dass Wolfsburg nicht so eine große Stadt wie Dortmund ist. Es gibt hier ungefähr hunderttausend Einwohner, in Dortmund sind es etwa fünf oder sechs Mal mehr. Außerdem gibt es beim BVB ein riesiges Stadion für 80.000 Leute. Aber die Fans vom VfL sind wirklich toll. Sie sind ein bisschen anders als in Dortmund, aber trotzdem gut! Wenn wir gut spielen, sind sie auch gut, wir müssen also zusammen für eine tolle Stimmung sorgen.

Der VfL hat in der Vergangenheit noch einmal aufgerüstet und zum Beispiel Weltmeister André Schürrle verpflichtet. Fürchtest Du wegen der großen Konkurrenz auf Deiner Position, irgendwann wieder nur auf der Bank zu landen?

Ivan Perisic: So ein Verein wie Wolfsburg muss einfach einen großen Kader mit vielen guten Spielern haben. Wir haben 34 Spiele in der Liga und müssen außerdem in Europa und im Pokal antreten – da bekommt jeder seine Chance. Ich habe aber auch vor keinem Spieler Angst. Wenn ich topfit und zu hundert Prozent in Form bin, dann spiele ich auch.

Beim BVB oft nur Joker

Die Situation, häufig als Joker in die Partie zu kommen, kennst Du schon aus Deiner Zeit beim BVB. Wie würdest Du die anderthalb Jahre in Dortmund im Rückblick beschreiben? War die Zeit sportlich ein Rückschritt oder doch wichtig für Deine Entwicklung?

Ivan Perisic: Meine Zeit in Dortmund? Das ist doch keine Frage, das weißt Du: Wenn ein Spieler aus Belgien kommt, kann das kein Rückschritt sein. Das kann nur ein Schritt nach vorne sein. Aber trotzdem: Wenn ein Spieler nicht spielt, ist es vielleicht besser, zu wechseln. Ich bin kein Spieler, der gerne auf der Bank sitzt und lange auf seine Chance wartet. Mein Wechsel zu Wolfsburg war vielleicht ein kleines Risiko, aber es hat sich gelohnt. Das kann man jetzt sagen.

Was war damals der wichtigste Grund für den Wechsel zur Borussia?

Ivan Perisic: Das war der total andere Fußball, der dort im Vergleich zu Belgien und Frankreich gespielt wurde. Ich brauchte in Dortmund zwei, drei Monate Zeit. Ich denke, das ist normal, wenn ein Spieler nach Deutschland kommt. Aber dann war das auch für mich eine überragende Saison. Ich bin in meinem ersten Jahr direkt deutscher Meister und Pokalsieger geworden. Das werde ich nie vergessen. Auch an das erste Spiel im Westfalenstadion werde ich mich immer erinnern. Das ist etwas total Positives.

Welche Rolle hat Jürgen Klopp dabei gespielt?

Perisic und Klopp

Ivan Perisic: Ich denke, man hat mich schon lange Zeit beobachtet. Etwa zwei Jahre müssen das gewesen sein. Scouts vom BVB waren fast jedes Spiel in Belgien und haben mich beobachtet. Ich hatte dann viele Optionen, habe mich aber für Dortmund entschieden. Das war damals einfach die beste Option für mich. Jürgen Klopp hat da natürlich auch eine Rolle gespielt. Von ihm habe ich viel gelernt und sage nochmal: Vielen Dank für die Zeit in Dortmund! Aber jetzt bin ich in Wolfsburg und konzentriere mich total auf diese Aufgabe und meinen Job hier.

Klopp hat vor einigen Wochen seinen Rücktritt bekannt gegeben. Was denkst Du über diese Entscheidung?

Ivan Perisic: Die ist okay. Das ist eine gute Entscheidung für die Borussia. Dadurch kommt vielleicht neuer Schwung rein. Er war schon lange Zeit da, alles war gut. In der ersten Saison war er nah an den internationalen Plätzen und dann wurde seine Bilanz immer besser und besser. Klopp wurde zwei Mal deutscher Meister, ein Mal Pokalsieger und dann führte er sein Team auch noch ins Champions League-Finale. Nach so einer langen Zeit ist das normal, dass dann irgendwann nochmal eine Saison mit einer kleinen Krise kommt. Der Abschied ist auch seine persönliche Entscheidung. Vielleicht will er noch einen Schritt nach vorne machen, zu einem noch größeren Verein, oder in ein anderes Land gehen. Ich denke, irgendwann in der Zukunft kommt Klopp wieder zurück zu Borussia Dortmund.

In Deinem ersten Champions-League-Einsatz gegen Arsenal London hast Du kurz vor Schluss direkt ein Traumtor erzielt – genau vor der Südtribüne. Was war das für ein Gefühl?

Perisic jubelt über sein Tor gegen Arsenal

Ivan Perisic: In der Nacht danach konnte ich nicht schlafen, so aufgekratzt war ich. Ich bin ohne Schlaf zum Training am nächsten Tag gegangen. Das war überragend, dass ich in meinem ersten Spiel in der Champions League nach zehn Minuten so ein Tor gegen eine solche Mannschaft mache. Für Momente wie diesen spiele ich Fußball.

Auch in der Liga lief es in der ersten Zeit beim BVB relativ gut für Dich: Du hast einige Tore geschossen und konntest Dein großes Potential früh andeuten. Aus welchen Gründen warst Du beim BVB trotzdem meist Einwechselspieler?

Ivan Perisic: Ich war in meinem ersten Jahr nach Lewandowski und Kagawa der drittbeste Torschütze. Meine Bilanz war nicht so schlecht. Dass ich nicht so oft gespielt habe, lag daran, dass in dieser Phase einfach jeder Spieler eine tolle Form hatte. Klopp hatte schon seine erste Elf und ich war noch nicht so lange da. Ich war in dieser ersten Saison wie ein 12. oder 13. Mann. Ich habe gedacht, dass es in der zweiten Saison besser wird, aber das war nicht so. Das ist auch okay für mich, das ist vorbei. Ich muss nach vorne gucken.

Ihr habt 2012 einen neuen Punkterekord in der Liga aufgestellt und dann in einem furiosen Endspiel um den DFB-Pokal auch noch mit 5:2 gegen den FC Bayern gewonnen. Was war in Deinen Augen damals das Erfolgsrezept der Borussia?

Ivan Perisic: Wir hatten eine gute Stimmung in der Kabine, gute Spieler, einen guten Trainer und ein bisschen Glück. Das hat alles gepasst. Jeder Spieler war in Topform, das war das Wichtigste. Dazu kommt, dass diese Saison schon die vierte Saison von Klopp beim BVB war.

Der Zusammenhalt war groß

Du hast die Stimmung in der Kabine angesprochen: Hat auch der Zusammenhalt unter Euch Spielern eine wichtige Rolle gespielt?

Ivan Perisic: Die Stimmung war überragend und das konnte nur positiv sein. Wir haben auch viel außerhalb des Platzes miteinander gemacht, sind zum Beispiel jede Woche nach den Spielen zusammen Essen gegangen.

Hast Du denn auch noch heute Kontakt mit Spielern aus dem aktuellen BVB-Kader?

Ivan Perisic: Auf jeden Fall! Nicht mehr so viel wie direkt nach meinem Abgang, aber ich schicke mir mit ein paar Spielern manchmal SMS. Dortmund hat zwar in den letzten zwei Jahren auch ein paar Spieler gewechselt, aber es sind noch mehr als zehn da, mit denen ich mich manchmal austausche. Ich habe mit vielen Kontakt, würde da auch niemanden besonders hervorheben.

Sprecht ihr auch über die kommenden Duelle Eurer Teams?

Ivan Perisic: Ja, klar. Ich war erst letzte Woche nach einem Spiel in Dortmund und habe fünf, sechs Spieler vom BVB gesehen. Wir haben ein bisschen gesprochen und miteinander gelacht. Das freut mich. Ich freue mich auch auf das Treffen in der Bundesliga am Samstag und dann auf das Pokalfinale – das wichtigste Spiel in dieser Saison.

Ihr habt Euch im letzten Liga-Spiel einen Platz in der Champions League gesichert. Wie wichtig ist das Spiel gegen Dortmund am kommenden Samstag noch?

Ivan Perisic: Das ist sicher noch wichtig, aber da müsste man eher Dieter Hecking fragen. Es gibt bei uns noch ein paar Spieler mit Verletzungen, die vielleicht im Zweifel geschont werden, um dann für das letzte Bundesliga-Spiel und das Finale wieder einsatzfähig zu sein. Wir sind zwar sicher in der Champions League, wollen aber jetzt auch auf dem zweiten Platz bleiben. Das wäre schon schade, wenn wir diesen Platz nach so langer Zeit doch noch verlieren würden.

Gleich 2 Mal gegen die Wölfe

Neben dem Liga-Spiel am kommenden Wochenende steht am 30. Mai noch einmal ein besonderes Spiel zwischen Wolfsburg und Dortmund an: Hast Du Deinen ehemaligen Teamkollegen schon klar gemacht, dass für sie nichts zu holen ist?

Ivan Perisic: Wir haben schon ein bisschen darüber gesprochen. Ich habe ihnen auch gesagt, dass ich den Pokal gewinnen will. Ich bin jetzt eben Spieler von Wolfsburg und hoffe, Klopp verabschiedet sich in seinem letzten Spiel nicht mit einem Sieg.

Wie siehst Du die Chancen vom VfL Wolfsburg: Seid ihr in diesem Spiel wegen Eurer guten Saison der Favorit?

Ivan Perisic: Nein, Borussia ist Favorit. Sie haben in den letzten Jahren so viele tolle Partien gespielt, zum Beispiel in der Champions League. Sie haben mehr Erfahrung als wir, aber wir können dem BVB mit unserem Fußball natürlich Probleme bereiten. Ich denke, die Chancen stehen 60% zu 40% für Borussia.

Der Kroate war schon mal in Berlin
Mit dem BVB hast du 2012 bereits einmal den DFB-Pokal gewonnen. Du kennst die Endspiel-Atmosphäre in Berlin also.

Ivan Perisic: Ja, das ist etwas Spezielles. Ich habe auch in Frankreich mit Sochaux im Stade de France den Pokal gewonnen, aber in Berlin war es noch eine Nummer größer. Jeder Spieler wünscht sich, so ein Finale in seiner Karriere zu spielen. Das ist ein Traum. Das halbe Stadion wird in Schwarz-Gelb sein, die andere Hälfte in Grün-Weiß, darauf freue ich mich.

Was ist nötig, um Jürgen Klopp den Abschied im letzten Spiel zu verderben? Wie müsst ihr gegen den BVB spielen?

Ivan Perisic: Wir haben eine gute Mannschaft und müssen unseren Fußball spielen. Aber wir brauchen einen guten Tag und vielleicht auch einen schlechten Tag für die Borussia. Wenn wir den Pokal holen wollen, muss an diesem Tag alles funktionieren.

Was ist Dein Tipp für die beiden Duelle gegen den BVB?

Ivan Perisic: Ich bin Profi und spiele jedes Spiel, um zu gewinnen. Ich tippe deshalb natürlich zwei Mal auf uns. Wir gewinnen.

Wir bedanken uns für das Gespräch.

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