...Bittencourt: „Das Jahr in Dortmund war sehr wichtig für meine Entwicklung“
Mit großen Vorschusslorbeeren war Leonardo Bittencourt im Sommer 2012 von seinem Heimatverein Energie Cottbus zur Borussia nach Dortmund gewechselt. Durchsetzen konnte sich der jüngste U21-Nationalspieler aller Zeiten in seinem Jahr beim BVB jedoch nicht wirklich: In gerade einmal fünf Bundesliga-Partien erzielte der heute 21 Jahre alte Mittelfeldspieler ein Tor und gab einen Assist. Häufiger kam Bittencourt für die Amateure in Liga 3 zum Einsatz, wo er zwölf Einsätze, einen Treffer und drei Vorlagen verbuchen konnte. Bei den Profis blieb die Konkurrenzsituation insgesamt einfach zu groß – folgerichtig gab der BVB den flinken Flügelflitzer nach nur einem Jahr wieder an den Liga-Konkurrenten Hannover 96 ab, nicht ohne sich jedoch eine Rückkaufoption in Höhe von vier Millionen Euro zu sichern. Mit schwatzgelb.de sprach Bittencourt über die Lage von Hannover 96, seine Zeit beim BVB und die U21-Europameisterschaft im kommenden Sommer.
schwatzgelb.de: Leo, Du hast Dir vor kurzem einen Muskelfaserriss zugezogen und musst aktuell mehrere Wochen pausieren. Sehen wir Dich in dieser Saison noch einmal auf dem Platz?
Bittencourt: Das kommt natürlich auf den Heilungsprozess an. Die medizinische Abteilung hier ist super und tut alles. Ich hoffe natürlich, dass ich zum Saisonendspurt der Mannschaft noch helfen kann.
Nach Deinem Wechsel vom BVB zu Hannover 96 im Sommer 2013 hast Du 57 Spiele absolviert, 5 Tore geschossen und weitere 8 vorbereitet. Bist Du mit dieser Bilanz und Deiner Entwicklung zufrieden?
Bittencourt: Mein Ziel war es, durch den Wechsel mehr Einsatzzeiten zu bekommen. Das hat geklappt. Das eine oder andere Tor hätte ich natürlich schon gerne mehr geschossen, aber das kann man nicht erzwingen und ich bleibe immer weiter dran, um meine Trefferausbeute zu erhöhen.
Dein Team steht im Moment nach einer verhexten Rückrunde mitten im Abstiegskampf. Wie erklärst Du Dir den großen Unterschied zur Hinrunde?
Bittencourt: Wenn ich den so einfach erklären könnte, hätten wir die Gründe mal eben abgestellt. Es kommen viele Dinge zusammen, wenn man nach gutem Saisonstart in eine solche Lage gerät. Fakt ist aber, dass wir Qualität haben, das hat die Hinrunde ja gezeigt. Nun geht es darum, das vorhandene Potenzial schnellstens wieder auf den Platz zu bekommen.
Ist Eure Situation vielleicht mit der des BVB zu vergleichen, der in der Hinrunde ja auch einen richtigen Negativlauf hatte?
Bittencourt: Da ist sicher was dran. Auch vom BVB hatte das niemand erwartet, dass sie mal ganz unten in der Tabelle stehen. Wenn man so einen Negativ-Lauf hat kommt eben alles zusammen. Pech zieht irgendwie Pech an. Aber das Gute ist, dass jede noch so schwarze Serie auch mal zu Ende geht. Das hat der BVB vorgemacht und wir werden das auch schaffen.
Bei Euch im Verein gibt es im Moment einige Unstimmigkeiten zwischen Klubführung und Fans. Wie nimmt man das als Spieler wahr?
Bittencourt: Das hat sich ja inzwischen zum Glück wieder gelegt. Im letzten Heimspiel haben uns die Fans super unterstützt. Die Unstimmigkeiten kriegt man am Rande auch als Spieler mit, wir merken es aber mehr im Stadion. Eine gute Stimmung ist eben immer auch eine echte Hilfe für uns.
Kann diese Unruhe von außen auch ein Grund für die sportliche Talfahrt sein? Oder dürfen solche „Ausreden" nicht gelten?
Bittencourt: Das hat damit nichts zu tun. Wir sind alle Profis und werden vom Trainer optimal auf jedes Spiel vorbereitet. Nebengeräusche haben keinen Einfluss auf die nicht optimalen Ergebnisse auf dem Platz.
Kommen wir auf den BVB zu sprechen: Du hast im März 2013 beim 5:1-Sieg des BVB gegen Freiburg Dein erstes Bundesliga-Tor erzielt. Wie hat sich das angefühlt?
Bittencourt: Einfach großartig, ein ganz tolles Gefühl. Ich bekomme heute noch eine Gänsehaut wenn ich daran denke.
Was sagst Du zu den BVB-Fans und insbesondere zur Südtribüne?
Bittencourt: Die BVB-Fans und insbesondere die Südtribüne leben Echte Liebe. Das ist beim BVB und seinen Fans nicht nur ein Werbespruch, das ist echt. Die stehen zum Verein in guten und in schlechten Zeiten und die Südtribüne in Dortmund ist einfach der Hammer.
Stehst Du mit Spielern aus der aktuellen BVB-Mannschaft noch in Kontakt?
Bittencourt: Klar, man läuft sich ja immer mal über den Weg, hält Kontakt über die sozialen Netzwerke. Besonders mit Marco Reus tausche ich mich oft aus, wir hatten ja schon damals einen guten Draht und der ist nie abgerissen.
Wie bewertest Du aus der Entfernung den Abgang von Jürgen Klopp?
Bittencourt: Ich habe großen Respekt vor seiner Entscheidung und der Art und Weise wie er sie verkündet hat. Er wird immer ein Teil der BVB-Erfolgsgeschichte bleiben.
Hat der BVB in Deinen Augen mit Thomas Tuchel den richtigen Nachfolger gefunden?
Bittencourt: Der BVB hat ein super Führungsteam und das hat aus meiner Sicht eine sehr gute Entscheidung getroffen. Thomas Tuchel hat in Mainz Zeichen gesetzt und wir dürfen alle gespannt sein, welche er in Dortmund setzen wird.
Du hast in Deinem Jahr bei der Borussia nicht allzu viele Einsatzchancen bekommen. Hast Du Dir bei Deinem Wechsel von Cottbus zum BVB damals mehr erhofft?
Bittencourt: Nein, da war ich als junger Spieler Realist. Ich wollte immer zu einem solchen Verein, denn auch wenn Du nicht so oft spielst, lernst Du da sehr viel. Deshalb war das Jahr in Dortmund auch sehr wichtig für meine Entwicklung. Ich habe extrem viel mitgenommen von Mitspielern, vom Trainerteam und von der ganzen Atmosphäre im Verein.
Welcher Moment bleibt Dir aus dieser Zeit besonders in Erinnerung?
Bittencourt: Mein erstes Bundesligator vor der Südtribüne und die Hymne der Champions League im Stadion als Spieler zu erleben. Da träumst Du als Junge davon, bei solchen Spielen dabei zu sein.
Was gab den Ausschlag für Deine Wechselentscheidung pro BVB?
Bittencourt: Die handelnden Personen waren überzeugend, der Verein hat Strahlkraft, die Fans sind toll – das schwarz-gelbe Paket war und ist einfach ein sehr gutes. Auch Jürgen Klopp war für meine Entscheidung sehr wichtig. Der Trainer ist am Ende die Person, mit der Du als Spieler am meisten zu tun hast.
Wie sehen Deine Zukunftsplanungen aus? Möchtest Du erst einmal bei Hannover bleiben oder stehst du schon in Kontakt mit Watzke und Zorc?
Bittencourt: Aktuell interessiert mich nur, dass wir mit Hannover die Saison gut zu Ende bringen und die Klasse halten. Alles andere ist derzeit nicht mein Thema.
Der BVB hat für den kommenden Sommer eine Rückkaufoption für Dich. Stehst Du schon in Kontakt mit Watzke und Zorc?
Bittencourt: Ich beschäftige mich deshalb im Moment nur mit Hannover 96. Unsere aktuelle Situation erfordert die volle Aufmerksamkeit eines jeden Einzelnen. Um vertragliche Dinge und Gespräche kümmert sich mein Berater.
Bittencourt: Ne, wir reden ja auch nicht nur über Fußball. Und wenn, dann eher über unser gemeinsames Thema U21-Nationalmannschaft.
Damit hast Du das richtige Stichwort gegeben: Im Sommer ist die U21-EM, du bist normalerweise fester Bestandteil des deutschen Kaders. Hat Horst Hrubesch sich nach Deiner Verletzung schon bei Dir gemeldet?
Bittencourt: Horst Hrubesch hält zu allen Nationalspielern immer Kontakt, sieht viele Spiele, erkundigt sich. Auch mit mir ist er immer im Gespräch.
Wie groß sind Deine Chancen, trotz Verletzung für das Turnier nominiert zu werden?
Bittencourt: Ich gehe davon aus, dass ich die Verletzung vor dem Saisonende überwunden habe und dann wieder im Verein und auch in der Nationalmannschaft spielen kann.
Was erhoffst Du Dir von dem Turnier im Sommer? Habt ihr intern eine bestimmte Zielvorgabe oder schaut ihr erst einmal von Spiel zu Spiel?
Bittencourt: Wir gehören sicherlich zum Favoritenkreis und wir sind Sportler: Also wollen wir das Turnier am liebsten natürlich gewinnen!
Zum Abschluss: Was glaubst Du, wo landet Hannover 96 am Saisonende und wo landet der BVB?
Bittencourt: Ich gehe fest davon aus, dass wir es schaffen am Saisonende über dem Strich zu stehen und den Abstieg und die Relegation vermeiden. Dem BVB traue ich mit einem guten Schlussspurt noch die Europa-League zu und natürlich auch einen Sieg im DFB-Pokalfinale in Berlin.
Wir bedanken uns für das Gespräch.