Wintertrainingslager unter düsteren Vorzeichen
Ein Kommentar zur Wahl von Dubai für ein Wintertrainingslager.
Eigentlich ist es dieselbe Leier wie in jedem Jahr: Die Hinrunde neigt sich dem Ende zu und während sich die meisten so langsam auf eine besinnliche Weihnachtszeit freuen, wartet man als Fan wieder einmal gebannt auf eine Wasserstandsmeldung in Sachen Wintertrainingslager.
Es wird versucht, jede erdenkliche Quelle anzubohren, Mails und SMS werden ausgetauscht, um letzten Endes doch wieder ohne neue Informationen dazustehen. Wie in den letzten Jahren bereits üblich, zeigte sich der BVB wieder arg wortkarg, in welche Richtung es wohl gehen sollte. Zwar dringen nach wie vor einige Details nach außen, aber alles in allem versteht es der Verein schon recht gut, Geheimniskrämerei zu betreiben. Der Höhepunkt war sicherlich das Trainingslager vor zwei Jahren, als es die erste offizielle Mitteilung seitens Borussia zum Trainingslager gab, als die Mannschaft bereits die erste Einheit in La Manga absolviert hatte. Nicht schön - aber mittlerweile eben auch Alltag. Fans werden halt nur da benötigt, wo man durch sie Geld generieren kann. Bei einem Wintertrainingslager kommt man sich schon länger nicht mehr so recht erwünscht vor. Im Gegensatz dazu steht dann die Asienreise, aber das soll jetzt hier nicht mein Thema werden, das würde dann doch den Rahmen sprengen.
Doch dieses Jahr könnte es auch einen weiteren Grund für die Geheimnistuerei gegeben haben. Nachdem die Gerüchte in den letzten Jahren bereits aufkamen, ist es nun Gewissheit: Der BVB wird im Januar 2016 in die Emirate reisen, um sich in Dubai auf die Rückrunde vorzubereiten. Dass man sich beim BVB der Brisanz dieser Wahl durchaus bewusst ist, hat man selber mit dem letzten Satz in der eigenen Pressemeldung aufgezeigt.
"Trotz lukrativer Angebote hat der BVB übrigens mehrere Testspiel-Offerten aus Ländern ausgeschlagen, in denen die Menschenrechts-Situation nicht mit den Maßstäben von Borussia Dortmund in Einklang zu bringen bzw. eine offene Diskussion über das Thema Menschenrechte nicht möglich ist."
Zwar kann und muss zwischen den Golfstaaten differenziert werden, allerdings gibt es unter dem Strich kaum Unterschiede. Für ein besseres Verständnis meiner Fassungslosigkeit ob dieser Wahl fasse ich an dieser Stelle einmal die wichtigsten Kritikpunkte an den Emiraten zusammen: Zu den bedeutendsten Menschenrechtsproblemen gehören neben willkürlichen Verhaftungen zahlreiche weitere Mängel des Justiz- und Haftregimes. Folter und Misshandlung gehören zu den gängigsten Methoden, um politische Gegner und Kritiker zu schwächen. In manchen Fällen wird gar die Todesstrafe vollstreckt. Es gibt keine Wahlen nach demokratischen Prinzipien, keine Gewaltentrennung und politische Parteien sind nicht zugelassen.
Nur männliche Staatsbürger können Anliegen an die politischen Führer herantragen, diese jedoch nur über einen konsultativen Mechanismus einbringen, wobei auch an dieser Stelle zumeist Geld das Sagen hat. Presse und Meinungsfreiheit sind ebenso stark eingeschränkt wie die digitale Kommunikation. Es gibt eine strikte Überwachung jeglicher Aktivitäten und jede Art von Kritik wird durch den Staat verfolgt und bestraft. Die wohl heftigsten Einschränkungen bestehen jedoch in der Ausübung der Religionsfreiheit. Obwohl es einen durchaus großen Anteil von Katholiken in den Emiraten gibt, ist zum Beispiel das Verteilen von christlicher Literatur unter Strafe verboten - und das, obwohl die Verfassung Religionsfreiheit einschließt. Auch erlaubt es die Regierung den Kirchen nicht, Kreuze an den Außenseiten ihrer Räumlichkeiten zu zeigen oder Glockentürme zu errichten. Christliche Männer dürfen zudem keine muslimischen Frauen heiraten.
Dazu kommt die Unterdrückung von Frauen, AIDS-Infizierten, behinderten und homosexuellen Menschen, die kaum Rechte genießen. Vergewaltigungen werden durch religiöse Gesetze legitimiert. Das Phänomen der Arbeitssklaven ist auch in Dubai zu beobachten. Insbesondere ausländische Arbeitsmigranten/-innen (vor allem aus Indien, Nepal, Bangladesch, Pakistan und den Philippinen) werden vom Staat kaum vor Ausbeutung und Missbrauch geschützt; auch Menschenhandel und Zwangsarbeit sind gängige Mittel. Verrückt dabei ist, wie nach den Anschlägen in Paris alles unter diesen Schatten gestellt wurde von Funktionären und Sportjournalisten nun aber der BVB nach Dubai reist. Von echter Kritik hört man wenig in der Sportpresse. Das ist allerdings schon das bekannte Spiel bei den Katar Reisen der Bayern und Schalkern. Über die FIFA wird geschimpft, bei den beiden heimischen Vereinen, ist man auf beiden Augen blind. So wird dann eben auch die Situation in jenen Ländern öffentlich legitimiert.
Es ist nachgewiesen, dass Gelder aus den Emiraten (aber natürlich auch Katar, Kuwait und Saudi-Arabien) in die Kassen des Islamischen Staates fließen. Es gibt zwaer keine Beweise, dass die Regierung selbst Mittel zur Verfügung stellt, aber es ist verbrieft, dass erhebliche Summen aus privater Hand an den IS fließen. Zumeist handelt es sich dabei um Zuwendungen von superreichen Privatleuten an salafistische Stiftungen und Moscheevereine sunnitischer Gotteskrieger die der Finanzierung des Krieges gegen Baschar al Assad in Syrien und die ehemals rein schiitische Führung im Irak dienen. Bei diesen Geldtransfers werden nach wie vor von den örtlichen Regimen beide Augen zugedrückt. Dazu sollte man wissen, dass beide arabischen Regime den sunnitischen Emiren in den Emiraten schon lange ein Dorn im Auge sind, da diese eben nicht nur schiitisch dominiert sind, sondern auch enge Kontakte zum verhassten Iran pflegen.
Natürlich muss man auch sehen, dass die VAE eines der gemäßigteren Länder unter den Golfstaaten ist. Die Unterdrückung der Menschen wird lange nicht so aktiv betrieben wie beispielsweise im Wüstenstaat Katar, wo die Lebensbedingungen für Gastarbeiter nicht nur sehr schlecht, sondern vielmehr menschenunwürdig sind. Auch gilt dort ausnahmslos die Scharia, während es den Menschen in den Emiraten teilweise freigestellt ist, nach dieser zu leben. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass wir mit den Emiraten zwar einen etwas fortschrittlicheren Partner als beispielsweise die Bayern im vergangenen Jahr gefunden haben, dieser jedoch ebenfalls keineswegs vor Verbrechen gegen die Menschlichkeit zurückschreckt.
Persönlich stellt sich mir vor allem die Frage nach dem "Warum"? Ist es wirklich von Nöten, sein Trainingslager in einem Land mit solch fragwürdigem Ruhm durchzuführen? Nur weil eine korrupte Fifa eine WM nach Katar verkauft, Politiker aus Angst vor dem Verlust von Ölquellen schweigen und ein seniler Franz Beckenbauer in seinem Fünf-Sterne-Hotel keine Sklaven entdecken konnte, heißt das noch lange nicht, dass diese Problematiken ausgeblendet werden müssen. Geld kann und darf einfach nicht alles sein! Der Grund einer Kooperation mit Dubai entzieht sich somit komplett meinem Verständnis. Als Abschluss zitiere ich aus der Satzung von Borussia Dortmund.
"Der Verein fördert die Funktion des Sports als verbindendes Element zwischen Nationalitäten, Kulturen, Religionen und sozialen Schichten. Er bietet Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe, Herkunft, Glauben, sozialer Stellung oder sexueller Identität eine sportliche Heimat." (§ 2 Absatz 3)
Sind diese Werte für unsere Führungsetage also tatsächlich mit einem Trainingslager in Dubai in Einklang zu bringen?
Menschenrechte
Religionsfreiheit
geschrieben von Tobias
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