Eua Senf

Ich bin ein Berliner

30.04.2015, 08:56 Uhr von:  Gastautor
Ratlosigkeit beim letzten Gastspiel des BVB in Berlin

Jürgen Klopp und das Olympiastadion. Was für eine Geschichte. Wer sie aufschreibt und als Drehbuch verkaufen möchte, würde selbst in Hollywood lachend abgewiesen werden. Was für ein Kitsch! Der Aufstieg und Fall des BVB – sie sind eng verbunden mit Berlin.

Dezember 2014. Im Berliner Olympiastadion weiß keiner mehr weiter. 10.000 BVB-Fans sind ratlos. Die Mannschaft, die in ähnlicher Konstellation Real Madrid zum Wimmern gebracht hatte, spielte nun zum wiederholten Male fürchterlichen, mutlosen und planlosen Fußball. Nun steht also die Mannschaft vor dem Marathontor. Und die Fans stehen vor dieser Mannschaft. Überall leere Gesichter. Und jetzt? Pfeifen? Aufmuntern? Bringt doch alles nichts mehr. „Unser ganzes Leben, unser ganzer stolz!“, hallt es noch trotzig aus den Kehlen der Deprimierten.

Man wartet darauf, dass das alles nur ein Albtraum ist und die Mannschaft auf die Treppen stürmt. Vorne Moritz Leitner mit einer riesengroßen Fahne. Man wartet darauf, dass aus den Boxen „Tage wie diese“ ertönt. Und Sebastian Kehl nicht weiß, ob er jetzt gerade lieber den Pokal oder die Schale für die Kameras hochhalten soll. Der Mai 2012 – wir wussten, dass er irgendwann in den Gedanken mal weit weg sein würde. Dass der BVB naturgemäß irgendwann wieder andere Zeiten erleben wird. Aber das würde doch nicht so schnell geschehen. Nicht, nachdem man noch wenige Monate zuvor Madrid an den Rand der Verzweiflung getrieben hatte. Und vor allem: Mit Jürgen Klopp würde alles schon irgendwann gut werden. An diesem kalten Dezembertag aber war alles weg. Die Toten Hosen, Real Madrid – und Klopp.

2012: Klopp feiert den Pokalsieg in der Kurve

Es war der 19. April 2008. Jürgen Klopp stand nicht unten vor der Kurve, er hatte weiter oben auf der Pressetribüne ein ZDF-Mikrofon in der Hand. Er hatte noch die leicht jugendliche Erscheinung. Längere, hellere Haare. Keine von Verzweiflung geprägten Tränensäcke. An diesem Tag hatte ihn N24 als Nachfolger ins Spiel gebracht. Er wurde Zeuge, als der Dauergesang „Unser ganzes Leben, unser ganzer Stolz“ die Mannschaft durch ein überraschend denkwürdiges Finale trug. Keine vier Monate später stand Jürgen Klopp dann im Essener Georg-Melches-Stadion vor der Trainerbank. DFB-Pokal, erste Runde, erstes Spiel für Klopp beim BVB.

Und dann 2012. Neben dem Champions-League-Sieg 1997 der größte Tag der Vereinsgeschichte. Lewandowski, ein Schuss ein Tor, die Bayern, die Treppen des Marathonstores und eine Mannschaft, die das Sportstudio auseinandernahm. Der Gipfel. Aber das Olypiastadion war nicht nur der Ort für die schönsten Momente von Jürgen Klopp. 2014 wurde zum ersten Mal deutlich, dass auch er nicht auf jede Taktik des Gegners eine Antwort hat. Die Bayern überraschten, hatten Glück mit dem Schiri und gewannen am Ende durch Geduld.

Das Märchen ist vorbei

Die Klopp-Faust am Dienstag in München
Geduld war nun das Stichwort für jeden Gegner. Ob Hannover oder Hamburg – jeder wusste, dass irgendwann die Chance zum 1:0 kommt und der BVB danach planlos ist.


Und jetzt haben wir 2015. Wir haben seit April 2008 so viele Höhepunkte erlebt. Wir haben uns immer gefragt: Was kann da noch kommen? Der Derbysieg 2010, Last-Minute-Tabellenführung in Köln, das Meisterspiel gegen Nürnberg, die Atmosphäre gegen London 2011, das Double, Malaga, Madrid (4:1), Wembley, Madrid (2:0).

Und so standen wir in Berlin und haben uns eingestanden: Klopp und der BVB: Das Märchen ist vorbei. Umso mehr passt es nun zu dieser Geschichte mit ihren Höhen und Tiefen, dass es ein rührendes Ende geben wird. In Berlin. Es ist etwas anders als wir alle gehofft hatte und als sich Klopp es erträumt hatte. Nach dem verlorenen Champions-League-Finale 2013 sagte er: „Das Champions-League-Finale in zwei Jahren in Berlin wäre ein guter Zeitpunkt, zurückzukehren.“

Man könnte es nun umformulieren: Das Pokalfinale in Berlin wäre ein guter Zeitpunkt, um die Geschichte zu beenden.

geschrieben von Guerriero

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