Warmlaufen

Es geht auch ohne Superlative

11.04.2014, 19:09 Uhr von:  Redaktion

Nach der Enttäuschung ist vor der nächsten HerausforderungDisclaimer: Halt! Stop! Keinen Schritt weiter! Solltest du von diesem Vorbericht erwarten, dass er sich mehr mit Nebenschauplätzen befasst, mit den vielen verbalen Auseinandersetzungen der Verantwortlichen sowohl des Ballspielvereins Borussia aus Dortmund als auch des neuen Deutschen Meisters FC Bayern München, solltest du einen Vorbericht erwarten, der Begriffe wie „deutsches Clasico“ nicht nur enthält, sondern auch komplett tot redet, solltest du einen Vorbericht erwarten, der sich damit befasst, dass wir kurz vor einem „Giganten-Duell“ stehen, weil der Meister auf den Tabellenzweiten trifft… ja, dann… bist du hier fehl am Platz und solltest dir lieber eine andere Quelle für deinen Vorbericht suchen. Davon sollte es ja, so wie wir das beurteilen können, genug andere Möglichkeiten geben. Wir hingegen werden uns an einem Gegenentwurf versuchen, einem Vorbericht, der sich tatsächlich auf die bloßen sportlichen Fakten, auf das Geschehen auf dem Platz – und vielleicht noch das auf den Rängen – konzentriert. Keine Kommentare zu Giftpfeilen, keine neue Wasserstandsmeldung zu Dauerverletzten, keine genaue Einschätzung, wann Jürgen Klopp nun den nächsten Journalisten auffressen wird. Konzentrieren wir uns auf das, was uns allen am liebsten ist und was uns schon am Dienstag doch so viel Freude bereitet hat: das pure Spiel, der pure Sport. Okay? Dann legen wir los. Ansonsten: Tschüss!

Jürgen Klopp wusste schon, warum er sarkastisch auf der Pressekonferenz am Donnerstag anmerkte, das Spiel gegen den FC Bayern München käme zu einem „sensationell gutem Zeitpunkt“. Beide Vereine stehen seit Wochen in englischen Wochen, beide kommen gerade aus ihren jeweiligen Partien in der Champions League, wo sie sich mit Manchester United und Real Madrid gemessen haben. Sokratis gegen MüllerDie einen zeigten eine unglaubliche und leidenschaftliche Leistung und schieden am Ende aus, die anderen setzten sich gegen die Engländer weniger deutlich durch als man das im Vorfeld eventuell erwartet hatte. Beide Vereine treten auch in der kommenden Woche unter derselben an und wollen sich dann ein weiteres Aufeinandertreffen im DFB-Pokalfinale in Berlin erarbeiten. Borussia trifft am Dienstag bekanntermaßen auf die Betriebsmannschaft von Volkswagen, die Bayern bekommen es mit dem 1. FC Kaiserslautern zu tun. Hans-Joachim Watzke sagte, dass die Priorität eigentlich schon auf dem DFB-Pokalspiel liege und dass bei den Bayern nach dem Gewinn der Meisterschaft ebenfalls ein anderes Augenmerk auf die Bundesliga gelegt wird, ist spätestens seit der Niederlage gegen den FC Augsburg in der letzten Woche klar. Und auch wenn viele Beobachter der Bundesliga zuletzt davon ausgingen, dass die Bayern wohl wenigstens gegen Dortmund mit der ersten Garde antreten werden, um die Borussia zu ärgern, erinnerte uns Matthias Sammer nach dem Champions League-Spiel am Mittwoch daran, dass man da personell nun auch gucken müsse, wie man nun auftreten werde. Das hörte sich auch nicht gerade nach einem Aufgebot der A-Mannschaft hat.

Allerdings wollte Jürgen Klopp da auch noch keine genauen Angaben machen. Zwar stünden abgesehen von den Langzeitverletzten wohl alle Spieler zur Verfügung, dennoch ließ auch Klopp durchblicken, dass Rotation zumindest eine Option sei. Insgesamt möchte man dem Übungsleiter K also eigentlich nur zustimmen: der Zeitpunkt für diese Partie ist denkbar unglücklich. Dennoch: auch für ein Spiel zwischen Real Madrid und dem VfL Wolfsburg gibt es in der Bundesliga drei Punkte. Und ein paar davon braucht Borussia noch, um das erklärte Saisonziel, die direkte Qualifikation für die Champions League zu erreichen. Friedrich gegen MandzukicUnd dann wäre da ja noch ein inoffizielles Ziel, dabei auch noch vor dem Rivalen aus Gelsenkirchen zu landen. Ein Ziel, das man nicht außer Acht lassen sollte und das für so manchen Fan teilweise sogar noch wichtiger als die Champions League-Qualifikation sein dürfte. Und klar, irgendwie waren Punkte in München in der laufenden Saison für jeden Bundesligisten irgendwo Bonus-Punkte, aber wenn die Bayern es noch nicht einmal für nötig halten würden, ihre besten elf Spieler auf den grünen Rasen (Copyright Norbert Dickel) zu bringen, dann sollte die Borussia doch zumindest etwas Zählbares mit aus dem Schlauchboot mit dem Sponsorennamen mitnehmen. Nicht, dass man sich nachher doch ärgert, wenn einem in der Abschlusstabelle noch ein paar Punkte fehlen… Und mal ganz unter uns: Es wäre auch nicht ganz uncool, dem Meister dann doch noch ein paar Punkte in seiner Rekord-Saison zu rauben und ein wenig zu triezen, oder?

Und überhaupt: ein Ende der englischen Wochen ist in Sicht, die kommende Woche ist nach dem Aus in der Champions League nun die letzte, die noch ein Spiel am Dienstag oder Mittwoch zu bieten hat. Somit hat man ein Ziel vor Augen und ab dann ja auch wieder verlängerte Regenerationszeit. Zusammen mit der unglaublichen Leistung im Westfalenstadion am Dienstag gegen Real Madrid sollte das doch nun genug Wind in den Flügeln der schwatzgelben Jungs sein, oder? Der Rückenwind sollte die Mannschaft doch beflügeln. Dabei würde man es ja auch Henrikh Mkhitaryan wünschen, wenn er sich mal wieder in die Torschützenliste eintragen dürfte. Der Armenier musste sich nach dem Spiel gegen Madrid eine Menge Kritik gefallen lassen, weil er zwar ein starkes Spiel ablieferte – wie Klopp auch noch einmal ausdrücklich betonte – es aber eben verpasste, eine seiner Chancen zu nutzen. Was dabei aber noch schlimmer wiegt als die Kritik von Seiten der Beobachter dürfte die Tatsache sein, dass Mkhitaryan einer der Menschen ist, die sich selbst am kritischsten beobachten. Er erinnert einen irgendwie an einen gewissen Jakub Blaszczykowski, dem lange vorgeworfen wurde, sein Potential nicht abzurufen. Ein Melancholiker, der sich selbst auch hart ins Gericht nahm, mittlerweile aber ein absoluter Publikumsliebling geworden ist und seine Leistung brachte, auch wenn er aktuell nur von außen zusehen darf. Auch Mkhitaryan wird irgendwann diesen Schritt vom Melancholiker zum Liebling machen, da ist sich der Verfasser dieser Zeilen sicher. Warum nicht schon in München? Zumindest ein oder mehrere Erfolgserlebnisse wären ihm von Herzen gegönnt.

Am Ende darf hoffentlich wieder gejubelt werdenBleibt also festzuhalten: Der FC Bayern mag keine Punkte in der Liga mehr brauchen, wir aber schon. Für die direkte Champions League, für den Erhalt der rechtmäßigen Verhältnisse im Pott. Daher darf sich Bayern mehr zurücklehnen als der BVB – trotz DFB-Pokals am Dienstag. Wenn es nach mir geht, gehen wir also mit einer bis in die Haarspitzen motivierten Truppe in München an den Start und gewinnen das Ding durch zwei Tore von unserer Nummer 10. Leider geht es nicht immer nach mir, aber man wird es sich ja noch wünschen dürfen, oder?

Und? Hast du wirklich etwas in diesem Vorbericht vermisst? Die Giftpfeile, die Sensationen um Jürgen Klopp, die Superlative, die dieses Spiel, was sportlich mittlerweile nur noch wenig Brisanz besitzt, künstlich aufpumpen? Nein? Gut, dann haben wir erreicht, was wir wollten. Zugegeben, legt man den Fokus rein auf den sportlichen Aspekt dieses Spiels, hat man weniger zu schreiben, als wenn man sich all dieser „tollen“ journalistischen Tricks bedient, was natürlich auch daran liegt, dass es eben kein Spiel zweier Mannschaften ist, die Kopf an Kopf in der Tabelle miteinander um die Führung streiten. Aber es geht doch auch ohne. Dies versuchte dieser Text zu zeigen. Wir hoffen, es ist gelungen.

Mögliche Aufstellungen (vermutlich eher nicht):

FC Bayern: Neuer - Lahm, J. Boateng, Dante, Alaba - Schweinsteiger, T. Kroos - Robben, M. Götze, Ribery - Mandzukic

Borussia Dortmund: Weidenfeller - Piszczek, Sokratis, Hummels, Durm - Sahin, Kehl - Großkreutz, Mkhitaryan, Reus - Lewandowski

Schiedsrichter: Felix Zwayer (Berlin)

Stadion: Allianz-Arena München (das Spiel ist erwartungsgemäß ausverkauft, 7.000 Fans werden die Borussia begleiten)

Vanni, 11.04.2014

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