Starker BVB leistet Aufbauhilfe Ost
Die Wahl in Sachsen hat es gezeigt. Fast 15 % der Menschen dort brauchen bei Ereignissen wie Urnengängen noch etwas Hilfe. Zumindest fußballerisch haben sich am Samstag unsere BVB-Amateure im Nachbarland als Wohltäter erwiesen. Spielte man Chemie Halle in der ersten Hälfte geradezu an die Wand, reichte es am Ende trotzdem leider nur zu einem torlosen Unentschieden.
Sachsen-Anhalt. Das wohl unbekannteste Bundesland Deutschlands. Kommt der Durchschnittsdeutsche aus dem Westen beim gemeinsamen Rätseln auf Ibiza mit der Gattin so gerade noch auf Sachsen als 15. Bundesland, will ihm Sachsen-Anhalt mit seinen beiden Metropolen Magdeburg und Halle einfach nicht mehr einfallen. Diese Wissenslücke kann womöglich auch aus der Fußballfan-Perspektive begründet werden, haben doch sowohl der FCM aus der Landeshauptstadt als auch der Hallesche FC ihre besten Zeiten zu einer Zeit erlebt, als im Osten die Menschen für Bananen so lange anstanden wie heuer die in Dortmund für Kagawa-Trikots.
Positiv war jedoch zu vermerken, dass trotz dieser Randlage der Busfahrer des BVB-Mannschaftsbusses das richtige Halle in das Navi eingegeben hat und nicht plötzlich bei den GerryWeber-Open im westfälischen Halle Federer gegen Nadal gucken brauchte. Vorteil Dortmund! Bereits vor dem Spiel gab es also neue Bälle. Ansonsten muss konstatiert werden, dass die Menschen in Halle sehr nett waren, auch wenn der Dialekt nicht länger als 09 Minuten zu ertragen ist. Gerade auf engem Raum wie in einer Straßenbahn fühlt man sich nach recht kurzer Zeit an die Meisterwerke von Porno-Paule erinnert.
Außen hui, innen pfui
Das Stadion selbst versprüht nur noch vermeintlichen Charme. Sind die Fassaden am Eingangsbereich noch standhaft und erinnern sie an den alten DDR-Charme, ist im Inneren des ehemaligen Geländes ein genauso seelenloser Zweckbau zu besichtigen, wie er inzwischen in viel zu vielen Drittliga-Standorten vorhanden ist. Im Stadion selbst hatte man ein ganz schlimmes Deja-Vu, da diese Arena zu 99 Prozent identisch mit der in Wehen-Wiesbaden ist, wo man erst vor einigen Wochen als BVB-Fan seine Visitenkarte hinterlassen musste. Diesmal waren jedoch die BVB-Fans nicht in der linken, sondern rechten Ecke (von der Haupttribüne aus gesehen) untergebracht.
Dabei waren neben vielen Umlandfans aus Deutschlands Osten auch einige BVB-Anhänger, die in Augsburg übernachtet haben und am Samstagmorgen hoch Richtung Halle gefahren sind. Aufgrund einer Vollsperrung kamen die UvdA verspätet an, aber zumindest standesgemäß in der 09. Minute betraten auch sie den Block. Man möchte nicht wissen, wie viele Minuten sie in der Nacht gepennt haben oder ob sie nach der Rückkehr aus Augsburg in Dortmund sofort in den Bus nach Halle gestiegen sind, sofern sie ebenfalls beim Spiel der Profis zugegen waren. Auf Hallenser Seite war ein kleiner, aber feiner Stimmungsblock zu orten, doch war die Mitmachquote im Stadion außerordentlich gering. Dies könnte auch daran liegen, dass alle drei bisherigen Heimspiele verloren wurden. Auch die Inhaber der Zaunfahne „Saalegeschwüre“ hielten sich vornehm zurück.
Verbessern soll diesen Zustand in Zukunft auch Marco Engelhardt, der von Erfurt aus ein Bundesland weiterzieht und von Fans wie Journalisten äußerst skeptisch empfangen wird. Ob er letzterer Gruppe bereits Handyfotos von seinem Gemächt zugesandt hat wie in früheren Zeiten, ist der sg-Redaktion zur Stunde noch unbekannt. Sportlich war es beim BVB recht überraschend, dass Knystock sowohl Bandowski als auch Zimmermann in der Defensive vorgezogen wurde und somit Hornschuh heute mal wieder als Innenverteidiger fungieren konnte. Knystock hat unter der Woche beim Profi-Test in Mannheim zwar defensiv einigermaßen überzeugt, doch fanden seine Flanken noch zu oft den Weg hinters Tor. Auch diesmal sollte er in der Offensive nicht reüssieren.
Jordanov zu eigensinnig
Um es kurz zu machen: In der ersten Hälfte spielten unsere Jungs den zaghaften und schwachen Gastgeber an die Wand, ohne jedoch ihre vielen Chancen nutzen zu können. Ein 2:0 zur Halbzeit wäre mehr als verdient gewesen. So scheiterten Jordanov und Gyau nach zwanzig Minuten an Torwart Kleinheider bzw. der eigenen Schusstechnik (dafür ist Gyau fürs US-Team von Klinsmann nominiert worden!). Nur drei Minuten später traf Solga bei einem Freistoß nur das Lattenkreuz, ehe erst Harder zu uneigennützig (26.) und dann Jordanov zu eigensinnig agierten. Der Mittelfeldspieler umkurvte nach einem schönen Gyau-Pass Kleinheider, wollte dann jedoch aus spitzem Winkel selbst das Tor erzielen. In der Mitte regte sich der völlig freistehende Derstroff zu Recht auf (42.).
Das Heimpublikum murrte ob der Darbietung ihrer Mannen und konnte dementsprechend noch nicht Schlachtrufe wie „Macht sie alle, schießt sie raus aus Halle“ anstimmen. Erst in der zweiten Hälfte und nach einer gehörigen Kabinenpredigt von Trainer Köhler spielten die Gastgeber engagierter und kamen ihrerseits nun zu Gelegenheiten. Doch erst vergab noch der bereits angesprochene Knystock die größte Chance der Partie, als er nach einem verunglückten Gyau-Schuss aus sieben Metern an Kleinheider scheiterte (52.). Danach gab es etwas Leerlauf zu bestaunen, ehe eine äußerst spannende Schlussviertelstunde eingeläutet wurde.
Der eingewechselte Brügmann kam bei der ersten richtigen HFC-Chance aus gut zwanzig Metern frei zum Schuss, scheiterte aber am sich ganz lang machenden Alomerovic (76.). Sieben weitere Minuten später hätte Furuholm, der ebenso wie Gogia in Unterhaching beim 4:0-Sieg einen Doppelpack erzielte, fast noch zum Helden werden können. Eine Hereingabe Schicks leitete der eiskalte Finne per Hacke weiter, aber wieder reagierte Alomerovic prächtig und bewahrte unsere Farben vor einer vollkommen unverdienten Niederlage.
Väyrynen angezählt
Apropos Finne. Das Kapitel des mit viel Vorschusslorbeeren verpflichteten Tim Väyrynens scheint sich auch schon wieder mehr und mehr dem Ende zuzuneigen. Erneut spät eingewechselt, gelang es dem blonden Schlaks wie schon in Wehen-Wiesbaden, seinen Coach aufgrund mangelnder Defensivarbeit in seinen wenigen Einsatzminuten mal so richtig auf die Palme zu bringen. David Wagner ist nicht gerade der große Zampano an der Linie, doch Väyrynen bringt ihn regelmäßig zur Weißglut. Man hat das Gefühl, dass Väyrynen als Top-Scorer der finnischen Liga dachte, eine 3. Liga in Deutschland mal eben so locker-flockig zu dominieren. Das ist jedoch nicht der Fall und der gute Eindruck aus der Vorbereitung mit vielen Testspieltoren verflüchtigt sich mehr und mehr.
Nach diesem 0:0 nistet sich unser BVB II in einer wieder mal extrem ausgeglichenen Liga im Mittelfeld ein und hat in zwei Wochen die Gelegenheit, erneut auswärts drei Punkte einzufahren. Am Samstag, den 13. September, geht es auf die Bielefelder Alm und man ist als geneigter Amas-Fahrer schon sehr traurig, dass diese Partie parallel zu den Profis stattfindet. Und auch die chronisch klammen Ostwestfalen dürften sich ärgern, gehen ihnen doch so ein paar Zehntausend Euro durch die Lappen. Gegen Spieltagsüberschneidungen!
Stimmen zum Spiel
David Wagner: Ich bin nicht rundum zufrieden, aber mit unserem Auftritt. Der war relativ gut. Wir haben recht guten Fußball gespielt, waren recht passsicher und technisch gut. Dazu haben wir sauber verteidigt. Nicht zufrieden war ich heute mit unserer Chancenverwertung. Und wie das eben so ist hier in Halle, kamen wir in den letzten fünf Minuten noch einmal richtig unter Druck, doch haben wir uns auch da gewehrt. Wir haben eine Reaktion nach dem Mainz-Spiel gezeigt. Eine solche habe ich eingefordert. Wir hätten hier auch gewinnen können, aber wir brauchen auch nicht zu vermessen sein.
Sven Köhler (Trainer Hallescher FC): Am Ende war es ein sehr intensives Spiel. Wir wussten, dass Dortmund mit einer hohen Qualität nach vorne spielen kann. Ich persönlich habe heute nicht so ein deutliches Chancenplus für Dortmund gesehen. Auf beiden Seiten gab es je eine große Chance und ansonsten nur Aktionen im Strafraum, wo Tore hätten fallen können. Insgesamt war es heute ein sehr ansehnliches Spiel.
Daten zum Spiel
Hallescher FC (4-4-2): Kleinheider – Baude, Franke, Rau, Schick – Schmidt (64. Brügmann), Jansen (64. Osawe), Kruse, Gogia – Pfeffer (81. Ratifo), Furuholm
BVB II (4-2-3-1): Alomerovic – Knystock (90. El-Bouazzati), Hornschuh, Stankovic, Güll – Nyarko, Solga – Gyau, Jordanov, Derstroff (84. Väyrynen) – Harder (90.+2 Zimmermann)
Tore: Abgelehnt
SR: Günsch (Battenberg)
Zuschauer: 6.314 (579 aus Dortmund)
Chancen: 3:6
Ecken: 4:5
Gelbe Karten für den BVB: Stankovic (29., taktisches Foul), Harder (44., Foulspiel), Derstroff (73., Foulspiel)
Malte D., 1.9.2014