„Das ist außergewöhnlich“
Nach dem 2:1-Sieg war Trainer David Wagner einmal mehr voll des Lobes über die phänomenale Unterstützung der mitgereisten Gästefans. Ungewohnt scharf gab unser Trainer zudem allen Kritikern von Zweitvertretungen noch einen mit: „Die sollten sich unsere Fans anschauen und einfach mal den Mund halten.“
Schluss mit Copacabana und Schwarz-Rot-Geil! Endlich wieder BVB. Endlich wieder Fußball pur mit pöbelnden Rentnern und schwatzgelben Leidenschaften. Wen interessieren noch Messi oder Neymar, wenn es urige Zweikämpfe mit Solga oder Harder zu bestaunen gibt? An diesem Samstag war es soweit: Am ersten Spieltag der 3. Liga waren unsere Amas bei den ambitionierten Erfurtern im Steigerwaldstadion zu Gast. Nachdem man in den letzten Jahren immer bei der lila-weißen Osnabrücker Scheiße zu Gast war, ging es diesmal nach Mitteldeutschland und die weithin sichtbaren, einzigartigen Flutlichtmasten in Thüringens Landeshauptstadt hießen den Dortmunder Fußballfan schon aus einiger Entfernung willkommen.
380 BVB-Fans traten per WET-Tour aus der Bierhauptstadt die Reise an. Einige hundert weitere Fans aus allen Teilen Deutschlands rundeten das optisch herrliche Bild im Gästeblock entsprechend ab. Nach Wochen der Leere ist es einfach immer wie das Gefühl, nach einer langen Reise zu Hause zu sein und alte Bekannte beim gemeinsamen und schönsten Hobby wiederzutreffen. Personell konnte Trainer David Wagner jedoch nicht mit dem Drumherum mithalten, da einige Akteure (Amini, Sarr, Dudziak, Weber) verletzungsbedingt ausfielen. So hatte man jedoch zumindest noch weniger zu verlieren als ohnehin schon, ist das Publikum bei RW Erfurt doch überkritisch und das Aufstiegsziel „Misson 2016“ für die Gastgeber eher eine Bürde, denn Motivation. Interessanter Randaspekt: Aufgrund der Abstellung Dudziaks zur U 19-EM in Ungarn hätte der BVB das Recht gehabt, um eine Verlegung der Partie zu bitten. Doch aufgrund der Tatsache, dass dieser ursprüngliche Termin nicht parallel zu einem Profi-Spiel lag, verzichtete der Verein (zum Glück und zu Recht!) darauf.
Tyrala gegen seine Vergangenheit
Mit Stankovic, Narey und Gyau setzte Wagner in seiner Startaufstellung auf drei Neuzugänge, während Neu-Innenverteidiger Zimmermann etwas überraschend nur auf der Bank Platz nehmen durfte. Dort saß auch das Ex-Zebra Güll sowie Väyrynen, der zwar eine gute und torreiche Vorbereitung absolvierte, sich aber beim Spiel vor drei Monaten an gleicher Stelle sehr schwach präsentierte. Beim Gastgeber stach besonders ein Name hervor: Gemeinsam mit Nuri Sahin einst zu den Profis hochgezogen, verletzte sich Sebastian Tyrala im ersten Profi-Training in einem Zweikampf mit Jan Koller so schwer, dass er danach nie mehr richtig auf die Beine kommen sollte. Über Greuther Fürth hat es den Mann aus Bad Sassendorf nun also nach Thüringen verschlagen. Für 36 von 38 Spielen wünschen wir dem ehemaligen polnischen Junioren-Nationalspieler alles Gute dieser Welt.
Mit etwa 09 Minuten Verspätung startete unsere Mannschaft in diese Saison und hatte Glück, zu diesem Zeitpunkt nicht bereits mit 0:2 zurück zu legen. Erst wurde Falk im letzten Moment völlig frei vor dem Tor gestört (6., nach unfreiwilliger Vorlage Gyaus), dann köpfte Laurito eine Ecke an den linken Pfosten (8.). Alomerovic wäre ohne Abwehrchance gewesen. Der Gastgeber legte hier sehr durchdacht los und kombinierte sich immer wieder durch die BVB-Defensive. Auf der Gegenseite war es ein Geniestreich Harders, der die erste Chance für den BVB heraufbeschwor. Eine Flanke von Kefkir nahm der Ex-Blaue per Volley-Hacke und nur einer prächtigen Reaktion Klewins war es zu verdanken, dass es weiterhin 0:0 stand (15.).
In der nächsten halben Stunde hätte sich der geneigte Zuschauer dann auch mit der Hängematte in den angrenzenden Steigerwald zurückziehen können. Der Mittelkreis avancierte zum Hauptakteur der Partie, da sich das Geschehen weitgehend dort abspielte. Erst in der 44. Minute lohnte sich das Hingucken wieder. Aber dann so richtig! Einen langen Ball nahm Harder Lewandowski-like aus der Luft und legte ab auf den anstürmenden Jordanov. Wie auf dem Bolzplatz nahm der Ex-Rostocker Maß und drosch mit der Pike das Leder an Klewin vorbei in die Maschen. Eine unverdiente Führung kurz vor der Halbzeit. Besser geht es nicht!
BVB-Tore zum perfekten Zeitpunkt
Noch besser wird es nur noch, wenn die eh schon kritische Grundhaltung des Publikums auf der Haupttribüne gesteigert wird. Das geschah schon zwei Minuten nach Wiederbeginn, als Kefkir und Harder ganz Thüringen schwindlig spielten und die RWE-Abwehr wie Bratwürstchen stehen ließen. Über links preschte „Ossi“ Kefkir vor und spielte einen nicht mehr zu überbietenden Schnittstellenpass auf Harder, der ohne Ballannahme das Leder direkt per Flachschuss in die lange Ecke verwandelte. Dem Erfinder des Konterfußballs dürfte dabei eine Träne über die Wange gelaufen sein. Wenn er denn noch leben sollte...
Fast hätte sich kurz darauf Kefkir auch mit einem eigenem Treffer belohnt, allerdings ging sein Freistoß von den Händen Klewins an den Pfosten (55.). Zu diesem Zeitpunkt wäre ein 0:3 allerdings auch etwas übertrieben gewesen und hätte eher an ein gewisses WM-Halbfinale erinnert. Stattdessen nutzte der von den Sportfreunden Siegen nach Erfurt gewechselte Eichmeier eine Unachtsamkeit in der BVB-Defensive. Obwohl Zlatan Alomerovic ja besonders im 1:1 seine Stärken hat und nach Möhwalds Pass noch demonstrativ zur Einschüchterung in die Hände klatschte, blieb er chancenlos (73.). Nun war also noch einmal Zittern angesagt, auch weil der BVB seine Konteransätze unzureichend zu Ende spielte. Und bereits kurz vor dem Anschluss traf Czichos für Erfurt erneut nur den Pfosten.
Clever in jeder Lebenslage: Zlatan Alomerovic
Die beste Gelegenheit vergab Haris Bukva, der nach einem Stellungsfehler Nareys frei auf Alomerovic zulief (82.). Für seinen Lupferversuch wurde einstmals das Wort „erbarmungswürdig“ erfunden. Bei diesem Abschluss hätte „Alo“ auch eine Kappe zur Hilfe nehmen können, um den geschätzt 12 km/h schnellen Ball aufzunehmen. Folgerichtig wurde Bukva nach dieser Aktion denn auch vom Spielfeld genommen. Die letzten dreizehn Minuten brachte das junge BVB-Team schließlich ohne weitere Gefahr und mit erstaunlicher Cleverness sowie taktischen Sperenzchen über die Zeit. Bestes Beispiel: Alomerovic ließ sich bei einem Abstoß so viel Zeit, dass Schiri Gerach pfiff und genau in diesem Pfiff drosch Zlatan das Leder nach vorne. Die Gelbe Karte nahm der junge Serbe wohl gerne in Kauf, denn wenige Momente später war endlich Feierabend.
Man kann durchaus von Bonuspunkten sprechen, denn ein Auswärtssieg in Erfurt zum Auftakt wird beim BVB sicherlich nicht auf der Agenda gestanden haben. Nun ist es jedoch wichtig, genauso fokussiert in das kommende Heimspiel gegen die „Störche“ von Holstein Kiel zu gehen. Denn gerade weil der nächste Gegner in der letzten Saison ebenfalls lange um den Klassenerhalt kämpfen musste, erfährt dieses Duell eine gewisse Brisanz. Um 14 Uhr heißt uns die städtische (!) Rote Erde nächsten Samstag zum Anstoß willkommen.
Stimmen zum Spiel
Joseph-Claude Gyau: Ich bin deshalb nach Dortmund gewechselt, weil David Wagner mich seit langer Zeit und schon aus Hoffenheim kennt. Dann kamen noch einige andere Kleinigkeiten dazu, die für diesen Wechsel sprachen. Und ich glaube, dass es die richtige Entscheidung war, da der BVB ein großer Verein ist.
Sebastian Tyrala: Kurz vor und kurz nach der Halbzeit waren die Treffer natürlich die Todesstöße. Wir haben noch einmal alles versucht. Nach dem 2:1 hatten wir noch ein Riesending, wo er lupfen will. Da fehlte am Ende vielleicht die Konsequenz. Der BVB ist eine junge Mannschaft, die können 90 Minuten marschieren, aber am Ende ging auch denen die Luft aus. Das hat man gesehen. Also, die sind großes Risiko damit gegangen, aber die wurden dann belohnt. Trotzdem haben wir es die ersten Minuten gut gemacht und ich glaube, dadurch dass kein Tor fällt, wurden wir dann auch etwas nervös und dann kam Dortmund auch ein bisschen durch ihre spielerische Qualität. Man hat gesehen, die können Fußball spielen, aber wir haben auch einfach versäumt, das Tor zu machen. Ich glaube, mit einem Tor wäre alles einfacher gewesen.
David Wagner: Bevor ich was zum Spiel sage, eine Sache: Wer meint, dass zweite Mannschaften aufgrund mangelnder Fan-Unterstützung in dieser Liga nicht zu suchen hätten, sollte sich zukünftig mal Spiele vom BVB II angucken. Heute war die Unterstützung wieder außergewöhnlich, aber nicht einzigartig. Denn wir werden öfters so unterstützt. Auch auswärts. Die, die also so etwas sagen, sollten den Mund halten. Wir bringen auch Geld für die Heimvereine und zudem wollen wir es auch sportlich erneut packen. Zum Spiel: Wir sollten die Kirche im Dorf lassen, denn Erfurt hatte zu Beginn zwei gute Chancen. Danach war es ein gutes Auswärtsspiel von uns und wir gehen verdient 2:0 in Führung. Danach setzen wir leider nicht mehr den entscheidenden Konter. Alles in allem sind wir glücklich über diese drei Punkte.
Walter Kogler (Trainer RW Erfurt): Natürlich ist das sehr enttäuschend für uns. Es ist immer schwer gegen zweite Mannschaften und der BVB II hat sicherlich seine Berechtigung in dieser Liga. Das hat man heute gesehen. Wir haben es versäumt, in Führung zu gehen. Danach war es ausgeglichen, doch geht der BVB mit 2:0 in Führung. Man hat der Mannschaft dann angesehen, dass sie daran zu knabbern hatte. Dazu kam der Druck eines Auftaktspiels. Wir haben dann versucht, das Spiel zu drehen und durch den Anschlusstreffer wurde die Mannschaft auch wieder lebendig. Dass wir die Wende nicht geschafft haben, ist bitter, doch war es das erste Saisonspiel und wir wollen es gegen Hansa Rostock wieder besser machen.
Daten zum Spiel
RW Erfurt (4-4-2): Klewin – Judt, Laurito, Kleineheismann, Czichos – Kadric (55. Menz), Tyrala, Möhwald, Bukva (82. Möhwald) – Nietfeld (55. Eichmeier), Falk
BVB II (4-2-3-1): Alomerovic – Narey, Hornschuh, Stankovic, Bandowski – Solga, Nyarko – Gyau, Jordanov (90. Zimmermann), Kefkir (85. Derstroff) – Harder (87. Väyrynen)
Tore: 0:1 Jordanov (43., Rechtsschuss, Vorarbeit Harder), 0:2 Harder (47., Rechtsschuss, Kefkir), 1:2 Eichmeier (73., Linksschuss, Möhwald)
Zuschauer: 6.481
SR: Gerach (Landau-Queichheim)
Chancen: 7:4
Ecken: 5:4
Gelbe Karten: Judt (51., Foulspiel) - Stankovic (58., taktisches Foulspiel), Jordanov (90., Schlappen drüber), Alomerovic (90. +4, Zeitspiel)
Malte D., 26.7.2014