Doppelschlag lässt BVB wieder zittern
„In Erfurt selbst werden die Rostbratwürste oft mit Kümmel gemacht. Deshalb schmecken sie nicht so gut wie das Original im Rest Thüringens.“ Diese Einschätzung einer thüringischen Landdame dürfte erklären, warum viele BVB-Fans im Gästeblock ihre Würstchen nach nur wenigen Bissen enttäuscht entsorgten. Und auch sportlich war bei der 1:3-Niederlage bei RW Erfurt nichts zu holen, sodass es in den letzten drei Saisonspielen für unsere Amas tatsächlich noch einmal – Achtung! – um die Wurst geht.
Nachdem es am letzten Sonntag gegen den Retortenverein aus Leipzig am Ende nur zu einem 3:3 reichte, war am gestrigen Gründonnerstag erneut ein ostdeutscher Vertreter Gegner unserer Amateure. Für etwa 400 BVB-Fans ging es ins altehrwürdige Steigerwaldstadion, was völlig berechtigt von Stadionnostalgikern gehypt wird. Fantastische Flutlichtmasten boten ein Bild, wogegen die typischen Hellmich-Zweckbauten nie ankommen werden. Schade, dass inzwischen auch in Erfurt Neubaupläne in die konkrete Realisierung zu führen scheinen. Beim Ortseingang in Erfurt wurde übrigens die Agentur für Arbeit früher und prominenter ausgeschildert als dieses wunderbare Schmuckkästchen. Ist man in Thüringens Landeshauptstadt etwa nicht so verklärt wie der Besucher aus dem Westen?
Wie schon angedeutet, war im Gästeblock die Enttäuschung groß, dass die angeblich so tolle Thüringer Rostbratwurst schlechter schmeckte als bei jedem Kreisligisten und man für einen Becher Bier Wartezeiten von bis zu 30 Minuten in Kauf nehmen musste. Zudem war der Block etwas weit weg vom Schuss, was natürlich auch an der noch existierenden Laufbahn liegt. So konnte der Support der mit einer Busladung angereisten UvdA nicht wirklich im Rest des Stadions verfolgt und gewürdigt werden. Ansonsten sei noch zu sagen, dass an dieser Stelle ja gern gegen andere Regionen und Gegner gepöbelt wird, doch der Thüringer an sich uns gegenüber sehr nett war. Ordner, Journalisten und selbst Polizisten waren überwiegend freundlich. Vielleicht liegt das ja an der netten Kollegin des RWE-Livetickers, die erst einmal klarmachen musste: „Wir sind hier in Thüringen. Das ist nicht Ostdeutschland.“
Harder nur auf der Bank
Fernab dieser privaten Erlebnisse widmen wir uns nun dem Sport und durften feststellen, dass der Doppeltorschütze der letzten Partie, Tammo Harder, nur auf der Bank Platz nehmen durfte. Für ihn spielte erstmals der Finne Väyrynen von Beginn an. Er sollte leider nicht überzeugen und eine schwache Partie abliefern. Außer Ducksch und Sarr gab es sonst keine Unterstützung von Spielern, die bereits Profi-Luft geschnuppert haben. Der Gastgeber aus Erfurt machte uns eiskalt mit 3:0 im Hinspiel platt. Ihre interessantesten Spieler sind sicherlich Niklas Kreuzer (der Sohn des HSV-Sportchefs) und Ex-Nationalspieler Marco Engelhardt.
Für faule Journalisten war die erste Halbzeit ein wahrer Segen, gab es doch kaum was zu berichten. Zwar hatte RWE-Keeper Klewin mit Duckschs Versuch so seine Mühe (8.), doch war ansonsten offensiv nichts von den Jungs von Trainer Wagner zu sehen. Wieder schien die Taktik zu sein, möglichst mit einem 0:0 zumindest einen Punkt in die Bierhauptstadt zu entführen. So etwas klappte jedoch noch nie im Fußball. Die Erfurter kamen vorne ebenfalls zu keinen zwingenden Aktionen, sodass das äußerst kritische Publikum neben dem Schiedsrichter zunehmend auch die eigenen Akteure ins Visier ihrer Unmutsäußerungen nahm.
Nach den schwachen ersten 45 Minuten stand zumindest ein Borussen-Abgesandter in der Halbzeitpause im Mittelpunkt. Der Geschäftsführer der Stiftung „leuchte auf“, Marco Rühmann, überreichte dem engagierten Erfurter Verein „Sportikus“ einen Scheck in Höhe von 4.800 Euro für seine Arbeit. Den Kontakt stellte im Übrigen der Amas-Torwarttrainer und ehemalige Erfurter Matthias Kleinsteiber her. Auch RWE-Pressesprecher Wilfried Mohren lobte nach dem Spiel diese Spende außerordentlich. Bleibt nur zu hoffen, dass nicht er das Geld an den Verein weiterleiten muss...
BVB-Abwehr steht Spalier
Die zweite Hälfte zeitigte dann endlich auch mal spannende Torszenen. Leider jedoch auf der falschen Seite des Spielfeldes. Nachdem Alomerovic kurz nach Wiederbeginn noch spektakulär gegen den starken Drazan, der bereits in der ersten Hälfte im Eins-gegen-eins am jungen Serben scheiterte, retten konnte, passierte es wenige Zeigerumdrehungen später: Mit einem Doppelschlag innerhalb einer Minute schossen Engelhardt und der Ex-Freiburger Brandstetter die Hausherren in Front. Bei beiden Toren stand die viel zu passive Dortmunder Abwehr merkwürdig Pate und servierte den Schützen die Tore fast schon auf dem Silbertablett. Bei beiden Gegentreffern war Alomerovic vollkommen machtlos. Es war abzusehen, dass sich solch eine scheue und verwaltende Spielweise bei so einem Kontrahenten wie „Angstgegner“ Erfurt nicht auszahlen würde. Schade, dass das Trainerteam das anders sah.
Zumindest drehte der BVB jetzt gezwungenermaßen auch offensiv etwas auf und hatte durch Ducksch etwa zehn Minuten nach dem 0:2 die große Chance, die ganze Sachlage wieder etwas spannender zu gestalten. Doch wieder behielt Eigengewächs Klewin gegen den völlig freistehenden BVB-Nachwuchsstürmer aus Nahdistanz die Oberhand. So kam es, wie es kommen musste: Mit dem ersten sauber zu Ende gespielten Konter erhöhte Ex-Scheissbulle Kammlott, der ob dieser Vergangenheit von einigen RWE-Fans immer noch massiv angefeindet wird, nach Möhwald-Vorlage auf 3:0 (83.). Fast im direkten Gegenzug sorgte Thiele mit dem 1:3-Ehrentreffer zumindest für das schönste Tor des Tages. Sein Schlenzer aus etwa zwanzig Metern war etwas für Ästheten und Verfechter des schönen Spiels.
Leider gibt aber es beim Fußball keine B-Note, sondern nur Punkte. Oder halt auch nicht. Mit dieser Ouvertüre zum 35. Spieltag versäumte es jedenfalls die zweite Mannschaft unserer Borussia, die hinter ihr platzierten Teams in Zugzwang zu bringen. Mit Stuttgart II gegen Unterhaching nehmen sich zum Glück zwei direkte Kontrahenten am Wochenende die Punkte gegenseitig weg, während Elversberg zu Hause gegen die Übermannschaft Heidenheim, die allerdings nur noch um die Ehre zu spielen hat, antreten muss. Schon unser Heimspiel nächste Woche Freitag gegen Wehen-Wiesbaden, das ebenfalls nur noch um die goldene Ananas spielt, wird zeigen, ob sich Abstiegsendspiele in Kiel am vorletzten oder gegen Elversberg am letzten Spieltag vermeiden lassen können.
Stimmen der Trainer
David Wagner (BVB II): Die ersten zehn Minuten waren wir gut im Spiel. Insgesamt war die erste Hälfte aber sehr zerfahren und ohne Torchancen. In der zweiten Hälfte hat sich etwas ähnliches angedeutet, doch geben wir die Tore zu leicht her. Beim ersten Gegentreffer mit einem Stellungsfehler und beim zweiten Tor haben wir den Ball dreimal sicher, aber sind dann zu leichtfertig. Die Reaktion meiner Mannschaft dann war aber klasse. Wir machten dann dreißig Minuten lang ein gutes Spiel und haben dominiert. Dann hatten wir auch Torchancen, aber der Anschluss kam natürlich viel zu spät. Und in so einer Phase kannst du Konter kaum verhindern. Aufgrund der ersten 60 Minuten geht das Ergebnis in Ordnung und wir wollen nun versuchen, in den letzten drei Spielen entsprechend zu punkten.
Walter Kogler (RW Erfurt): Für uns war es nach der Niederlage in Chemnitz wichtig, dass wir eine Reaktion zeigen. Das haben wir gemacht und der Schlüssel war, dass wir aggressiv gegen den Ball gespielt haben und so den BVB unter Druck setzen konnten. Phasenweise hat das gut geklappt und wenn es nicht klappte, hat der BVB sofort Druck machen können und wurde umgehend gefährtlich. Wir wollten diese drei Punkte unbedingt. Das ist uns geglückt und deshalb können wir auch zufrieden sein.
Daten zum Spiel
RW Erfurt (4-4-2): Klewin – Kreuzer, Kleineheismann, Czichos, Odak – Strangl (63. Wiegel), Engelhardt, Möhwald, Drazan – Kammlott (85. Göbel), Brandstetter (57. Nietfeld)
BVB II (4-2-2-2): Alomerovic – Hornschuh, Meißner, Sarr, Dudziak (76. Bajner) – Nyarko, Treude (57. Harder) – Thiele, Jordanov – Väyrynen, Ducksch
Tore: 1:0 Engelhardt (50.), 2:0 Brandstetter (51.), 3:0 Kammlott (83., Vorarbeit Möhwald), 3:1 Thiele (85., Ducksch)
SR: Gerach (Landau-Queichheim)
Zuschauer: 5.404
Chancen: 7:5
Ecken: 4:3
Gelbe Karten: Väyrynen, Treude
Malte D., 18.4.2014