Leidenszeit beendet. Punkt gesichert.
Um 19.42 Uhr reckte Timmy Thiele nur den Zeigefinger in die Höhe. Sein äußerst verhaltener Jubel nach einem kuriosen Ausgleichstreffer kurz vor Schluss war aber auch kein Wunder. Ganze acht Monate lang musste der Ex-Aachener auf diesen Moment nach seinem schweren Kreuzbandriss warten. Aber manchmal ist der Fußballgott ein sehr gerechtes Wesen.
Um Punkt 18 Uhr hielten die UvdA schalähnliche Pappen in die Luft, wo auf der einen Seite unsere Vereinsfarben zu sehen waren, während auf der anderen mit „Polizia Merda“ deutliche Ansagen in Richtung der Staatsmacht erfolgten. Zudem wurde mit zwei Bannern „Freie Sicht für Stadionverbotler“ (die Sichtblenden in der Nord-Ost-Ecke existieren weiterhin) gefordert beziehungsweise „Gegen Stadtverbote“ demonstriert. Vor dem Spiel gab es übrigens einige Irritationen über die Anstoßzeit, waren doch in einigen Medien mit 19 Uhr falsche Angaben zu finden. Für die Gästefans der Stuttgarter Kickers war es wohl egal, ob eine Stunde früher oder später angepfiffen wurde. Nur etwa 70, 80 Fans fanden den Weg aus dem Ländle. Wie sinnlos die sonst viel zu oft vorkommenden Parallelansetzungen sind, zeigte sich während des Spiels durchgängig, war die Unterstützung der sehr zahlreich vertretenen BVB-Fans doch einmal mehr bemerkenswert. Es gibt allerdings wohl auch nichts Schöneres, als mit einer Partie in der Roten Erde am Freitagabend das Wochenende einleiten zu können. Oder wie es der wohl größte Philosoph unserer Zeit ausdrücken würde: „Saufen! Geil! Wochenende! Saufen!“
Personell musste BVB-Trainer Wagner auf Torjäger Marvin Ducksch verzichten. Ansonsten waren keine großen Überraschungen zu verzeichnen. Auch auf Profi-Leihgaben musste verzichtet werden, was aber normal ist, wenn die Amateure am Wochenende vor den Profis zocken. Bei den Gästen aus dem Degerloch könnte höchstens Innenverteidiger Marc Stein dem gemeinen Fußballinteressierten bekannt gewesen sein. Da stellte Co-Trainer Sreto Ristic schon die größte Prominenz dar. Die Anfangsphase war ein typisches Amas-Heimspiel, wo sich erst einmal im Sinne Dr. Sommers abgetastet wurde. Weder Schwangerschaften noch Torerfolge konnten verzeichnet werden, da Alomerovic bei zwei Stuttgarter Distanzschüssen auf dem Posten war. Das Abtasten erstreckte sich jedoch schon bald auf die gesamte Halbzeit. Der BVB war viel zu inkonsequent und umständlich in der Offensive (Ausnahme: Kefkirs neben das Tor gegangener Schuss, 42.), während die Stukis weiterhin nur mit Distanzschüssen so etwas wie latente Gefahr heraufbeschwören konnten. Aufgrund der mangelnden Ereignisse auf dem Rasen blieb Zeit für einen kurzen Spielercheck: Der zuletzt oft gescholtene Marian Sarr machte eine gute Partie, wenngleich er bei zwei Ausrutschern großes Glück hatte, dass die Stuttgarter Angreifer daraus keinen Nutzen ziehen konnten. In der Sturmspitze enttäuschte Bajner einmal mehr und zeigte somit erneut, dass Ducksch inzwischen fast zwei Klassen besser spielt und der BVB II ohne ihn gerade in der Offensive viel zu harmlos agiert.
Distanzschüsse als probates Mittel
Doch eben dieser Bajner hatte kurz nach Wiederbeginn die große Chance zur Führung, als er eine Flanke Jordanovs aus acht Metern recht freistehend über das Tor setzte. Im Gegenzug hielt Alomerovic einen Volleyschuss ganz prächtig gegen einen Stuki, der sich also noch nicht in die Ahnenreihe eines Ex-Waldauers wie Jürgen Klinsmann einreihen durfte. Wieder im Gegenzug ging ein traumhafter Schuss aus 25 Metern halbrechter Position knapp neben das Lattenkreuz. Erneut war der nun etwas besser auftretende Bajner der Absender. In anderthalb Minuten war hier jetzt mehr los als in der gesamten ersten Hälfte. Und auch Gäste-Keeper Wagner musste endlich mal was tun für sein Geld. Einen Schuss von Solga konnte er mit etwas Mühe zur Ecke klären (52.). Nun setzte nämlich auch der BVB auf das taktische Mittel der Distanzschüsse. Doch auch Nyarkos Versuch aus etwa 22 Metern ging knapp neben das Gehäuse (54.).
Leider werden solche ausgeglichenen Partien bekanntermaßen oft über Kleinigkeiten entschieden. Das entscheidende Quäntchen lieferte diesmal Schiri Jablonski (übrigens der Sohn des Linienrichters, der anno '94 beim „Phantomtor“ Helmers die Fahne hob), der an der BVB-Strafraumgrenze einen zweifelhaften Pfiff nach Halten Solgas fabrizierte. Ein gefundenen Fressen für den Stuttgarter Mannschaftskapitän Marchese, der den Ball über die Mauer zirkelte und dem wie zur Salzsäule erstarrten Serben Alomerovic keine Chance zur Abwehrmöglichkeit lassen sollte (70.). Bitter! Der BVB warf in der Folgezeit alles nach vorne und brachte unter anderem den nach Kreuzbandriss wieder einsatzfähigen Thiele für Linksverteidiger Dudziak. Das öffnete natürlich Räume, die von Edwini-Bonsu mit einer herrlichen Einzelaktion in der 82. Minute ausgenutzt wurden. Zum Glück war in der Mitte Calamita nicht in der Lage, aus drei Metern das leere Tor zu treffen.
Stukis-Torwart reif fürs Kabarett
Und glücklicherweise rächt sich so ein Unvermögen im professionellen Fußball, wo wir bei der anderen „Kleinigkeit“ des Spiels wären. Denn nur zwei Zeigerumdrehungen später war Gästetorwart Wagner wohl schon bei der Einleitung des nächsten Konters, als er einen abgefälschten Schuss Harders nicht zur Ecke gehen lassen wollte. Sein Versuch, diesen Eckstoß zu verhindern, ging total in die Hose. Denn anstatt ihn sicher zu fangen, bugsierte er das Leder vor die Füße Thieles, der im zweiten Versuch mit letzter Kraft den Ball über die Linie drückte. Der inflationär gebrauchte Begriff „ausgerechnet“ war wohl noch nie so angebracht wie bei dieser Aktion. Man sah selbst von den weit entfernten Plätzen, wie gerührt Thiele selbst von diesem Erlebnis war.
Mit viel Glück konnten unsere BVB-Amateure also heute noch einen Punkt einfahren und setzen Schritt für Schritt ihren Weg zum anvisierten Klassenerhalt fort. Die nächste Chance, einen weiteren Sprung Richtung Drittligasaison 2014/2015 zu machen, erhalten die Nachwuchsspieler des glorreichen Ballspielvereins dann am Mittwochabend beim schweren Auswärtsspiel in Halle an der Saale. Anstoß in Sachsen-Anhalt ist dann um 18.30 Uhr. Übrigens: Die beiden letzten zu terminierenden Spiele dieser Saison werden glücklicherweise NICHT parallel zu den Profis ausgetragen. Die Amateure spielen am Gründonnerstag in Erfurt, während am Freitagabend vor dem Leverkusen-Samstagabendspiel der Profis gegen Wehen-Wiesbaden gespielt wird. Gut so!
Die Pressekonferenz zum Spiel
Die gesamte Pressekonferenz könnt ihr euch hier anhören:
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Stimme des Tages
Timmy Thiele (Matchwinner): Ich möchte mich bei allen bedanken, die mir beigestanden haben während meiner Verletzungspause. Acht Monate Leidenszeit sind endlich vorbei. Es ist natürlich ein Riesengefühl, wieder einmal zu treffen und dann auch noch den Ausgleich zu erzielen. Mein Vertrag läuft im Sommer aus und der Verein hat auch schon bereits mit mir gesprochen. Sie würden mich gerne halten.
Daten zum Spiel
BVB II (4-2-3-1): Alomerovic – Hornschuh, Meißner, Sarr, Dudziak (80. Thiele) – Nyarko, Solga – Jordanov (90. +1 Özbek), Kefkir (65. Derstroff), Harder – Bajner
Stuttgarter Kickers (4-4-2): Wagner – Gerster, Fennell, Stein, Baumgärtel – Leutenecker (65. Edwini-Bonsu), Braun, Marchese, Calamita (86. Raptis) – Soriano, Müller (70. Badiane)
Tore: 0:1 Marchese (69., direkter Freistoss), 1:1 Thiele (84., Abstauber)
SR: Jablonski (Bremen)
Zuschauer: 1.658
Chancen: 4:3
Ecken: 2:7
Gelbe Karten: Sarr (88., Foulspiel) - Fennell (44., Foulspiel), Marchese (58., Foulspiel)
Malte D., 21.3.2014