Nie wieder! - Erinnerungstag im deutschen Fußball
10 Jahre „!Nie wieder“. Unter diesem Motto machte sich am 10. Januar eine Dortmunder Reisegruppe in Richtung Frankfurt auf. Unter der Leitung des Fanprojekts Dortmund in Verbindung mit der Fanabteilung und Mitarbeitern des BVB sollte uns eine tolle Reise bevorstehen. Das Ziel war das Landsportbundheim Hessen. Der Grund war der 10. Erinnerungstag im deutschen Fußball. Zu diesem hatten die Initiativen „!Nie wieder“, Macabi Deutschland und die evangelische Versöhnungskirche Dachau eingeladen. Es wurde ein Wochenende voll spannender Informationen, die jedoch häufig auch sehr schockierend waren.
Gegen Mittag ging es von Dortmund aus in die Stadt des Tabellenfünfzehnten. Angekommen am Sportgelände, in Sichtweite des Frankfurter Waldstadion, wurde zu allererst das Organisatorische geregelt. Bei einem Blick auf die Gästeliste fiel direkt der ungeliebte Gast aus dem Ruhrgebiet auf. Hiermit ist die Person Gerald Asamoah gemeint, welche zu den Rednern des Abends gehören sollte. Aber auch alt bekannte Personnen aus dem Sport waren vertreten, wie Willi Lemke (langjähriger Manger bei Werder Bremen). Nach einem sehr guten Essen, begaben wir uns dann auch schon in den VIP Saal des Frankfurter Stadions. Los ging es mit einer Vorstellung der Hip-Hop Gruppe „Microphone Mafia“ mit ihrer 94-Jährigen Frontsängerin Esther Bejerano. Wer sich nun fragt, was eine 94-Jährige bei solch einer Verantaltung macht, dem sei ihre Geschichte ans Herz gelegt. Esther Bejerano war nämlich, wie sie später selbst erzählte, im KZ Auschwitz. Sie konnte überleben, da sie aus einer musikalischen Familie stammte und früh schon das Klavierspielen erlernte. Nach ihrer Deportation wurde eine Akkordeonspielerin für den Lagerchor gesucht. Es gelang ihr die Proben zu überstehen. Das machte es ihr möglich, der unmenschlichen und tödlichen Arbeit zu entgehen. Fortan musste sie aber jedes Mal nach dem Ankommen eines neuen Deportationszuges ihre Lieder zur Begrüßung der Neuankömmlinge spielen. Es wurde auf perverse Art und Weise gute Miene zu bösem Spiel gemacht. Esther Bejerano beschrieb es als grauenhaft, die „Neuen“ auf solch eine Weise zu begrüßen. Stets mit dem Gedanken, dass die Leute ihren letzten Weg gehen werden. Dies aber nur am Rande, da auch andere Personen den Abend füllten. So lobte Willi Lemke beispielweise die positive Arbeit der Ultras, die sie in vielen Szenen antirassistisch und antidiskriminierend ausüben.
Samstag sollten dann die Workshops folgen. Im Vorfeld des Treffens konnte man aus neun verschiedenen Panels drei wählen, welche über den Tag verteilt das Thema Rassismus und Antisemitismus im Fußball uns näher bringen sollten. Begonnen hat mein Panel mit einem Vortrag von einem Fanforscher. Gerd Dembowski arbeitet für die Leibniz Universität in Hannover. Wirklich interessant, wie seine Meinung bezüglich der wachsenden rechten Szene ist. In Verbindung mit einem anderen Referenten konnte er erschreckende Bilder aus Deutschland offen legen und zeigen wie nah das Thema doch eigentlich ist. Unterstützend dazu war sogar ein Mitglied der Aachener Ultras dort, welches die beängstigenden Zustände in Aachen darstellte. Die Situation in der Stadt ist ja bekannt, aber als von Hausbesuchen in den frühen Morgenstunden und Überfällen auf dem Weg zur Uni berichtet wurde, reagierten alle geschockt. Die reale Darstellung sollte genug Stoff geben für eine lange Diskussion mit Vertretern des DFB. Anschließend folgte das zweite Panel, in meinem Fall zur rechten Szene in Polen. Dort sieht es noch drastischer aus. Ein Vertreter der polnischen antirassistischen Fanvereinigung zeigte uns Videos aus dem Nachbarland, wo ganze Choreographien geprägt sind von antisemitischen Aussagen. Viel schärfer als in Deutschland werden Juden in dem Land gehasst, welches unter der Naziherrschaft besonders schlimm gelitten hat. Der auf englisch gehaltene Vortrag bot die Grundlage für die Diskussion beim Essen. Der Austausch über den verbrachten Tag war sehr rege. Gerade der Aachner Ultra konnte auch die anderen überzeugen. Nach der Pause folgte das letzte Panel. Der Titel „Fanprojekte gegen Rassimus und Diskriminierung“ ließ auf einen hoffentlich spannenden Vortrag hoffen. Dies sollte sich allerdings nicht bestätigen, denn es stellte lediglich das Fanprojekt Halle vor, wie man im letzten Jahr mit einer Gruppe nach Israel gefahren ist. Die Urlaubsfotos hätte man sich auch sparen können. Dem ganzen wurde nur die Krone aufgesetzt von einer Teilnehmerin des Fanprojekt Mönchengladbach, die in der folgenden Debatte sich darüber beschwerte, dass Fahrten nach Auschwitz oder anderorts sehr schwierig nur zu realisieren seien. Der Grund für sie liege darin, dass ja jugendliche Fußballfans meist nicht von dem höchsten Bildungsweg seien. Anschließend konnte ich den Mitarbeitern unseres Fanprojekts nur meine tiefe Dankbarkeit darüber aussprechen, dass sie tagtäglich mit uns minderbemittelten jungen Fans ihre Arbeit betreiben. Echte Liebe!
Am letzten Tag sollte dann noch ein Höhepunkt folgen. Für eine abschließende Podiumsdiskussion waren Niersbach, Rauball und Marcel Reif eingeladen. Wer bei dem letzten Namen aufstöhnt, wie ich auch zuerst, der sollte sich getäuscht haben. Denn es war wirklich klasse, wie authentisch, offen und ehrlich Reif mit den Leuten sprach. Er hörte den Erlebnissen des Aachner Ultras gespannt zu. Anschließend fasste er zusammen, dass ihm die mögliche Insolvenz der Alemannia wieder sympatisch geworden ist. Die folgenden Redner waren dann schon etwas sparsamer mit ihren Aussagen. Es handelte sich um den DFB- sowie DFL-Präsidenten. Niersbach und Rauball haben fließend diplomatisch gesprochen und ihren Aussagen meist wenig Informationen beigefügt. So wurden auch Fragen aus dem Publikum nur oberflächlich beantwortet. Schade eigentlich, sollte man doch meinen bei so einer Veranstaltung, wenigstens ein paar Worte zu dem Thema hören zu dürfen. Gut war jedoch, dass ein Brief der Ultras aus Duisburg, Aachen und Braunschweig überreicht wurde. Dieser sollte deren Situationen erklären und Aufmerksamkeit für das Thema beim DFB bringen. Hoffentlich wird er auch gelesen.
Letztendlich war es die Abschlussveranstaltung und der Bulli rollte wieder zurück Richtung Dortmund. Das Wochenende in Frankfurt war wirklich spannend und hat auch neue Erkenntnis gebracht. Es hat aber vor allem eins gezeigt, dass die Thematik wieder auf der Agenda des DFB und der Vereine erscheinen muss. Viele machen sich keine Gedanken über die Gefahr, die von rechter Gewalt ausgeht und lehnen eine Auseinandersetzung mit dem Thema ab. Traurigerweise sollte es uns als Dortmundern doch sehr nahe sein. Wenn man sich nicht von Rassismus und Antisemitismus abgrenzt, läuft man Gefahr, dass die Fankurve rechten Extremen in die Hände fällt. Die aktuellen Beispiel aus Aachen und Braunschweig sollten da abschreckend genug sein. „Bleiben sie kritisch“, damit der Nationalsozialismus in Deutschland !Nie wieder aufblüht.
Einen Dank an dieser Stelle an das Fanprojekt Dortmund, das in Verbindung mit der Fanabteilung und Mitarbeitern des Vereins diese Kurzreise organisiert haben.
geschrieben von SK
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