Unsa Senf

Das Stürmchen im Sturm

18.02.2013, 10:26 Uhr von:  Redaktion

Zwei Planstellen bietet der Dortmunder Kader für die Position ganz vorne im Sturm. Das ist nicht gerade viel, wenn man bedenkt, dass andere international erfolgreiche Klubs oft drei oder vier Hochkaräter für die Rubrik „Tore machen" in der Mannschaft haben. Aber gerade diese beiden Kaderplätze bieten bei unserem BVB Stoff für intensive Diskussionen und Schlagzeilen. Der eine, Lewandowksi, ist so verdammt gut und wichtig, dass man ihn am liebsten halten möchte, der Spieler aber offenkundig seine Karriere anders plant, während man bei Julian Schieber nicht sicher ist, ob er die notwendige Qualität für eine Mannschaft mit höheren Ansprüchen mitbringt.

Zu Lewandowksi ist dabei eigentlich schon fast alles etliche Male gesagt worden, was dazu gesagt werden kann. Für das Dortmunder System ist er der nahezu perfekte Spieler, weil er Torjägerqualitäten und die nötige Robustheit für einen Prellspieler in sich vereint. Seine Anwesenheit auf dem Platz gibt den Dortmunder Angriffen eine ungeheure Variabilität. Man kann ihn steil schicken, den Doppelpasse mit ihm spielen, oder einfach darauf bauen, dass er hohe Bälle annimmt, abschirmt und weiterverteilt. Und man kann darauf vertrauen, dass er nicht all zu viele Chancen braucht, um seine Bude zu machen. Eine Entwicklung, die vor zweieinhalb Jahren nicht unbedingt abzusehen war, ihn aber zu einem der begehrtesten Stürmer Europas machte.

Dass er seine Fähigkeiten auch nächste Saison noch in Dortmund zeigt, daran glauben vermutlich nur noch die kühnsten Optimisten. Er hat im Fußballsprech zwar „noch Vertrag" bis 2014, das Ergebnis solcher monatelangen Verhandlungsrunden kennen wir aber mittlerweile schon zur Genüge von den Wechseln Nuri Sahins und Shinji Kagawa. Am Ende steht immer eine Pressekonferenz, in der der Spieler von großen Aufgaben bei seinem neuen Verein erzählt und sich bei seinen Dortmundern Mitspielern und den Fans für eine tolle Zeit bedankt. Nein, Lewandowski trägt nächste Saison mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit kein schwatzgelbes Trikot mehr. Und egal wie sehr der BVB in der Vergangenheit die Muskeln hat spielen lassen und verkündete, dass man ihn notfalls auch erst nach der nächsten Saison ablösefrei wird ziehen lassen, am Ende wird die Erkenntniss stehen, dass man eine Ablösesumme oberhalb der 20-Millionen-Euro-Grenze doch eigentlich ganz gut bei der Suche nach einem Nachfolger gebrauchen kann.

Wer am Samstag im Aktuellen Sportstudio beim Interview mit Jürgen Klopp ganz genau hingehört hat, dem ist vielleicht der Nebensatz aufgefallen, in dem er sagte, dass man auf diese Situation „vorbereitet ist". Vielleicht ohne Hintergedanken, aber der Sprachduktus ging über den Konjunktiv hinaus. Borussia hat den Markt bereits intensiv sondiert und wird sich schon, wie übrigens bei Sahin und Kagawa auch, eine passende Lösung überlegt haben. In diesem Fall ist ein Transfer vor diesem Sommer doppelt sinnvoll. Wenige Stürmer werden in das Anforderungsprofil passen und wenn aktuell die Verpflichtung eines Nachfolgers möglich ist, dann muss der BVB dieses Zeitfenster nutzen.

Wohin Lewandowksi wechseln wird, dazu haben sich schon so viele Insider, Zeitungen mit Quellen aus inneren Zirkeln, italienische Fernsehsender und Ex-Fußballer mit Faible für dunkelhaarige Schönheiten gemeldet, dass man nur noch die Augen verdreht, sobald man eine „Breaking News" liest. Der Vertrag ist wahlweise schon fix und unterschriftsreif, oder man weiß von nichts. Einer schreibt vom anderen so lange ab, bis sich eine Stelle findet, die von anderen Insidern weiß, das alles ganz anders ist. Je nach Lesart wird dabei Pep Guardiola einen in Geschenkpapier eingewickelten Lewandowski beim Amtsantritt vorfinden, oder der polnische Stürmer sucht schonmal Kochrezepte für Lammfleisch in Pfefferminzsoße. Hauptsache die Berichterstattungslücke zwischen zwei Spieltagen, oder auch nur in einer Halbzeitpause wird gefüllt.

Lasst uns doch in Ruhe mit diesem Schmarrn. Verkündet was zu verkünden ist, wenn es wirklich was zu verkünden gibt und überbietet Euch nicht mit reißerischen Spekulationen. Und wenn Lewandowksi wirklich nach München wechseln sollte, kann man sich als Fan dann immer noch aufregen. Wenn man mag.

Julian Schieber im Luftkampf am Samstag gegen FrankfurtGänzlich anders gelagert ist die Personalie Julian Schieber. In einer flauschig-kuscheligen Welt wäre das der Zeitpunkt, an dem man von einem tollen Spiel und einer genutzten Chance als Ersatz für den gesperrte Lewandwoski gegen Eintracht Frankfurt schreibt. Schade für Schieber, dass der Alltag manchmal eben grau und trist ist und so endete seine Partie bereits nach 30 Minuten mit zwei gelben Karten, die man für sich gesehen sogar geben kann, in der Summe als einzige Fouls und ohne weitere Vorwarnung aber doch sehr hart erscheinen.

So bleibt es vorerst bei gerade einmal 13 Bundesligaeinsätzen, von denen 9 weniger als 30 Minuten dauerten und nur einer über die vollen 90 Minuten ging. Zwei Tore im DFB-Pokal und Champions-League sind auch keine ideale Bewerbung für einen Platz in der Startformation.

Zu gute halten muss man Schieber zwei Dinge: Erstens, dass es sicherlich dankbarere Aufgaben gibt, als sich gegen vorher genannten Robert Lewandowksi durchzusetzen und zweitens, dass er nicht der einzige Spieler ist, der in seinere ersten Saison in Dortmund offensichtliche Probleme mit der Umstellung hat. Ivan Perisic ist nach eineinhalb Spielzeiten daran gescheitert und zum VfL Wolfsburg gewechselt, Ilkay Gündogan war ebenfalls fast komplett aus dem Blickfeld entschwunden, bevor er für viele unerwartet einen enormen Qualitätssprung in seinem Spiel machte.

Bitterer Abgang nach gerade mal einer halben StundeDennoch bleibt zu befürchten, dass sich der Wechsel von Stuttgart rein in eine Dortmunder Angriffsreihe auf technisch höchstem Niveau als eine Nummer zu groß erweist. Das Bemühen ist ihm dabei mit Sicherheit nicht abzusprechen, aber andererseits wird auch bei keinem seiner Einsätze wirklich deutlich, mit welchen Stärken er dem BVB-Spiel weiterhelfen soll. In der Balleroberung und -behauptung zu wenig durchsetzungsstark, um die Lewandowskirolle zu übernehmen und technisch nicht sauber genug, um in der hinteren Reihe mit Reus, Götze und Kuba mithalten zu können. Also, wohin mit ihm? Das Spiel von Julian Schieber, das den BVB-Fans mit Sicherheit am tiefsten im Gedächtnis ist, ist das 4:4 in der letzten Saison, in dem er zwei Tore beisteuerte. Dort glänzte er - allerdings als linker Angreifer hängend hinter einem Ibisevic. So sollte seine Verpflichtung der Borussia auch taktisch neue Variationsmöglichkeiten geben, in denen er im Bedarfsfall auch in einem Zweispitzensystem z.B. eine Ergänzung zu Marco Reus hätte sein können. Nur greift der BVB auf diese Variante so gut wie nie zurück. Läuft das Spiel unserer Borussia, dann besteht keinerlei Notwendigkeit, von der Spielweise mit Lewandowksi als einzige echte Spitze abzurücken. Eine Umstellung erfolgt in den allermeisten Fällen nur als Notnagel in den Schlussminuten, wenn man einen Rückstand noch ausgleichen muss und noch mehr Druck aufbauen will.

Szene aus der Vorsaison gegen Roman WeidenfellerDas sind nicht gerade glänzende Perspektiven für Schieber. Für das bevorzugte System nur zweite Wahl und somit ohne echte Spielpraxis und das geeignete System wird so selten gespielt, dass auch kaum nennenswerte Einsatzzeiten hinzukommen. Und wenn es einmal nicht läuft, dann kommt auch noch Pech in Form des Platzverweises hinzu. Ein Platzverweis, der für ihn noch eine andere Folge als nur ein Spiel Sperre haben könnte. In Unterzahl haben Reus, Kuba und vor allem Götze gezeigt, dass auch die spanische Variante ohne echten Stürmer mehr als machbar ist. Durch enorme Laufleistung und vor allem ganz feiner Technik wurde, mit Unterstützung aus dem defensiven Mittelfeld von Gündogan, Schiebers Fehlen nahezu vollständig kompensiert. Eine weitere Variante für Klopp, mit der er auf eine Abwenseheit von Lewandowksi reagieren kann.

Für Schieber und für Borussia wäre es wünschenswert, dass er noch irgendwie die Kurve kriegt und das „verflixte erste Jahr" unter Jürgen Klopp mit einem Reifeprozess beendet. Aktuell stehen die Zeichen jedoch eher, dass dieses Experiment zu keinem guten Ende führt.

Sascha, 18.02.2013

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