Eua Senf

Wie alles begann

06.01.2013, 14:20 Uhr von:  Gastautor

Es ist etwas, das man mittlerweile nur noch schwer in Worte fassen kann. Vielmehr drücken Taten und Emotionen genau dieses aus wofür man lebt, wofür man alles gibt und wofür man die meisten Gedanken jeden Tag "verschwendet" - egal ob im Guten oder im Schlechten. Zurecht fragen sich viele, wie es so weit kommen kann, wie sich so etwas entwickelt und einige bestimmt auch, wie man es so weit kommen lassen kann, aber jeder, der dieses Gefühl teilt, weiß wie richtig und gut es sich anfühlt.

In meinem Fall fängt alles bereits in jüngsten Jahren an (bin übrigens Jahrgang 1986). Aufgewachsen in einem fußballbegeistertem Haus, in dem nur meine Mutter aus der Reihe fiel, orientierte ich mich, zumindest was die Leidenschaft angeht, schnell an meinem Vater und Bruder. Auch dank den beiden wusste ich früh was Rivalität im Fußball bedeutet. Mein Vater als Fan von 1860 München, mein Bruder vom FC Bayern. Dazu sei gesagt, dass wir in der Nähe von Stuttgart wohnen und was meine „Fankarriere" anging wurde mir schon früh beigebracht, dass ich mich in jede Richtung entwickeln darf, nur der Club aus Cannstatt ist absolut tabu und gehört mindestens in die zweite Liga. Das war dann auch immer das einzige Thema bei dem wir drei uns einig waren und bis heute einig sind. Für mich sind die Cannstatter auf einer Ebene mit den Blauen, also können sich wohl die meisten vorstellen was da für Gefühle vorhanden sind.
Trotz allem gehörte mein Herz nicht von Anfang an dem Ballspielverein, als Kleinkind war ich Sympathisant des 1. FC Köln. Warum? Das weiß ich bis heute nicht sicher, auch meine Eltern konnten sich das nie erklären. Allerdings habe ich heute noch meine drei Wimpel von damals, zu mehr Fanartikeln hat es dann doch nie gereicht. Allerdings orientiert man sich als Kind ja doch des Öfteren an den erfolgreichen Mannschaften, wenn man niemand hat, der einen unbedingt in eine Richtung zieht. Nun wissen wir alle, dass Köln nicht allzu viele Erfolge Anfang der 90er hatte. Da auch 1860 München nur mittelmäßig toll war und ich im Fansein nie meinem Bruder nacheifern wollte, waren die beiden Münchner Clubs auch schon mal raus.

Zum Glück weiß ich aber noch, wie sich alles in die richtige, die schwarz-gelbe Richtung entwickelt hatte und Schuld daran ist der FC Bayern bzw. der Spieler Mazinho um genau zu sein.
Es war der 12.September 1992 und Borussia gewann im DFB-Pokal daheim gegen die Münchner aufgrund eines Pfostenschusses von eben jenem Mazinho im Elfmeterschießen. Das Spiel kam damals im Fernsehen und mein Bruder ärgerte sich dermaßen über das Ausscheiden (was mich in dem Alter noch mehr freute), dass ich mir dachte diese Dortmunder Mannschaft muss was haben und sie war mir auf Anhieb sympathisch.
Wie der Zufall so will spielten genau eine Woche später, also am 19.09.1992, der 1. FC Köln gegen den BVB in der Bundesliga und ich sagte mir selber, dass dies mein persönliches Endspiel ist was die Zukunft angeht. Was ich gemacht hätte, wenn das Spiel Unentschieden ausgegangen wäre, kann ich euch nicht mehr sagen. Ich danke Bodo Schmidt heute noch für sein Siegtor damals und auch die Tatsache, dass wiederum nur eine Woche später wir daheim gegen die Bayern in der Bundesliga verlieren sollten, brachte mich nicht vom rechten Weg ab. Dies waren meine ersten Erinnerungen an den BVB, bald darauf sollte auch das UEFA-Cup Endspiel gegen Juventus Turin dazugehören.
Heute kann ich sagen dass ich seit der Saison 1994/1995 unsere Borussia regelmäßig verfolge und das Interesse und die Emotionen dazu stetig gewachsen sind.

Mein erstes Spiel im Stadion mit BVB-Beteiligung war in der Saison 93/94 beim Auswärtsspiel in Karlsruhe. Nach schnellen drei Toren für uns glich Sergej Kirjakow noch von der Pause mit einem Hattrick aus. Das Spiel sollte auch 3:3 enden. Der erste Besuch im Westfalenstadion war 1999 beim Spiel gegen die Bayern als Oliver Kahn sich als Kung-Fu Akteur und Vampir probierte. Das ganze verfolgte ich von der Nordtribüne aus. Da man aber als junger Fan irgendwann natürlich auch mal in den Stehplatzbereich will, versuchte ich in der Folgezeit meine Eltern und Bruder davon zu überzeugen, dass ich weder zu klein noch zu jung dafür bin. Schließlich hab ich auch diese Hürde irgendwann überwunden und durfte beim Spiel Ende April 2000 gegen Stuttgart schließlich das erste Mal ohne Begleitung ins Stadion und natürlich auf die Stehplätze. Auch dieses Spiel war irgendwie ein Highlight und wohl auch sehr prägend in meiner Entwicklung. In der Saison ging es ja gegen den Abstieg und Heiko Herrlich köpfte uns in letzter Minute zum Sieg. Damals, so kann ich heute sagen, hab ich zum ersten Mal die vollen Emotionen erleben dürfen, die der Fußball in einer Masse auslösen kann. Dass dies ausgerechnet in Stuttgart passierte, ist wohl einfach mein Schicksal. Denn auch heute sind die Spiele gegen Stuttgart und die Blauen diejenigen, die mir den größten Puls verpassen, schon weit vor dem eigentliche Anpfiff.

Die kommenden Jahre sollte es meistens bei nur einem Stadionbesuch pro Saison bleiben, eben das Spiel beim VfB, wo leider nicht allzu oft was zu holen war. Dennoch hab ich so gut wie kein Spiel verpasst und alles entweder daheim oder in irgendwelchen Kneipen angeschaut. Und auch von da aus merkte ich seit dem Tag im April 2000, dass die Emotionen, Gefühle und Verbundenheit mit jedem Spiel zunehmen. In der Schule damals war ich klassischer Einzelgänger was den Fußball angeht, alle anderen waren eben für die Bayern oder zwecks der Nähe zu Stuttgart dem VfB verbunden. Es war nicht immer leicht sich dagegen zu „wehren", aber ich konnte und wollte niemals irgendwas ändern weil ich von Beginn an spürte, dass ich den richtigen Verein hab. Auch selber im Fußballverein gab es niemand der die Liebe zu schwarz-gelb teilte. Das alles hat aber auch den Vorteil das man relativ früh lernt sich durchzusetzen und seinen eigenen Weg zu gehen, unabhängig was das komplette damalige Umfeld einem sagt. Auf der anderen Seite hab ich eben auch in dieser Zeit schon irgendwo angefangen mich dem Fußball komplett zu verschreiben. Je mehr dumme Sprüche von Außen kamen, umso mehr hab ich alles intensiviert was mit Borussia zu tun hat. Eben weil ich da schon spürte, wie viel einem das alles geben kann und ich hätte damals nie gedacht wie weit sich das all das die nächsten Jahre noch steigern kann.

Auf der Realschule lernte ich dann meinen ersten Verbündeten kennen, der mir/uns glücklicherweise heute noch so oft wie möglich ins Stadion folgt. Zur gleichen Zeit stand auch meine erste Begegnung mit der Süd bevor. Meine Mutter konnte sich durchringen, mit mir nach Dortmund zu fahren, allerdings nicht ins Stadion zu gehen. So konnte ich in der Saison 02/03 gegen Hansa Rostock zum ersten Mal dahin, wo eigentlich jeder einmal hin will. Für mich war es damals Block 11 und ein absolutes Highlight, ganz im Gegensatz zum Spiel, das wir aber immerhin durch Tore von Dede und Madouni 2:0 gewinnen konnten.
Um diesen Zeitraum herum erhöhten sich auch meine Stadionbesuche. Mit meinem damals noch einzigen Mitstreiter bereisten wir neben dem obligatorischen Spiel in Stuttgart auch die naheliegenden Stadien wie Nürnberg, Freiburg, Kaiserslautern oder München. Auch das ein oder andere Heimspiel war zu der Zeit finanziell dann mal drin. In dieser Zeit, die sportlich ja alles andere als erfolgreich war, begann ich mit jedem Stadionbesuch, mit jedem Tor immer deutlicher zu kapieren und zu fühlen wie viel mir das bedeutet und wie viele Gefühle mit Borussia verbunden sind. Man fängt an, sich im alltäglichen Leben immer mehr Gedanken zu machen, man nimmt vieles anders und intensiver war und die Vorfreude auf das nächste Spiel steigerte sich von jedes Mal aufs Neue. Das wohl stärkste Gefühl aber war jenes der Zusammengehörigkeit. Ich merkte erstmals, dass es da Tausende andere gibt, die genauso denken und fühlen wie ich. In einigen losen Gesprächen auf der Fahrt zum Stadion oder im Block dann selber, fing ich bzw. fingen wir an zu verstehen, dass wir alles andere als allein sind mit unserer Einstellung zu Borussia, mit all dem was dieser Verein bedeutet und das er das alltägliche Leben ganz entscheidend bestimmt. Gerade in Zeiten wo es nicht so läuft kommt dieses natürlich noch mehr zum Tragen und für mich war es irgendwo Glück, dass ich in dieser Zeit im Stadion langsam erwachsen wurde und lernte Borussia so zu lieben wie es bis heute anhält und sich auch nicht mehr ändern wird.
Was ein einzelnes Tor, ein einzelner Sieg einem alles geben kann, ist kaum in Worte zu fassen. Ich begann zu verstehen das diese 90 Minuten eine Art Ventil sind um all den Ärger den es unter der Woche gibt mal Luft zu machen, einfach abzuschalten und mit so vielen anderen Verrückten etwas zu teilen das man nur verstehen kann wenn man es selber lebt und liebt.
An dieser Stelle könnte ich wohl ewig weiter schreiben, aber ich denke ihr alle wisst nur allzu gut was ich meine und was ich ausdrücken will. Gerade eben das macht Borussia für mich einfach nur einmalig.

Mit all diesen Erfahrungen wurde alles rund um Borussia immer noch mehr intensiviert und wir lernten durch die mehreren Fahrten auch neue Personen kennen, die sich uns anschlossen, da wir alle relativ nahe zusammen wohnen, uns aber erst durch den Fußball wirklich kennen gelernt haben. Dies war ein weiterer, vielleicht mit der wichtigste Punkt um zu verstehen was Fußball bedeuten kann. Stand jetzt kann ich sagen, dass ich allein durch den Fußball und eben Borussia viele tolle Personen kennen gelernt hab, wovon ich wenige nicht als wirklich gute Freunde heute sehe. Gerade weil ich mir sicher bin, dass wir uns ohne den BVB niemals über den Weg gelaufen wären, macht es das Ganze für mich noch wertvoller und irgendwo auch stolz auf all das bisher erreichte. Dazu aber später mehr.

Um 2005 hörten wir dann das erste Mal von der Fanabteilung-Süd und organisierten Busfahrten zu den Heimspielen. Von da an sollten diese Fahrten zum festen Bestandteil von uns werden und wir lernten viele weitere Personen dadurch kennen. Zum damaligen Zeitpunkt waren wir meistens noch zu dritt unterwegs und auch weiter entfernte Ziele wie Hamburg oder Hannover wurden erstmals angesteuert. Herauszuheben damals ist sicher die Fahrt nach Udine, die für uns alle das erste Spiel auf ausländischem Boden war und die ich nie vergessen werde. Kurz nach dem Spiel konnte ich mich dann auch zu meinem ersten und bisher leider einzigen Tattoo durchringen was den BVB beinhaltet.

Ab der Saison 2009/2010 wuchs unsere Gruppe kontinuierlich an. Man könnte nun meinen, das liegt nur am Erfolg der sich in dieser Zeit eingestellt hat, aber wir alle wissen das dies nicht so ist.
Seit dieser Saison habe ich auch meine Dauerkarte in Block 13 und im Nachhinein kann man wohl kaum sagen wie viel Glück ich hatte, dass ich diese bereits beim ersten Versuch bekommen habe. Ich kenne leider auch Personen, die stehen seit Jahren auf der Warteliste. In dieser Zeit begann der Anfang unserer Gruppe wie sie heute ist. Es gab immer wieder neue und spannende Herausforderungen die wir aber alle gern gemeistert haben. Aus einzelnen Spielen wurden ganze Wochenende, weil man schnell merkte, dass man sich nicht nur beim Thema Fußball einig ist. Dies ist für mich das eigentlich großartige was Borussia alles schaffen kann und wie viel Freude und auch Leid man mit Menschen teilen kann, die genauso positiv verrückt sind. Irgendwann hatte man die Gewissheit, dass aus ein paar losen Bekanntschaften vom Fußballfans ein Haufen genialer Jungs geworden ist. Ich hätte nie für möglich gehalten, dass Fußball so etwas Tolles schaffen kann, das ich Teil von so etwas werden darf und auch in Zukunft mitgestalten kann und will.

Über die letzten Jahre möchte ich sportlich nicht so viele Worte verlieren, wir hatten das große Glück, in kurzer Zeit so viele Highlights zu erleben wie es vielleicht nie wieder passieren wird. Meine persönlichen Höhepunkte der letzten Jahre waren, neben jedem Titel und spektakulären Spiel, einfach nur die Auswärtsfahrten im Europapokal. Ich hatte das Glück in Paris, Sevilla, Marseille und London dabei sein zu können. Das alles waren Erfahrungen die ich nicht missen möchte und auf die man ungern in nächster Zeit verzichten will. Selbst wenn wieder schlechtere Zeiten kommen, so kann uns niemand diese Erinnerungen nehmen und diese Zeit in der wir einfach nur atemberaubenden Fußball gespielt haben, aktuell immer noch spielen und hoffentlich noch eine ganze Weile spielen werden.

Ich denke jeder von euch hat seine eigene, spannende Geschichte wie die Liebe zu Borussia entstanden ist. Meine ist wohl weder aufregender noch origineller wie die meisten anderen, es ist einfach meine und was am wichtigsten ist, mittlerweile ist es unsere. Denn unsere Gruppe ist ca. 15 Mann und Frau stark und es macht mich gleichzeitig stolz und froh, dass alles seinen Weg genommen hat wie es jetzt ist. Diese Entwicklung und Borussia sind nicht nur Teil meines Lebens, es ist mein Leben. Und ich freue mich jetzt schon auf jedes Spiel das da noch kommen mag und ich mit voller Leidenschaft verfolgen kann, egal ob im Stadion oder am TV. Auch die ganzen Entwicklungen im Umfeld des Fußballs werden daran nichts verändern können.

Denn besser wie in unserem Vereinslied kann man es nicht beschrieben – „...Borussia Dortmund wird nie untergehen!" Und damit auch nicht die Liebe all der Menschen die das Glück haben dies alles miteinander zu teilen.

geschrieben von Timo

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