BlaBlaBla
Unglaublich, wie viel Lebensqualität einem Fußballfan verloren geht, wenn er zu der ungewohnten Zeit samstags um 15:30Uhr zum Stadion pilgert. Vermutlich würde zu dieser Zeit aus Bremen kein einziger Fan zum Auswärtsspiel im Westfalenstadion anwesend sein, wenn die vielen abwechslungsreichen Baustellen auf der Autobahn nicht eine Menge Spaß und Staus garantieren würden.
Unglaublich, was man sich einfallen lässt, um von seinen Nachbarn nicht müde belächelt zu werden, wenn man sich auf den Weg an einem Samstagnachmittag zum Stadion macht. Das schlechte Gewissen hat einen schnell eingeholt, wenn man den Nachbarn seinen Rasen pflegen sieht. Auf die Frage des Nachbarn, ob man zum Fußball geht, fällt es einem schwer ein klares „Ja“ zu entgegnen. Ein „Ne, ich geh auf eine Geburtstagsfete“ kann man sich noch so gerade in den Bart nuscheln. Das es der 23. Geburtstag von Shinji Kagawa ist und im Westfalenstadion gefeiert wird, kann der Nachbar sich schließlich selbst zusammenreimen. Die entsetzten Blicke des Nachbarn beim Anblick des ungewaschenen Autos versucht man zu ignorieren- wofür gibt es schließlich Waschstraßen.Den groben Dreck wird der aus dem Fenster hängende Schal schon wegwischen.
Eine der wichtigsten Fragen auf dem Weg zum Stadion, ist die Frage nach dem „Was essen wir heute?“. Pizza?!- Ne, Pizarro spielt heut nicht! Das Gespräch im Auto wird auf Nebensächlichkeiten gelenkt: Das Wetter.
„Herrliches Wetter heute! Sonnig und windstill!“ – „Ja, aus Bremen kommt auch nur ein leises Lüftchen. Ich glaube, die haben überhaupt keinen Stürmer mehr in ihrem Kader! Hunt, Arnautovic und Marin fehlen auch verletzt. Lediglich Rosenberg ist der einzig übriggebliebene Angreifer. Wer kennt schon Füllkrug?!“ Als das Gespräch Gefahr läuft, in ein belangloses BlaBla überzugehen klingelt das Handy: „Ne, tut mir leid, heute habe ich keine Zeit… du weißt doch, ich bin auf dem Geburtstag von Kagawa….Ne, den kennst du nicht!“
Nachdem die ausführliche Telefonkommunikation beendet ist, ergreift der Beifahrer sofort die Gelegenheit, um sein Insiderwissen zum Besten zu geben. „Und in der Defensive der Bremer ist auch Ebbe. Neben Naldo und Hartherz fehlt auch Borowski.“ „Oh, wirklich“ antworte ich ohne das es mich wirklich interessieren würde. „Was essen wir denn heute?“ Die folgende Antwort, „keine Ahnung“, hätte ich mir auch denken können. Genervt in der Dortmunder Innenstadt angekommen hetzten wir den Westenhellweg rauf und runter. Ich auf der Suche nach etwas Essbarem, mein Begleiter, um die Zeit bis zum Spiel zu verkürzen. Es gibt ne Bratwurst mit Pommes und dazu gesalzene Informationen zum Spiel. Wen interessiert, dass Bremen in 88 Bundesligaspielen ganze 39 Siege eingefahren hat und Dortmund bisher nur 32? Die Anzahl der Unentschieden erspare ich mir, im Kopf selbst auszurechnen.
Nach dem Essen geht es in den Fanshop. „Nein, Götze Beflockungen sind zur Zeit leider aus“ raunzt die freundliche Verkäuferin. Ein „Warum eigentlich?“ Der spielt doch schon ewig nicht mehr“ erspare ich mir besser. Mein Begleiter ergreift daraufhin die Chance, um den weiteren Gesprächsverlauf auf das schwatzgelbe Ausnahmetalent zu lenken: „Bis zum Spiel gegen die Bayern ist der Mario wieder dabei. Immerhin hat er schon einmal mit der Mannschaft trainiert. Ansonsten kann der Kloppo aus dem Vollen schöpfen.“ Genervt von den vielen Informationen unterbreite ich den Vorschlag, uns auf den Weg zum Westfalenstadion zu machen. Schließlich ist das Spiel ausverkauft und die Schlangen an den Eingängen dürften kurz vor Anpfiff lang sein. In der Schlange angekommen, höre ich zwischen dem üblichen BlaBla über Aufstellung und den hohen Forderungen von Lewandowskis Berater etwas, was mein Interesse erweckt. Timo Konietzka hat sich unter der Woche in der Schweiz für den Freitod entschieden. Jener Timo Konietzka, der vor 49 Jahren gegen Bremen das erste Tor der Bundesligageschichte geschossen hat. So schließt sich der Kreis. Kein BlaBla, sondern traurige Realität.
Als ich den Eingang passierte, konnte man mir die Enttäuschung in meinem Gesicht scheinbar ablesen. „Möchtest du noch etwas essen oder trinken“ fragte mich mein Begleiter. „Nein, sehe ich so verfressen aus?“ grummelte ich ihm entgegen. Er konnte nicht erahnen, dass ich einfach nur enttäuscht war, nicht der 1.000000 Besucher in der Saison gewesen zu sein. Zu gerne wäre ich persönlich vor dem Spiel von Nobby Dickel auf dem Rasen geehrt worden. Irgendwie musste ich meinen aufgestauten Frust Luft verschaffen: „Ach ja, und eines sag ich dir gleich: Wenn die Bremer unsere Spieler in Manndeckung nehmen, wie diese blöden Augsburger, dann können wir nach 5 Minuten nach Hause fahren. Noch so ein Spiel tue ich mir nicht an. Dann kann ich wenigstens in Ruhe meinen Rasen mähen und mein Auto waschen, wie es sich für einen normalen Samstagnachmittag gehört.“ BlaBlaBla….
Fakten:
Borussia Dortmund: Weidenfeller - Piszczek, Subotic, Hummels, Schmelzer - Bender Kehl - Kuba, Kagawa, Großkreutz - Lewandowski
Auf der Bank: Langerak - Löwe, Owomoyela, Santana, Leitner, Gündogan, da Silva, Perisic, Barrios
Es fehlt: Götze
Werder Bremen: Wiese - Fritz, Prödl, Sokratis, Schmitz - Bargfrede - Junuzovic, Trybull - Ekici - Rosenberg, Füllkrug
Auf der Bank: Mielitz - Affolter, Boenisch, Silvestre, Ignjovski, Trinks, Thy
Fraglich: nicht bekannt
Es fehlen: Pizarro (Sperre nach TV-Beweis), Naldo, Arnautovic, Hunt, Marin, Hartherz, Borowski
Schiedsrichter: Deniz Aytekin Assistenten: Christian Leicher, Guido Kleve, Vierter Offizieller: Thorsten Schriever.