Einfach zu. blöd für die dritte Liga
Pädagogisch wertvoll könnte man es auf die widrigen Bedingungen, Pech oder die Unerfahrenheit der Mannschaft schieben. Realistisch betrachtet ist es aber wie schon in der letzten Drittligasaison unserer Amateure: Unsere Zwote scheint einfach zu doof für diese Liga zu sein und möchte sich vielleicht eher dadurch auszeichnen, auf möglichst unglückliche Art und Weise in den letzten Minuten der Partien die Punkte zu verspielen. So lief es auch beim 3:4 beim neuen Tabellenführer aus Unterhaching.
Nach etwa 15 Minuten Fahrt mit der S-Bahn hat man den Oktoberfest-Trubel verlassen und kommt in Unterhaching an. Wenn man so an einem verregneten Samstagmittag in die „Innenstadt" dort tritt, fragt man sich unweigerlich: Wie zum Teufel hat dieses Städtchen damals die „marodierenden Horden" der Gästefans vor einem knappen Jahrzehnt in der Bundesliga bloß überstanden? Dafür ist der Sportpark umso schöner gelegen, wird er doch vom Fasanenpark eingerahmt, wo man bei schönerem Wetter sicher in angenehmer Atmosphäre die ein oder andere Gerstensaftkaltschale vernichten kann.
Ansonsten ist bei diesem Verein vielleicht noch erwähnenswert, dass Moderatorin und Ricken-Frau Andrea Kaiser dessen prominentester Fan ist. Auch ein Alleinstellungsmerkmal. Viele ehemaligen Bayern und 1860-Spieler aus deren Nachwuchs sorgen für den momentanen Höhenflug der Vorstädter. Der neue Chef Manfred „Manni" Schwabl lässt dabei seine Kontakte sowie seinen eigenen Sohn Markus als Rechtsverteidiger spielen. Wobei sich das Trainerteam Claus Schromm/Manuel Baum sicherlich nicht reinreden lassen braucht, avancieren sie doch gerade als absolute Nobodys zu Erfolgstrainern.
Erst Protest, dann Oktoberfest
Werfen wir einen Blick in das Innere des chamanten Stadions. Etwa 100 BVB-Anhänger waren erkennbar. Weitere Zahlen gefällig? Ungefähr 30 davon hatten nicht geduscht und gönnten sich den Regen im unüberdachten Steher, der Rest war im Sitzbereich direkt neben dem Gästeblock zu finden. Und zu Anpfiff war von den Sitzern auch ein Spruchband zu sehen: „Preise wie im Puff - ..." Der Rest konnte von der anderen Seite des Stadions leider nicht mehr entziffert werden. Auch „Fußball muss bezahlbar sein" wurde schließlich noch angestimmt, wobei nicht klar ersichtlich war, wieviele Umlandfans diejenigen Fans ergänzten, die anstatt nach Hamburg in München Boykott übten und dabei noch das Oktoberfest genießen wollten. Die Gastgeber waren ja selbst zu Bundesligazeiten nie für einen Hexenkassel bekannt. Bis heute hat sich daran nicht viel geändert. Hauptsächlich wurden die korrekten Entscheidungen des Schiedsrichtern mit Rufen wie „Mach die Augen auf, du Mongo" begleitet. Dagegen konnten auch die etwa 40 Ultras nicht viel ausrichten.
Auf dem Platz standen bei Haching unter anderem Jonas Hummels (Mats' kleiner Bruder), der besonders in der ersten Halbzeit bärenstark agierte, und der bereits angesprochene Schwabl. Und auch interessante Akteure auf der Ersatzbank wurden entdeckt: So saß dort neben dem ehemaligen Torjäger diverser Jugend-Nationalmannschaften, Manuel Fischer, ein ganz schillernder Mann noch jungen Alters: Savio Nsereko. 2009 wurde er unter anderem mit den Benders U19-Europameister und wechselte danach für teils astronomische Summen quer durch Europa. Nun ist er in seiner Heimatstadt München zurück und stellt die symbolisch die Gefahren des Übergangs vom Jugend- zum Erwachsenenbereich dar.
Bei widrigen Bedingungen (starker Regen, Platz an manchen Stellen nicht wirklich bespielbar) waren zunächst Standards und Distanzschüsse das probate Mittel, die jedoch nichts einbrachten. So musste ein persönlicher Fehler für das erste Tor herhalten. Diesen machte Zlatan Alomerovic, als er nach 16 Minuten auf eine Flanke Rohrackers spekulierte. Allerdings hat er die Rechnung ohne das Schlitzohr gemacht, welches direkt ins Tor schoss. In der Folgezeit sorgten lediglich zwei Balljungen für Unterhaltung. Nummer eins rutschte vor allen Augen böse aus, während Nummer zwei einen Ball mit seinem Skrotum stoppen wollte und damit böse Erfahrungen machte.
Der nächste sportliche Aspekt führte direkt wieder zu einem Trefer und wieder sah Alomerovic nicht gut aus. Halstenberg mit einem ungeschickten Zerren gegen Welzmüller an der Strafraumgrenze, Yilmaz verwandelte den fälligen Freistoß in der Torwartecke (39.). Auch sonst wirkte der junge Serbe gerade beim Mitspielen und bei hohen Bällen alles andere als sicher. Nach den schwachen Aushilfsmaßnahmen von Langerak in dieser Saison scheint sich diese Position so langsam zum Problemfall zu entwickeln.
Verrückte zweite Halbzeit
So ging Schwatzgelb mit einem ernüchternden Rückstand in die Pause. Hinten fehlerhaft und vorne chancenlos. Denn sowohl die wenigen Standards als auch die Distanzschüsse waren an Harmlosigkeit nicht zu überbieten. Trainer Wagner reagierte denn auch und brachte den nominell defensiven Hornschuh für den schwachen Hofmann. Dafür rückte Bakalorz eine Reihe nach vorne und plötzlich lief es auf rechts besser. Unter anderem beim Anschlusstreffer, als sich eben dort Bittencourt durchsetzte, zur Strafraumgrenze zurück legte, von wo Derimbay zum 1:2 anschob. Die total verrückte zweite Halbzeit konnte beginnen!
In der 53. Minute lenkte Alomerovic eine scharfe Hereingabe von Thee gerade noch über den Boden schlitternd aus der Gefahrenzone. Seine beste Aktion des Tages, die belohnt wurde nach 71 Minuten, nachdem vorher Bittencourt zweimal unglücklich in der Offensive gute Gelegenheiten ausgelassen hat. Nach einem Hummels-Fehler bediente Benatelli auf halbrechts Baykan, der das Leder humorlos aus 14 Metern unter die Latte haute. Nun war totaler Jubel im Gästeblock und auf der Bank angesagt. Selbst Trainer Wagner verlor kurzzeitig den Boden unter den Füßen und rutschte formvollendet aus. Die BVB-Fans wurden derweil von den bayerischen Urviechern auf der Haupttribüne mit Lob bedacht: „Auf jeden Fall machen die drei Hanseln mehr Krach als alle anderen."
Und der Krach wurde noch lauter. Zunächst läutete noch die Latte des Hachinger Tores im Anschluss an einen Distanzschuss Baykans aus zwanzig Metern. Benatelli schaltete am schnellsten und besorgte die 3:2-Führung. Besonders kurios: Kaum liegt Haching hinten, verlassen manche „Fans" das Stadion. Naja, vielleicht wollten sie ja auch die Bayern bei den Blauen im TV sehen...
Der entscheidende Knackpunkt war dann jedoch der viel zu schnelle Ausgleich durch Fischer nur drei Minuten später. Jeder Schuss war jetzt ein Treffer. Es gab fast an der Mittellinie einen Freistoss, den Thee in Richtung Strafraum zirkelte. Dort musste sich der eingewechselte Fischer gegen seine eigenen Mitspieler durchsetzen, weil die BVB-Defensive Kurzarbeit angemeldet hat. Diesmal war Alomerovic ohne Chance und in der 82. Minute parierte er überdies stark und nervenstark gegen Rohracker.
Eigentor in der Nachspielzeit
Doch das alles half nichts. Wie schon in der letzten Drittligasaison ist die Nachspielzeit der Feind unserer Nachwuchskicker. Noch einmal kombinierte Haching schön nach vorne und Fischer tauchte halblinks vor Alomerovic auf. Seinen Lupfer lenkte Meißner unglücklich ins eigene Tor ab. Nach Ende der Nachspielzeit sanken alle in schwarz und gelb untröstlich zu Boden. Wieder einmal mus man mit leeren Händen im Flieger zurück in die Bierstadt unterwegs sein.
Nach diesem riesigen Dämpfer kommt es am Dienstagabend zum fast schon ersten Endspiel, wenn die Nachwuchsborussen gegen das dieses Wochenende erfolgreiche Kellerkind aus Babelsberg anzutreten haben. Wer also die Reise nach Frankfurt zu den Profis nicht antreten kann oder will, sollte die Akteure um Kapitän Hübner unterstützen kommen und danach in der Stadiongaststätte das Spiel der Profis verfolgen.
Stimmen zum Spiel
David Wagner: Zunächst gratuliere ich Unterhaching zum Sieg und zur Tabellenführung. Es war ein temporeiches, intensives Spiel mit einem nicht so glücklichen Ausgang für uns. Alles in allem aber bin ich mit dem Auftritt der Jungs sehr einverstanden. In der ersten Hälfte war es auch schon ordentlich, aber da war unser Gegenpressing schlecht. Das war dann in der zweiten Halbzeit besser, aber am Ende haben wir vier Gegentore und zwei davon durch Standards. Das hat uns das Genick gebrochen. Deswegen bin ich enttäuscht und auch ob der Tabellensituaton. Trotzdem nehmen wir jetzt den Kopf hoch, um es am Dienstag gegen Babelsberg besser zu machen.
Claus Schromm (Trainer SpVgg Unterhaching): Die äußeren Bedingungen kamen uns sicher nicht entgegen. Insbesondere, was das Passspiel angeht. Die erste Hälfte haben wir klar dominiert. Danach war es für den neutralen Zuschauer sicherlich toll mit so vielen Toren, aber uns hat dafür jedes Verständnis gefehlt. Andererseits muss ich auch unsere Moral hervorheben, sodass wir am Ende dann doch noch einen Sieg einfahren konnten.
Daten zum Spiel
SpVgg Unterhaching (4-2-2-2): Riederer – Schwabl, Hofstetter, Hummels, Odak (75. Drum) – Welzmüller, Yilmaz (90. + 3 Moll) – Thee, Rohracker – Niederlechner, Voglsammer (75. Fischer)
BVB II (4-2-3-1): Alomerovic – Bakalorz, Hübner (60. Günter), Meißner, Halstenberg – Fring, Demirbay – Hofmann (46. Hornschuh), Benatelli, Baykan – Bittencourt
Tore: 1:0 Rohracker (16., Rechtsschuss, Vorarbeit Niederlechner) 2:0 Yilmaz (39., Linksschuss, direkter Freistoß), 2:1 Demirbay (50., LS, Bittencourt) 2:2 Baykan (71., RS, Benatelli), 2:3 Benatelli (74., LS, Baykan), 3:3 Fischer (77., Kopfball, Thee), 4:3 Meißner (90., Eigentor, Fischer)
Zuschauer: 1.750
SR: Weickenmeier (Mühlheim/Hessen)
Chancen: 6:5
Ecken: 1:5
Gelbe Karten: Schwabl (75., Foulspiel) – Demirbay (29., Foulspiel), Bakalorz (63., Foulspiel), Fring (68., Foulspiel), Bittencourt (76., Ball wegschlagen)
Malte D., 22.9.2012