Streunende Köter - ein Ultra Roman oder so...
Dies sind wohl die ehrlichsten und objektivsten Worte des ganzen Buches. Der Autor (Domenico Mungo) hat sie schon in der Einleitung geschrieben. Darauf folgt eine gut 310 Seiten starke Orgie die Gewalt- und Drogenexzesse hochleben lässt.
Zusammengehalten werden die Geschichten im Roman von einer Reise des Autors ins schweizerische Exil. Nach dem Tod des Polizisten beim sizilianischen Derby entschließen sich er und einige Mitstreiter unter zu tauchen und in die Schweiz zu gehen, um ihre Erinnerungen, Erfahrungen und ihr Wissen über Ultra zu sammeln. Dabei bediente sich der Autor den Berichten unterschiedlichster Szenen, teilweise handelt es sich um öffentliche Texte von Internetseiten, doch der größte Teil sind Erlebnisberichte von anderen Ultras.
Generell ist solch eine Form ja sehr interessant. Man bekommt unterschiedliche Ansichten und Eindrücke, die dem Leser die Möglichkeit geben, das Thema differenzierter zu erfahren. Nicht so in diesem Buch. Zwar unterscheiden sich die Texte stilistisch schon, doch ist der ganz große Teil sich doch erschreckend ähnlich und erlangt damit eine gewisse Eintönigkeit. Es geht um Drogen, Gewalt und - Gewalt. Die Texte handeln von Raststättenüberfallen, Prügeleien in Cafés, Auseinandersetzungen in und um die Stadien und gegen die Polizei. Die Schlägereien werden detailliert dargestellt und wissen Anfangs das Rauschgefühl an den Leser weiterzugeben. Nach dem man sich aber den zehnten Gewaltexzess reingezogen hat, fragt man sich schon nach dem tieferen Sinn des Buches. Man muss sich durch dreiviertel des Romans gegraben haben, um mal etwas über eine gelungene Choreographie lesen zu können. Auch sonst gibt es wohl nicht allzu viel aus dem Leben eines italienischen Ultras zu erzählen, hin und wieder bekommt man mal einen ganz launigen Fahrtenbericht geliefert, der aber unweigerlich wieder in Randalen, Kämpfen und Gewaltakten endet.
Ohne das einleitende Vorwort würde man völlig verloren die Schauergeschichten lesen und sich fragen, was das Ganze eigentlich soll. So kann man sich noch mit der im Zitat angesprochene Schizophrenie beschäftigen. Denn neben den angesprochenen Berichten, tauchen hin und wieder noch Betroffenheitsartikel über die Todesfälle unter Fans auf. Diese wirken dann schon irritierend, kommen sie doch aus dem gleichen Umfeld, dass sich brüstet im Drogenvollrausch gegenseitig mit Steinen und Feuerwerkskörpern zu bewerfen, um dann im Nahkampf mit Fäusten, Lattenrosten, Eisenstangen, Fahrradketten und Messern auf einander los zu gehen. Das dann bei jedem Toten über die Ungerechtigkeit des Schicksals gejammert wurde, ist schon arg schizophren.
Doch diese Episoden stellen eher die Ausnahme dar und so verliert man beim Lesen irgendwann doch den Blick dafür, worum es eigentlich geht. Gewalt als Zweck an sich selbst bleibt am Ende übrig und lässt einen fragend zurück, ob das denn schon alles sein soll? Der Autor spricht im Vorwort von der Vielschichtigkeit der Ultras, dass ist sicherlich richtig, doch dieses Buch transportiert davon nur mit gutem Willen einen Bruchteil des Puzzels. Als Leser bleibt man da leicht nach dem Lesen der letzten Seite mit einem „das kann doch nicht alles gewesen sein“-Gefühl zurück. Ich erwarte mir zumindest mehr von einem Buch, dass auch noch aus der Szene kommt.
Wer sich das trotzdem mal reinziehen möchte, kann das Taschenbuch für 11,99 € im Buchhandel erstehen.
Gebundene Ausgabe: 320 Seiten
Verlag: Burkhardt & Partner Verlag; Auflage: 1., verb. Aufl. (15. November 2011)
Sprache: Deutsch
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