Trainergeneration 2.0
Neben der Erkenntnis, dass der BVB offiziell die beste Mannschaft der Bundesrepublik ist, wurde in der vergangenen Spielzeit auch etwas anderes deutlich: Eine neue Trainergeneration überschwemmt in geradezu inflationärer und doch so positiver Art und Weise die Bundesliga. Die Tuchels, die Dutts, die Stanislawskis und einige mehr wussten durch sympathische und in den meisten Fällen auch noch erfolgreiche Arbeit zu überzeugen (dass sich Trainer normalerweise ausschließlich am Erfolg messen lassen, soll bei dieser Betrachtung zumindest in Teilen ignoriert werden).
Die Gemeinsamkeiten waren während der gesamten Saison zu beobachten, denn die Philosophien einiger Clubs ähnelten sich auf verblüffende Art und Weise. Nur die individuellen Eigenschaften und Leistungen der Spieler verhinderten im Endeffekt den „Worst Case“, nämlich acht Mannschaften punkt- und torgleich an der Spitze der Tabelle. Laufbereitschaft, Kampf, Einsatzwillen und der Tick mehr im Offensivspiel, das alles zeichnete die Teams aus, deren Webmaster - vorzugsweise auch Übungsleiter genannt – jung und dynamisch an der Seitenlinie bei Training und Spielen agierten. Zum Mark Zuckerberg der Szene entwickelte sich in den letzten Jahren ein Mann, der sich durch seine neueste Erfindung nun endgültig zum Anführer aufgeschwungen hat. Zum Anführer derer, die erfolgreichen Fußball unters Volk bringen möchten. Diese Erfindung heißt „Meisterschaft“ und der Mann Jürgen Klopp. Er ist Vorreiter, wahrscheinlich sogar Vorbild einer Gilde von Trainern, die ihre jeweiligen Mannschaften nicht plan- und konzeptlos auf gegnerische Teams loslassen. Hinter allem steckt ein Plan. Und auch wenn es von besagter Trainergeneration 2.0 keiner zugeben würde, so schauen doch viele mit eineinhalb Ohren zum Kollegen Klopp und seiner Erfolgsgarantie.
Nimmt man beispielsweise den Herrn Tuchel: Ein Typ wie Klopp, natürlich jünger, aber im Großen und Ganzen doch ein halber Klopp. Nichtsdestotrotz, Tuchel möchte Tuchel sein und das ist auch vollkommen OK so. Vielleicht sollte man das ganze auch eher als Gleichnis betrachten. Nun gut, gewisse Gemeinsamkeiten sind offensichtlich, die da wären: Bartwuchs, das generelle Äußerliche, durchaus unterhaltsame Interviews, der FSV Mainz und das L im Nachnamen. Aber eigentlich geht es um die übergeordnete Einstellung der Trainer Klopp und Tuchel zum Fußball und ihre unverwechselbare Auffassung von Spielsystemen und Taktiken. Laufintensives Offensivspiel ist mittlerweile mehr im Bundesligavolksmund vertreten als ergebnisorientiertes Verteidigen.
Vielleicht ist es Ironie des Schicksals, dass der Mann (auch ein Jürgen übrigens), der schon vor drei Jahren urplötzlich den Fußball in Deutschland revolutionieren wollte, am Vereinsleben kaputt ging. Mit der Nationalmannschaft hatte das Ganze noch geklappt, doch der Bundesliga war er nicht gewachsen. Vielleicht zerbrach er aber auch einfach nur am schlechten Vereinskarma, das auch die eigens aufgestellten Buddhafiguren nicht mehr kippen konnten. Der andere Jürgen jedenfalls, also der Kloppo, ging seine Arbeit zum selben Zeitpunkt weniger drastisch an und führte Veränderungen langsamer herbei. Wenn die Bundesliga für die Trainergeneration 2.0 im Jahre 2008 noch nicht reif war, dann war sie es zweifelsohne 2010 und 2011. Für Dortmund brachte es die sicherlich spektakulärste Saison aller Zeiten. Doch auch für die anderen Teams, die unter dem Einfluss dieser neuen Trainergeneration standen, ging es steil bergauf. Mainz (mit dem halben Klopp) wurde spektakulär Fünfter, Nürnberg mit einem auch noch jungen Hecking Sechster, Freiburg mit Finke-Erbe Dutt Neunter und Köln nach schwachem Soldo-Start unter Schaefer (bis kurz vor Saisonende) immerhin noch Zehnter (der Viertplatzierte Hannover wäre an dieser Stelle eigentlich auch zu nennen, nur doof halt, dass Coach Slomka eine so düstere Vergangenheit hat…).
Fakt ist auf alle Fälle, dass die Arbeit der Jungen und Hungrigen Früchte trägt. Gut, so richtig jung sind die meisten nicht mehr, aber das Alter sagt ja nichts über den Rest aus. Geht der Blick dagegen auf die anderen Trainer, die nicht so euphorisch und modern arbeiteten, beziehungsweise arbeiten ließen, wird schnell ein Unterschied deutlich. Der Erfolg lässt auf sich warten. Ein Beispiel gefällig? Felix M., der in schwarzgelben Fankreisen zumindest klitzekleine Sympathiepünktchen sammelte, weil er massiv versuchte Blau in Richtung Liga zwei zu treiben. Als der Misserfolg unübersehbar war, versuchte er sich verzweifelt auf den neuesten Schrei zu stürzen, Facebook natürlich. Er glaubte anscheinend, damit einen Schritt auf die so erfolgreichen Kollegen zu zugehen. Doch das Gegenteil war der Fall. Denn Klopp, Tuchel und Co. brauchen Schnickschnack wie Facebook oder andere Trendgeschichten nicht. Sie sind schlichtweg Facebook, sie sind der neueste Schrei. Selbst die glorreichen Roten aus Süddeutschland kamen nicht umhin, das zu erkennen. Ein Trainer, den sogar seine Töchter mit „euer Majestät“ anzureden haben, sollte der ganz große Hit werden. In seiner ersten Saison haute das alles auch noch so halbwegs hin. Aber letzte Spielzeit, die Saison der Trainergeneration 2.0, stieß auch er an seine Grenzen und wurde von den Bossen aus dem Verein gesiezt. Wer nicht verändert, der rostet – oder so ähnlich. Und Heynckes? Wo ordnet man ihn ein? Ist er die Ausnahme von der Regel? Eigentlich nicht. Mit Leverkusen Zweiter werden kann ja doch irgendwie jeder…
Dienstag jedenfalls geht es weiter im Trainermilieu der letzten Saison. Genauer gesagt, steht das wilde Trainerkarussell im Fokus der Betrachtung. Und sicherlich gibt es, was Entlassungen angeht, Zusammenhänge mit der Trainergeneration 2.0.
Tim, 01.08.2011