Borussen und die (deutsche) Nationalmannschaft
Borussen und die Nationalmannschaft: Mittlerweile eine Never-Ending-Story. Das allerdings eher im negativen Sinne. Gehen wir einige Jahre zurück... In den Neunzigern war das Thema kein Thema. Borussia Dortmund spielte erfolgreichen Fußball, national wie auch international. Borussen gab es in der Nationalelf so einige. Sie spielten im Stamm und gewannen Titel, so zum Beispiel die Euro 1996.
Doch mit der Jahrtausendwende gab es einen Bruch. Der Bayernkern innerhalb der Bundeself wurde immer dominanter. Zur WM 2002 „schafften" es nur noch vier Dortmunder in den Kader (eigentlich ja nur drei, denn dieser eine Innenverteidiger hat seinen Borussen-Status mit Beginn der vergangenen Saison für immer abgelegt). Immerhin war der BVB Deutscher Meister geworden. Vier Borussen waren da also erstaunlich wenig. Zumal Jens Lehmann dritter Torwart war und Lars Ricken der einzige Feldspieler im WM-Kader ohne Einsatzzeit.
Ein ähnliches Bild dann 2006. Besagter Innenverteidiger war Stammkraft, Sebastian Kehl wurde im Turnierverlauf immer wichtiger und David Odonkor war die Nominierungsüberraschung schlechthin. Danach begann dann die wahrscheinlich längste Nationalspieler-Durststrecke in der Geschichte von Borussia Dortmund. Na klar, der BVB steckte finanziell und sportlich in der Krise. Aber selbst unter van Marwijk und Thomas Doll spielte sich so manch Borusse ins Rampenlicht der Bundesliga (bestes Beispiel seiner Zeit: Florian Kringe). Doch keiner von ihnen erhielt die Chance sich in der Nationalelf zu präsentieren. Ein gewisser und aus der Not geborener Jugendstil war schon damals beim BVB zu erkennen.
Einen gewissen Joachim Löw interessierte das aber herzlich wenig. Vorläufiger Höhepunkt dann die Euro 2008. Tatsächlich ohne Borussen-Beteiligung auf deutscher Seite. Noch unverständlicher wurde das Ganze dann bei Betrachtung des endgültigen Kaders. Natürlich waren die Herren Schweinsteiger, Lahm, Podolski und Mertesacker nicht wegzudenken. Kein Problem soweit. Doch welche Berechtigung hatten das ewige Talent Trochowski und der bei Bayern doch eigentlich nicht Stammspieler gewesene Marcell Jansen im Team? Der ewige Simon Rolfes und der völlig abgetauchte Odonkor (spielte er noch in Spanien, spielte er überhaupt noch Fußball?) verschärften die Fragezeichen über den Köpfen von BVB Anhängern. Zu diesem Zeitpunkt ahnten wir noch nichts von der absoluten Demütigung, die uns zwei Jahre später bei der Kader-Nominierung für die WM in Südafrika widerfahren sollte.
Denn nach der EM in Österreich und der Schweiz wurde ja schließlich die Verpflichtung des beliebtesten TV-Nationaltrainers Jürgen Klopp bekanntgegeben und damit einhergehend der total positive Umbruch der Dortmunder Borussia. Weitere Ausführungen zurunglaublichen Entwicklung des BVB wären hier eher deplatziert, weil allen bestens bekannt (Stichwort Deutscher Meister 2011!). Klopp kam, viele ältere Spieler mussten gehen. Junge, hungrige und vor allem hochtalentierte deutsche Spieler bekamen eine Chance, die sie bereits in der ersten Saison konsequent nutzten. Nur knapp verpassten sie die Qualifikation für den internationalen Wettbewerb. Ein Ziel, das nur ein Jahr später erreicht wurde, durch imponierenden und modernen Fußball. Spieler wie Hummels, Schmelzer, Bender und Großkreutzverdienten sich Spitzennoten in Fußballfachmagazinen. Der einzige, den diese Botschaft nicht zu erreichen schien, war Joachim Löw. Oder er ignorierte diese offensichtlichen Leistungen einfach. Wird wohl sein Geheimnis bleiben.
Erst nach Saisonende in den letzten Vorbereitungsspielen zur WM 2010 tauchten doch tatsächlich die Namen Großkreutz und Hummels im Kader auf. Gegen Malta (!) spielten sie ihre ersten Minuten mit dem Adler auf der Brust. Vor allem Großkreutz wusste nach seiner Einwechslung durch beherztes Offensivspiel zu überzeugen. Bittere Randnotiz allerdings, dass der halbe A-Kader nicht zur Verfügung stand und sich Herr Löw, dem inneren Widerstand zum Trotze, erbarmen ließ und zwei Dortmundern zum Debüt verhalf. Hummels Hoffnung, noch auf den WM-Zug aufzuspringen, war jedenfalls geweckt. Überflüssig zu erwähnen, dass sich dieser Traum nicht erfüllte.
So kam also das, was die düstersten Schwarzseher im Vorfeld prognostizierten, eine Weltmeisterschaft einer deutschen Nationalmannschaft ohne Beteiligung von Borussia Dortmund. Unglaublich. Nur noch mal kurz zur Erinnerung: Wir spielten nicht gegen den Abstieg mit überalterten Frührentnern, deren einzige Fähigkeit darin besteht den Ball so weit wie möglich in die gegnerische Spielhälfte zu dreschen (wobei 65% dieser Bälle im Aus landen auf Höhe der Mittellinie). Nein, wir hatten uns durch erfrischenden Offensivfußball für Europa qualifiziert. Tja, reicht halt nicht für Joachims Elite-Elf. So oder so, wiederum ein Jahr später konnte auch das Traineroberhaupt des Fußballlandes Deutschland seine (nennen wir es) Abneigung gegen schwarz-gelbe Trikotträger nicht mehr bedingungslos durchboxen. Zwar gab es mit Mario Götze und Marcel Schmelzer bereits im November beim Spiel gegen Schweden weitere Debütanten, aber zum wiederholten Male konnten/wollten die alt Eingesessenen nicht teilnehmen. Uns sollte es diesmal recht sein, drei Borussen von Beginn an und das 18-jährige Jahrhunderttalent namens Götze kam auch noch rein. Erstaunlich auch, dass Oberscout Joachim sich in der Meistersaison des Öfteren im Westfalenstadion blicken ließ, vielleicht ja auch aufgrund von Expertendruck und der generellen öffentlichen Meinung. Deutscher Meister 2011. Das traf ihn sicherlich hart. Spätestens jetzt muss der ein oder andere Dortmunder in der Anfangsformation auftauchen. Nicht zwangsweise wegen des Titels. Nein, sondern einfach weil der attraktivste, taktisch hochwertigste, laufintensivste, offensivste, kurzum der geilste Fußball von Borussia Dortmund und seinen „Young Guns" gespielt wird.
Löws Sympathiefähnchen jedenfalls klettert langsam wieder, jetzt wo Schmelzer und Hummels sogar Quali-Spiele von Beginn an bestreiten durften und Götze (im Kader) mehr als nur eine gute Alternative von der Bank ist. Schade, dass sich Manni Bender einer OP unterziehen musste, hätte er doch die Liste seiner Dortmunder Teamkameraden nahtlos ergänzt. Sie alle sind auf gutem Wege, dem Kader für die Euro im kommenden Jahr ein schwarz gelbes Gesicht zu verleihen. Endlich wieder Borussen, die in wichtigen Spielen den Adler auf der Brust tragen!
Tim, 18.06.2011