Wird Gündogan der neue Sahin?
Seit der letzten Woche ist der Wechsel also perfekt: Ilkay Gündogan kehrt dem 1. FC Nürnberg den Rücken und heuert beim BVB an. Der deutsche U-21-Nationalspieler soll vier Millionen Euro kosten (plus Zuschläge) und unterschreibt einen Vertrag bis 2015. Schon wird Gündogan als Ersatz für Nuri Sahin gehandelt - doch was für einen Spielertypen hat sich der BVB da eigentlich geangelt?
Ein Blick auf die Statistik wird dem zentralen Mittelfeldspieler kaum gerecht: 24 Einsätze in der Spielzeit 2010/11, dabei fünf Tore und drei Vorlagen sowie eine kicker-Durchschnittsnote von 3,77 zeugen von einer recht durchschnittlichen Bilanz. Handelt es sich bei Gündogan also gar um keine echte Verstärkung, sondern bestenfalls um ein Talent, dem die Zukunft gehört? Das wäre möglich. Eines ist aber auch klar: Noch nie in der Geschichte des Fußballs konnte der Wert eines Spielers allein mit Hilfe statistischer Werte gemessen werden. Es gehört viel mehr dazu, um die Rolle eines Spieler in seiner Mannschaft zu charakterisieren. So auch bei Gündogan. Doch worin besteht denn nun die große Stärke des Rechtsfußes? Was meint Jürgen Klopp damit, wenn er sagt: "Ilkay ist ein schneller und kompletter Spieler und passt von der fußballerischen Ausrichtung her perfekt in unsere Abläufe."?
Gündogan, der intelligente Stratege
Technik, Passspiel, Übersicht: All diese Eigenschaften nennt der deutsch-türkische Abiturient sein eigen. Gündogan ist ein Stratege, auch auf dem Platz ein intelligenter Spieler, der in der Schaltzentrale die Fäden zieht. In jungen Jahren ist er bereits einer der Köpfe der Nürnberger Mannschaft und hat einen entscheidenden Anteil daran, dass an der Pegnitz bis zum 33. Spieltag von der Europa League geträumt werden durfte. Der Noch-Nürnberger spielt häufig den entscheidenden vorletzten Pass vor dem Torerfolg und vermag es, andere Mitspieler gekonnt in Szene zu setzen. Zudem besitzt der 20-Jährige eine Eigenschaft, die für Trainer Klopp ein gewichtiger Grund für seine Verpflichtung gewesen sein wird: Gündogan, der im 4-2-3-1 theoretisch alle fünf Mittelfeldpositionen bekleiden kann, schaltet rasend schnell um und passt damit perfekt in das überfallartige Spiel, das den BVB zuletzt so erfolgreich und zum deutschen Meister (!) gemacht hat.
Zeit zur Eingewöhnung
Die Hoffnung auf die Ideallösung - ein Verbleib Sahins für noch mindestens ein Jahr und ein langsames Heranführen des Neuzugangs an die erste Mannschaft – wurde am Montag letzten Endes von Real Madrid zunichte gemacht. Und schon steht Gündogan noch stärker im Fokus. Vergleiche mit dem Neu-Madrilenen sind unvermeidbar.
Aber Vorsicht: So viele Fähigkeiten den Mittelfeldspieler aktuell schon auszeichnen, eines ist nicht von der Hand zu weisen: Gündogan ist noch jung und muss sich weiter entwickeln. Es wird Schwankungen in seiner Leistung geben, zudem muss dem ehemaligen Bochumer eine gewisse Eingewöhnung zugestanden werden. Und genau deswegen wird der Abgang von Sahin nicht eins zu eins durch den Transfer von Gündogan aufzufangen sein. Bender und Sahin gaben dafür ein viel zu starkes und eingespieltes Duo: Während „Manni" die Gegner mit seiner Kampf- und Laufbereitschaft reihenweise zur Verzweiflung trieb, dirigierte der türkische Nationalspieler das Aufbauspiel der Schwarz-Gelben. Beide waren perfekt aufeinander abgestimmt. Gündogan aber wird zu Beginn noch ein Fremdkörper sein, der sich möglichst schnell an Sven Bender und die anderen BVB-Mitspieler gewöhnen muss. Er tritt als Vertreter von Sahin in (zu) große Fußstapfen, der Druck ist riesig. Vielleicht zu viel für ein 20-jähriges Talent?
Übrigens: Vor gut einem Jahr wäre der gebürtige Gelsenkirchener (!), der zudem auch ein kurzes Gastspiel beim Reviernachbarn hatte, beinahe bei 1899 Hoffenheim gelandet. Nürnberg verhinderte das – trotz einer für einen damals 19-Jährigen recht hohe Ablösesumme von sieben Millionen Euro. Neben dem BVB und den Hoffenheimern hatten der HSV und Leverkusen ihr Interesse bekundet. Und auch ein internationaler Spitzenklub wie Manchester United soll den Jungstar öfter beobachtet haben. Ein Jahr vor Vertragsende mussten die Franken Gündogan nun bei der Vielzahl der Anfragen aus dem In- und Ausland für relativ günstiges Geld ziehen lassen. Gut für den BVB, dass Watzke, Zorc und Klopp den Zuschlag erhalten haben.
Daniel R., 11.05.2011