Himmel oder Hölle? Wechselspiele zwischen schwarzgelb und blauweiß
Für jeden Borussen ist es klar, wo man sich Freitag, 4. Februar, 2011, gegen 20:30 h aufhält! Entweder direkt im Westfalenstadion oder falls nicht möglich, vor dem Fernseher im Wohnzimmer oder der Sportkneipe, um das Spiel der Spiele live zu verfolgen! Das wichtigste Derby in Deutschland, Schwarzgelb gegen Blauweiß, Borussia Dortmund gegen Sch...e!!
Für die Fans beider Vereine ist es keine Frage: Entweder man ist zu 1909% Borusse oder eben zu X % (leider habe ich den Prozentsatz vergessen) Anhänger des Gelsenkirchener Vorortvereins. Merkwürdige Zeitgenossen, die behaupten, ihnen seien „beide Clubs sympathisch" oder „der Bessere soll gewinnen", werden weder im schwarzgelben noch im blauweißen Lager ernst genommen!
Allerdings ist die Loyalität der Akteure auf dem Rasen, was die Vereinsfarben anbetrifft, häufig anders! Der Verein ist für den Spieler der Arbeitgeber und ein Vereinswechsel ist damit letztlich ein Wechsel des Arbeitgebers, wie er im Berufsleben eben mehr oder weniger häufig vorkommt.
Sicherlich konnte man sich keinen Michael Zorc oder Lars Ricken in einem Trikot im blauweißen Schlumpf-Design vorstellen und aktuell ist das z.B. auch bei einem Dortmunder Jungen wie Kevin Großkreutz undenkbar! Oft genug haben aber nicht nur Herz und Herkunft, sondern andere Beweggründe eine Rolle gespielt, zu den - aus Sicht beider Fanlager - „falschen Farben" zu wechseln. Dies nicht zuletzt aus finanziellen Aspekten.
Schwatzgelb möchte vor dem Derby einige dieser Wechsler etwas näher vorstellen. Dabei wollen wir die einzelnen Kandidaten selbstverständlich vornehmlich durch die schwarz- bzw. schwatzgelbe Brille betrachten! Wer also außer schwarzgelb möglicherweise die andere, oben erwähnte Farbkombination liebt, sollte am besten jetzt auf „Schließen" klicken und sich anderweitig beschäftigen! Es kann manchmal unangenehm sein, die Wahrheit zu lesen!
Jens Lehmann, Torwart
GE 1988 – 1998, BVB 1999 - 2003
Beginnen wir mit einer Nr. 1! Als Keeper war Jens Lehmann - egal in welchem Trikot - zweifellos einer der Besten! Als er nach seinem Wechsel von GE zum AC Mailand seinen Stammplatz im Tor der Norditaliener verloren hatte, zog es ihn bekanntlich zum BVB. Sein Start bei Borussia war nicht einfach! Nach anfänglichen, zum Teil unter die Gürtellinie gehenden Unmutsbezeugungen bei einem Teil der BVB-Fans verbesserte sich das Verhältnis dann im Laufe der Zeit. Dafür war er beim blauweißen Anhang völlig unten durch! Seine Verdienste als Mitglied des UEFA Cup-Siegerteams 1997 und sein Kopfballtor im gleichen Jahr beim Derby zum 2:2-Ausgleich im Westfalenstadion waren quasi über Nacht vergessen! In seinem Buch „Der Wahnsinn liegt auf dem Platz" schreibt Lehmann u.a. über seine BVB-Zeit: „...Auswärtsspiel in Schalke. Von den 61700 Zuschauern schienen 61.699 zu pfeifen, wenn ich den Ball bekam, 90 Minuten lang...". Auch bei den ersten Spielen im Westfalenstadion waren Pfiffe gegen Lehmann nicht zu überhören! Nach Jahren aber hier einmal eine Frage: Musste er ausgerechnet im ersten Heimspiel für den BVB eine blauweiße Kappe tragen?!
Gerhard Kleppinger, Abwehrspieler
GE 1984 – 1987, BVB 1987 -1988
Nach dem Abstieg von GE in der Saison 1987/88 wechselte Kleppinger zur Borussia. Im blau-weißen Lager blieben die Kommentare zu diesem Wechsel ziemlich aus. Man hatte eben andere -oder besser gesagt „zweitklassige" Sorgen. Nach nur einem Jahr in Dortmund wechselte der Abwehrspieler in Richtung Bayer Uerdingen. Kleppinger arbeitet heute als Assistenztrainer beim FSV Frankfurt und betreibt eine Fußballschule.
Rolf Rüssmann, Abwehrspieler
GE 1969 – 1973 und 1974 – 1980, BVB 1980 - 1985
GE war in der Saison 1980/81 in akuter Geldnot. Der damalige Vereinspräsident Dr. Fenne beschloss darauf hin, seine beiden Leistungsträger Rüssmann und Abramczik zu verkaufen. Der BVB griff zu und beide wechselten an die Strobelallee. Im Vergleich zu den Transfers späterer Jahre hielten sich die Unmutsbezeugungen in beiden Lagern in Grenzen. Dortmund freute sich über zweifellos hinzugewonnene Spielqualität und Sch...e über kurzfristig verbesserte Liquidität, allerdings musste man am Ende der Saison den ersten Abstieg in der Vereinsgeschichte hinnehmen. Rolf Rüssmann blieb bis zu seinem Karriereende 1985 Borusse und ist der Ex-Gelsenkirchener mit den meisten Bundesliga-Einsätzen im BVB-Trikot. Borussia Dortmunds damaliger Trainer Pal Csernai versuchte noch, ihn zum Weitermachen in der Spielzeit 1985/86 umzustimmen, aber Rüssmanns Entschluss stand fest. Als Manager kehrte er für ein knappes halbes Jahr nach GE zurück, aber das Arbeitsverhältnis ging im Streit auseinander. Spätere Stationen seiner Managerkarriere waren Mönchengladbach und Stuttgart. Rolf Rüssmann verstarb viel zu früh im Oktober 2009. Was bleibt, ist die Erinnerung an einen Sportler und Kämpfertyp ohne Allüren, gleich in welchem Trikot er auf den Rasen lief.
Rüdiger Abramzcik, Stürmer
GE 1973 – 1980, BVB 1980 – 1983, GE 1987 - 1988
Gemeinsam mit Rolf Rüssmann wechselte der „Flankengott" von den klammen Sch...ern zu schwarzgelb. Zusammen mit Manni Burgsmüller bildete er ein effektives Sturmduo. In seiner Dortmunder Zeit erzielte er insgesamt 30 Tore für den BVB. Nach weiteren Stationen in Nürnberg, Istanbul und Oberhausen kehrte Abramczik 1987 für 4 Spiele als Libero nach GE zurück. Bis Ende 2010 Jahres arbeitete Abramczik als Trainer in Lettland.
Ulrich Bittcher, Mittelfeldspieler
GE 1976 - 1983, BVB 1983 - 1987
Nach dem zweiten Abstieg der Sch...er innerhalb von zwei Jahren wechselte der gebürtige Gelsenkirchener zur Borussia und gehörte drei Spielzeiten lang zum schwarzgelben Stammpersonal. Der blauweiße Anhang reagierte beim Bekanntwerden des Wechsels aufgebracht, aber Bittchers Ziel war es schlicht und einfach, weiterhin in der ersten Liga zu spielen, was in GE nicht mehr möglich war. Der langezogene Uliiiiii-Ruf, der regelmäßig ertönte, wenn Bittcher den Ball führte, wurde vom Packstadion nach Dortmund verlagert. Das wichtigste Tor des Mittelfeldrenners für schwarzgelb, sicher sein Treffer zum 1:0 Sieg des BVB 1985 bei den Bayern. Eine Sportverletzung beendete Bittchers Karriere in der Saison 1986/87.
Reinhard Libuda, Stürmer
GE 1961 – 1965, BVB 1965 – 1968, GE 1968 – 1972 und 1973 - 1976
Zum Saisonbeginn 1965/66 wechselte Reinhard „Stan" Libuda von Gelsenkirchen zum BVB. Der trickreiche Rechtsaußen bildete drei Jahre lang gemeinsam mit Siggi Held und Lothar Emmerich Borussias Traumsturm. Unvergessen sein Siegtreffer per Bogenlampe zum 2:1 im Europapokalfinale der Pokalsieger 1966 gegen Liverpool. Auch der mit 7:0 höchste BVB Sieg über den Gelsenkirchener Rivalen fällt in Libudas' schwarzgelbe Zeit. Im BVB Jubiläumsband „ein Jahrhundert Borussia Dortmund" wird Reinhard Libuda beschrieben als „der Borusse der ein Gelsenkirchener war". Das erklärt wohl auch im Wesentlichen seine Rückkehr zu den blauweißen Farben in 1968. Neben dem Europapokalgewinn mit dem BVB waren der Pokalsieg 1972 und insgesamt 26 Berufungen in die Nationalelf die sportlichen Höhepunkte in Libudas Karriere. Außerhalb des Spielfelds hatte „Stan" kein Glück. Nach der Verstrickung in den Bundesligaskandal 1970/71 gelangen ihm weder ein erfolgreiches Comeback auf dem Rasen noch Erfolge im Berufsleben. Libuda erkrankte schwer und verstarb in 1996. Die lauten „Stan Libuda"- Sprechchöre nach Ablauf der Gedenkminute für einen der besten deutschen Rechtsaußen waren seinerzeit Beweis genug, daß - bei aller Rivalität zu blauweiß – seine Verdienste für Borussia nicht vergessen waren!
Jürgen Wegmann, Stürmer
BVB 1984 – 1986, GE 1986 – 87, BVB 1989 -1993
Die „Kobra" kam von Rot Weiss Essen in 1984 zum BVB und wurde in der Saison 1985/86 mit 14 Treffern Borussias Torschützenkönig. Als bekannt wurde, daß er in der folgenden Saison für Sch...e auflaufen würde, wurde jeder seiner Aktionen in schwarzgelb mit Pfiffen begleitet. Vergessen war jedoch alle Enttäuschung, als er im Rückspiel in der Relegation gegen Fortuna Köln, durch seinen Treffer zum 3:1 den BVB Sekunden vor dem Abpfiff vor dem Sturz in die Zweitklassigkeit bewahrte. Im anschließenden Entscheidungsspiel in Düsseldorf steuerte er dann noch ein Elfmetertor zum 8:0-Sieg der Borussia bei. Wegmanns Aufenthalt in GE dauerte nur eine Saison, danach wechselte er zu den Bayern. Von 1989 - 1992 kehrte er dann zu Borussia zurück, kam aber nicht mehr über den Status eines Ergänzungsspielers hinaus. Insgesamt brachte es der Stürmer auf 33 Tore für den BVB und 10 für blauweiß. Zuletzt war Wegmann im Fanartikelverkauf für Bayern München tätig.
Ingo Anderbrügge, Mittelfeldspieler
BVB 1984 – 88, GE 1988 - 2000
Nach 4 Jahren beim BVB wechselte der gebürtige Dattelner mit 24 Jahren zu GE. Anfeindungen gab es bei diesem Transfer aus beiden Lagern so gut wie keine. Die Ruhe war wahrscheinlich dadurch bedingt, daß Herne West zu diesem Zeitpunkt in der zweiten Liga spielte, was dann auch noch zwei Jahre so bleiben sollte. Als Mitglied der UEFA Cup-Siegermannschaft 1997 gelang ihm im gleichen Jahr im Packstadion der 1:0 Siegtreffer im Derby gegen den BVB. Für diejenigen Anhänger des Vorortclubs, die in ihm selbst nach 9 Jahren immer noch den Ex-Borussen sahen, wohl die endgültige Anerkennung als Sch...er!
Steffen Freund, Mittelfeldspieler
GE 1991 – 93, BVB 1993 - 1998
Der Wechsel von blauweiß zu schwarzgelb war für den Mittelfeldspieler zunächst nicht einfach. So gelang ihm in seiner ersten Saison für den BVB noch nicht der Sprung in die Stammelf. Mit der Rückkehr von Andreas Möller von Juventus Turin zum BVB änderte sich das allerdings umgehend. Der Kämpfertyp übernahm die Rolle des „Wasserträgers" oder „Ausputzers" für Möller und war ab sofort unverzichtbarer Bestandteil in Borussias Team. Wenn er auch verletzungsbedingt beim Champions League-Sieg 1997 nicht dabei sein konnte, fielen zwei Deutsche Meisterschaften 1995 und 1996 sowie der Sprung in die Nationalelf in Freunds BVB-Zeit. Nach 4 Jahren für Tottenham Hotspur von 1999 – 2003 beendete Steffen Freund seine aktive Laufbahn beim FC Kaiserslautern und Leicester City.
Andreas Möller, Mittelfeldspieler
BVB 1988 – 1990 und 1994 – 2000, GE 2000 - 2003
Selten hat ein Wechsel die Gemüter auf Sch...e wohl so erregt wie der von Andreas Möller vom BVB zu Herne West. Eines der schlimmsten Feindbilder ab sofort in blauweiß! „...Gebt dem Andy eine faire Chance...!" versuchte GE-Manager Rudi Assauer, vor laufenden Fernsehkameras bei der Verkündung des Transfers, aufgebrachte Sch...er zu beruhigen. So richtig beruhigen wollte sich allerdings zunächst niemand. Die von Hardcore-Gelsenkirchenern ins Leben gerufene Internetseite „Möller raus" wurde schnell mit Einträgen gefüllt, die bei allen normal Denkenden entweder Kopfschütteln, oder an die Stirn tippen auslösten. Mittlerweile geben objektive blauweiße (einige gibt es tatsächlich) aber zu, daß Möller das Mittelfeldspiel von GE deutlich verbesserte! Die Behauptung, daß ohne Andreas Möller keine „Meisterschaft der Herzen" in 2001 und zwei Pokalsiege herausgesprungen wären, soll hier mal so stehen bleiben! Aus Borussensicht konnte über die Beweggründe für den Wechsel des damals 34jährigen nur spekuliert werden: Lag es an den Versprechungen Rudi Assauers oder wollte Möller dem neuen BVB-Cheftrainer Matthias Sammer entgehen? Daß sich Möller durch seinen Wechsel sämtliche Sympathien in Dortmund verspielt hatte, muss nicht gesondert erwähnt werden. War das Westfalenstadion bisher der einzige Ort an dem er nicht ausgepfiffen wurde, so war das ab seinem ersten Auftritt in blauweiß endgültig vorbei! Aktuell arbeitet Möller als Manager bei Kickers Offenbach.
And last but not least: Christoph Metzelder, Abwehrspieler
BVB 2000 – 2008, GE 2010 - ?
Ein Wechsel, der das Blut in beiden Lagern fast so in Wallung brachte wie der von Andreas Möller! Christoph Metzelder hätte als Ex-Borusse von Real Madrid aus zu Wolfsburg, Leverkusen oder Bremen wechseln können. Kein BVB-Fan hätte sich aufgeregt! Aber zu Herne West? Ausgerechnet zu dem Verein für den er in der Jugend ein Jahr gespielt hatte und über den er sich auf seiner homepage nicht gerade positiv ausgelassen hatte? Ausgerechnet zu dem Verein dem er im schwarzgelben Trikot mit 2 Vorlagen im wunderbaren Mai 2007 eine neue „Meisterschaft der Herzen" beschert hatte – und das auch noch auf T-Shirts drucken ließ? Die Anhänger von Herne West sahen und sehen das ähnlich. Aber letztlich dürften auch die monatlichen Gehalts-überweisungen aus GE eine nicht unerhebliche Rolle gespielt haben, als ehemaliger Borusse das blauweiße Trikot überzustreifen. Schwierige Zeiten dann für den gebürtigen Halterner, als ihm Teile des Gelsenkirchener Anhangs fehlende Schnelligkeit und falsches Stellungsspiel vorwarfen und selbst Magic Felix seine bisherigen Leistungen öffentlich als „enttäuschend" bezeichnete. Behauptungen man hätte ihn aufgrund seiner zweifellos vorhandenen rhetorischen Fähigkeiten ohnehin nur als Pressesprecher geholt, konnten bisher allerdings noch nicht bestätigt werden.
Die Liste der schwarzgeben / blauweißen Wechsel in der Bundesliga ist hiermit noch nicht zu Ende. Aber aus Platz- und Zeitgründen soll hier mal Schluss sein. Der Vollständigkeit seien hier aber noch genannt:
Jürgen Sobieray, Abwehrspieler
GE 1969 – 1979, BVB 1980 – 1982
Werner Lorant, Abwehrspieler
BVB 1971 – 1973, GE 1982 - 1983
Paul Holz, Mittelfeldspieler
GE 1971 – 1974, BVB 1979 – 1981
Peter Endrulat, Torwart
GE 1973 – 1975, BVB 1976 – 1978
Achim Wagner, Mittelfeldspieler
GE bis 1974, BVB 1974 – 1983
Norbert Dörmann, Abwehrspieler
GE 1976 – 1979, BVB 1979 – 1981
Toni Schumacher, Torwarttrainer / Torwart
GE 1987 – 1988, BVB 1995 – 1996 (ein 2-Minuten-Einsatz für Borussia im letzten Heimspiel im Meisterschaftsjahr 1996 gegen den SC Freiburg! Danke Ottmar! )
Marco Kurz, Abwehrspieler
BVB 1994 – 1995, GE 1995 – 1998
Und zum Abschluß hier noch zwei Namen, die zwar nicht für blauweiß und schwarzgelb auf dem Rasen standen, in den Vereinschroniken beider Clubs aber ihre festen Plätze haben:
Rudi Assauer, Mittelfeldspieler
BVB-Profi 1964 – 1970, späterer Sch...e - Manager, Werbestar und Interpret des Welthits „wenn der Schnee schmilzt, siehst Du wo die Kacke liegt" – lange vor dem winterlichen Dachschaden im Sch...er Stadion.
Michael Skibbe, Mittelfeldspieler
GE-Profi 1984 – 1986, BVB-Trainer 1989 – 2000, davon 1999 – 2000 Trainer der BVB-Profi-mannschaft
Wie man sieht, jede Menge Wechsel zwischen schwarzgelb und blauweiß! Einige relativ geräuschlos oder fast schon vergessen – andere sorgten oder sorgen jetzt noch für jede Menge Gesprächsstoff!
Und wer weiß, welche Namen in 10 Jahren genannt werden, falls mal wieder ein ähnlicher Artikel dieser Art geschrieben wird....
Henry, 31.01.2011