Niederlage? Unentschieden? Sieg?
Manchmal muss man Dinge einfach sacken lassen. Was sich nach Götzes Pfostentreffer vor Spielende noch wie eine Niederlage anfühlte, wurde mit dem Abstand eines Tages zu einem weiteren Wirkungstreffer gegen die Aufholjäger. Ein Derby ohne Tore bedeutet zwar auch die Fortsetzung der unglücklichen Derbygeschichte der letzten Jahre, doch es bleibt dabei: Diese Mannschaft wird ihren Weg gehen. Bei noch 39 zu vergebenden Punkten, liegt Borussia mittlerweile wieder 12 Punkte vor dem ersten verschnaufenden Aufholjäger.
Dabei war eigentlich alles angerichtet für den finalen Endkampf Gut gegen Böse. Schon weit vor Spielbeginn dominierten die schönsten Farben der Welt das Stadtbild. Auf dem Westenhellweg waren es zeitweise mehr Fans als Einkäufer, der Fanshop am Markt konnte bereits am Mittag ausverkauft melden. Der Klopp-Schal war mal wieder nicht mehr lieferbar. In Richtung Stadion dann war auch in den unscheinbarsten Cafés das Derby Gesprächsthema Nr.1. Jeder konnte seine Derbygeschichte zum Besten geben, jeder war schon irgendwie immer Borussia-Fan. Diese Stadt ist schwatzgelb durch und durch. Auch die Strobelallee füllte sich schnell. In der Roten Erde wurde auf Englisch, Ungarisch, Norwegisch, Niederländisch, Polnisch und Italienisch über das Spiel diskutiert. Würden wir die Blauen überrennen? „A Derby is a Derby“, war die einhellige Meinung und das Ergebnis Auslegungssache. Nachdem der blaue Trauerzug über die Strobelallee ins Stadion eskortiert wurde, stand man sich nun im Stadion gegenüber. Auf der Nord die Blauen und im Rest des Stadions die schwatzgelbe Übermacht. Unten auf dem Platz wärmte sich derweilen die allseits beliebte Nummer 21 auf. Beim Verlesen der Mannschaftsaufstellung wurde dem verlorenen Lebemann eine große Ehre zuteil. Er löste Manuel Neuer in der nach unten offenen Beliebtheitsskala ab. Und ein Banner auf der Süd fragte erschrocken: „Wie kann man seine Seele so zerMETZEln?“ Nach den Pyrowerbewochen und den Kein Zwanni-Bannern auf der Süd jetzt aber rein ins Spiel.
Dortmund musste den gelbgesperrten Subotic ersetzen. „Tele“ Santana erledigte diesen Job über die gesamte Spieldauer mit Bravour und verlor, wie der erneut starke Hummels, keinen einzigen Zweikampf. Die Blauen mit einem Winterneuzugang. Anthony Annan, der Kofi Annan-Neffe, durfte auf der 6er Position ran, ansonsten blieb IM Transferwahn seinem Motto treu: „Ich hoffe nicht, dass ich diese Spieler brauche“, hatte er im Teerausch auf der Tags zuvor anberaumten Pressekonferenz über seine Winterneuzugänge gedacht. Vom Südtribünenwind nach vorne gepeitscht übernahmen die Schwatzgelben sofort das Kommando. Nach wenigen Sekunden überläuft Götze die staksige #21, die sich an der rechten Strafraumkante nur durch ein Foul zu helfen weiß. Doch Weiner kann sich nicht entscheiden und lässt das Spiel einfach mal weiterlaufen. Jetzt schlägt Angriffswelle über Angriffswelle im Gelsenkirchener Strafraum ein, doch alleine in den ersten Minuten scheitern Götze, Kuba freistehend und Hummels mit Fallrückzieher an Manuel Neuer. Borussia doppelt im Mittelfeld aggressiv und die Blauen können sich kaum aus ihrer Umklammerung befreien. Ein paar lange Bälle schaffen es über die Mittellinie, doch Altstar Raul und Tranquilizer Huntelaar kämpfen eher mit ihren Frisuren als mit dem Gegner. Angetrieben von Kuba, dem vor dem Tor immer noch der Abschluß fehlt, entwickelt Borussia sein Spiel vor allen Dingen über die rechte Seite. Seine grandiose Hereingabe in der 25.Minute verfehlt Lucas Barrios um Haaresbreite. Zehn Minuten später steckt Götze den Ball auf Barrios durch, der sich auf den Weg Richtung Tor macht, den Ball dann aber aus 16 Metern mit dem rechten Außenrist am Tor vorbei haut. In der ersten Halbzeit finden die Blauen überhaupt nicht statt. Es ist ein Spiel Borussia gegen UGE-Manu, was dieser immer wieder in großartiger Manier für sich entscheiden kann. Kopfschütteln auf den Tribünen, es geht torlos in die Halbzeit.
In der zweiten Halbzeit geht es nun auf die Süd und gegen den Wind. Beide Trainer verzichten in der Halbzeit auf Wechsel. Die Borussen, weil sie es nicht mussten und die Blauen, weil der Trainer nicht wusste, wer da gerade in der Kabine sitzt. Die Halbzeit beginnt schleppend, die Blauen stehen jetzt ein wenig besser und Borussia lässt sie auch einmal über die Mittellinie, dort verhungern die Bälle natürlich. In der 51. Minute setzt sich Götze im Mittelfeld durch. Er hat zwei Optionen. Auf links läuft Großkreutz in Position und recht schleicht sich Barrios hinter die Verteidigung. Götze hält den Ball zu lange und wählt letztendlich mit Barrios die schlechtere Option. Die Chance ist vertändelt, Kevin verzweifelt ein wenig. Und auch die Tribünen schwanken zwischen Unmut, Verzweiflung und purem Siegesswillen. Manchmal ist es ruhig, hin und wieder geht ein Raunen durch das Stadion und doch überwiegt der Siegeswille. „Auf geht’s Dortmund, kämpfen und siegen“ kommt es immer wieder von der Süd. Irgendwann haut Barrios den Ball an Neuer vorbei, doch der Pfosten rettet den geschlagenen Keeper. Nach einer Stunde gibt es erste Angriffsbemühungen der Blauen, die jedoch sind harmlos. Klopp gefällt es trotzdem nicht, er steht an der Seitenlinie und dirigiert seine Mannschaft. Doch die Überlegenheit ist auf einmal weg, aus einem mitreißenden Spiel der jungen Borussen ist jetzt ein echtes Derby geworden. Weiner verweigert Schmitz die Gelb/Rote Karte, Santana bleibt später verletzt am Boden liegen und Lasse Sobiech rutscht an der Seitenlinie das Herz in die Hose. Doch der schlaksige Brasilianer kehrt zurück. Nach der Wechselphase muss Weidenfeller in der 77. Minute in höchster Not einen Schuß von Jurado retten, den Piszczek am Ende von der Linie klärt. Beim Gegenzug steht Lewandowski auf einmal frei vor Neuer, der seinen Kasten verlassen hat. Lewandowski will den Ball über Neuer lupfen, doch der macht sich breit und klärt 35 Meter vor dem Tor mit der Brust. Eine sensationelle Parade. Kurz vor Ende ist Neuer dann endlich geschlagen. Götze nimmt den Ball an und bewegt sich mit der Ballannahme an Neuer vorbei, doch der Ball springt an seinen linken Fuß, Götze muss sich drehen und verliert ein wenig den Schwung, er kommt trotzdem zum Abschluß, doch wieder verhindert der Pfosten den hochverdienten Derbysieg. Dann ist das Spiel vorbei. 0-0. Nuri Sahin und Mats Hummels reden in der Mixed Zone von „vier verschenkten Punkten“ in den letzten beiden Heimspielen. Die Mannschaft bleibt hungrig. Und trotz dieser „verschenkten“ Punkte bleibt Borussia am Ende des Spieltages auf Platz 1 der Rückrundentabelle und enteilt den verschnaufenden Aufholjägern. 39 Punkte sind noch zu vergeben, wir sind 12 vor.
Raus aus dem Stadion und auf den Vorplatz vor der Nord. Die abreisenden Blauen werden im Block gehalten und die Polizei stellt den gesamten Vorplatz mit ihren Einsatzwagen zu, die von der Ost kommenden Zuschauer müssen über die Einsatzwagen steigen, in der Enge kommen einige Fans ins Stolpern. Es ist eine beklemmende Atmosphäre, am Ende kommt es aber zu keinen größeren Zwischenfällen. Und auch sonst bleibt es am Rande des Spiels einigermaßen friedlich. In den Kneipen der Stadt ist man sich nicht sicher, ob das jetzt ein Punktgewinn war oder ein Punktverlust. Die Antwort darauf gibt es erst am nächsten Tag. Jetzt geht es nach Kaiserslautern. Eine durchaus machbare Aufgabe
Statistik und Noten
BVB: Weidenfeller - Piszczek, Hummels, Felipe Santana, Schmelzer - S. Bender, Sahin - Blaszczykowski (Zidan 89.), M. Götze, Großkreutz (Lewandowski 73.) - Barrios
Blauen: Neuer - Uchida, Höwedes, Judas, Schmitz - Annan (Papadopoulos 76.), Kluge - Farfan, Jurado (Hao 81.) - Raul, Huntelaar (Draxler 87.)
Schiri: Michael Weiner (Hasede)
Zuschauer: 80 720 (ausverkauft)
Piszczek - 2,5 – Die Überraschung der Saison mit einer erneut sehr soliden Leistung. Defensiv kaum gefordert, ein paar gute Vorstöße über rechts.
Hummels – 2 – Alle Zweikämpfe gewonnen, Fallrückzieher, starke Offensivaktionen.
Santana – 3 – Manchmal mit einer sehr unorthodoxen Spieleröffnung. Ein guter Subotic-Erstatz
Schmelzer – 3,5 – Wie Piszczek defensiv kaum gefordert, in der Offensive ohne große Aktionen
Sahin – 3 – Gerade in der zweiten Halbzeit mit schlechten Freistößen und fehlender Präzision.
Bender – 2 – Gewann die Zweikämpfe teilweise nur durch seine Anwesenheit. In der Form seines noch jungen Lebens.
Kuba – 3 – Kuba, Kuba, Kuba. Was soll man da nur sagen. Immer wieder mit brandgefährlichen Vorstößen, trieb das Spiel gerade in der ersten Halbzeit immer wieder an. Doch im Abschluß einfach nur überhastet, fast schon kläglich.
Götze – 3 – Vergabe zu viele Chancen. Daher hier nur eine 3.
Großkreutz – 3,5 - Fiel wie Schmelzer ein wenig ab. Hatte in der ersten Halbzeit einige starke Aktionen, später folgerichtig ausgewechselt
Barrios – 4 – Wieder so ein Tag, an dem Lucas wenig Glück hatte. Einmal verpasst er mit dem langen Bein, einmal vergibt er aus aussichtsreicher Position, einmal scheitert er am Pfosten