"Halts Maul, sonst kommst nach Dachau"
Um halb sechs Uhr morgens trafen sich rund 40 Jugendliche, um zusammen mit der Fanbetreuung und dem Fanprojekt nach München zu starten. Nach dem man in den letzten beiden Jahren das Gastspiel in Berlin nutzte, um die Gedenkstätte Sachsenhausen zu besuchen, besuchte man diesmal die Gedenkstätte Dachau. Diese liegt nahe der bayerischen Landeshauptstadt und wurde im Rahmen einer ähnlichen Reise bereits in der Saison 2007/2008 angesteuert. Die Bullibesatzung machte sich circa drei Stunden später auf den Weg nach München.
Nach einer beschaulichen Fahrt in den Süden der Republik traf die Gesellschaft zeitig am Hostel in direkter Nähe zum Hauptbahnhof ein. Die Teilnehmer bezogen schnell ihre Zimmer und dann ging es auch schon los gen Arena in Fröttmaning. Da es in München Usus ist, dass die Eintrittskarte nicht für den Nahverkehr gilt, mussten erst einmal Tickets gelöst werden. Nach der 25-minütigen Fahrt traf man im Münchner Umland beim Schlauchboot ein. Das Spiel wird wohl jedem Teilnehmer für immer in Erinnerung bleiben, solch einen Sieg haben wohl die wenigsten in München schon einmal miterlebt.
Nach dem Spiel wurde noch ausgiebig am Stadion gefeiert, bis es dann mit der U-Bahn zurück in die Münchner Innenstadt ging. Dort waren Tische im Augustiner Bräu reserviert und es schlossen sich noch weitere BVB-Fans spontan an. Bei Getränken und zünftigen deutschen Speisen sorgte man für das leibliche Wohl. Einige Fans litten allerdings an den Münchner Gepflogenheiten, die Küchen früh zu schließen. Die Nachzügler mussten sich daher etwas anderes zu essen suchen, was sich als relativ schwierig rausstellte, da sogar die Dönerbuden schon gegen 23 Uhr geschlossen hatten. So blieb nur ein bekannter Pizzalieferant als Notnagel. Die Pizza kam dann rechtzeitig zur Schließzeit der Bierhalle. So zog man mitsamt Pizza zum Hostel und machte es sich dort in der Bar gemütlich. Für einige war dann dort erst Schluss, als auch hier gegen zwei Uhr Zapfenstreich an der Bar war. Die meisten steuerten nun die gebuchten Pensionen und Hostelbetten an, einige andere hingegen brachen nochmal gen Marienplatz auf.
Am Sonntagmorgen stand dann für die meisten erst einmal ein ausgiebiges Frühstück auf den Programm. Einzelne verließen jedoch zu spät ihre Betten und fuhren so ohne Frühstück und Kaffee nach Dachau, die Laune war entsprechend.
Die Besichtigung der Gedenkstätte Dachau begann mit einer ausführlichen Führung. Der Leiter hatte sich sehr gut auf die nicht alltägliche Gruppe vorbereitet und stellte auch immer wieder eine Verbindung zum Fußball und Dortmund her. So hatte er die Dortmunder Häftlinge rausgesucht und von zwei Personen exemplarisch ihre Deportationswege nachgezeichnet. Nach der Besichtung des Museums und der Baracken wurde noch das Krematorium und die nie eingesetzte Gaskammer angeschaut. Gerade das hautnahe Erleben der Lebensumstände der Häftlinge und des maschinellen Tötungsapparates haben eine Intensität, die das reine Sprechen darüber nie erreichen kann. Bei der Führung fiel auch immer wieder die Frage nach der Verantwortung der Gesellschaft. So erfuhren die Teilnehmer, dass es in der Stadt Dachau durchaus üblich war, seine Kinder mit „Halts Maul, sonst kommst nach Dachau“ zu tadeln. Wobei mit letzterem das KZ gemeint war.
Zum Abschluss traf die Gruppe dann noch den Zeitzeugen Ernst Gruber, der von seiner Zeit in München und seiner Deportation nach Theresienstadt erzählte. Da er der Sohn einer Jüdin und eines „Ariers“ war, entging er zwar der Ermordung, musste aber dennoch sehr bewegte Jahre erleben. Seine Jugend in München war geprägt von Ausgrenzung und Vorurteilen. Nachdem er die ersten Jahre seiner Kindheit in einem jüdischen Kinderheim verbracht hatte, musste er später mit seinen Eltern im Ghetto leben, bis sie drei Monate vor Kriegsende nach Theresienstadt deportiert wurden. Dort wurde er dann am 8. Mai 1945 von der vorrückenden russischen Armee befreit. Danach kehrte er nach München zurück und engagierte sich in der Arbeit gegen Rechts. So verband er seine Geschichte mit mahnenden aktuellen Beispielen der jüngeren Vergangenheit. Anschließend konnten die Teilnehmer ihm Fragen zu seinem Leben und seiner Motivation stellen. Seine Lebensgeschichte bot auch ein Beispiel für die positive Wirkung von Sportvereinen, denn während seiner Zeit beim TSV 1860 München erlebte das erste mal ein Gemeinschaftsgefühl außerhalb der jüdischen Gemeinde. Insgesamt wurde deutlich, wie wichtig es ihm war, uns zu kritischem Denken anzuregen. Er betonte, dass es nötig ist, sich immer wieder zu fragen, warum etwas geschieht.
Gegen halb drei brachen wir leider schon wieder auf, da noch die Rückfahrt nach Dortmund anstand. Nach der Verabschiedung und allerlei Danksagungen ging es zum Bus, um ein Gruppenfoto zu knipsen. Danach machte man sich wieder nachdenklich auf den langen Rückweg nach Dortmund.
Zusammenfassend bleibt zu sagen, dass diese Reise eine echte Bereicherung für jeden Teilnehmer war. Durch die Unterstützung des BVB und dem Einsatz der Fanbetreuung und dem Fanprojekt wurde jungen Leuten die Möglichkeit gegeben, hautnah die Erinnerungen an die dunkelsten Jahren der deutschen Geschichte zu erleben. Gleichzeitig zeigt diese Fahrt, dass Fußball und gesellschaftliche Verantwortung sich nicht gegenseitig ausschließen, sondern dass man eben gemeinsam mit dem Fußball seinen Teil zur Jugendentwicklung beitragen kann. Es ist wünschenswert, dass solche Reisen auch zukünftig möglich sind und vielleicht auch weitere Fußballvereine ähnliche Angebote an ihre jungen Fans machen.
-mrg, 01.03.2011