Kein Nelson Valdez
Was wurde über Robert Lewandowski nicht schon auf der Südtribüne und auch in den anderen Teilen des Westfalenstadions geschimpft? "Der ist doch keine 5 Millionen wert.", "Wir haben einen neuen Nelson Valdez.", "Fehleinkauf", "Chancentod". Im Laufe der Saison gab es viele Namen für den jungen Polen, der vor der Saison in langen Transferverhandlungen doch noch in den Pott und damit zum kommenden Deutschen Meister geholt wurde. Natürlich muss festgehalten werden, dass Lewandowski gerade in den Pokalwettbewerben eine unglückliche Figur hinterließ.
Beim DFB-Pokal-Aus in Offenbach gehörte Lewandowski neben Barrios zu den Borussen, die vom Punkt aus scheiterten – nicht gerade typisch für einen Stürmer. Und auch in Paris hätte Lewandowski die Tür zum Überstehen der Gruppenphase ein ganzes Stück aufreißen können, als er alleine auf das Tor zulief, am Ende aber auch vergab. Schnell schossen sich seine Gegner auf ihn ein, sprachen davon, dass „Lewy" den BVB einige Millionen gekostet hätte. Viel zu oft wird dabei außer Acht gelassen, dass die erste Saison des Robert Lewandowski im BVB-Dress alles andere als ein Fehlschuss war. Im Gegenteil: ich stufe sie als einen Erfolg ein.
Wer erinnert sich noch an die erste Saison bzw. die erste Hälfte der ersten Spielzeit eines gewissen Lucas B., der vom Welttorjäger zum „Weltnixjäger" degradiert wurde, lange auf sein erstes Bundesliga-Tor wartete, dann aber noch in derselben Spielzeit 18 weitere folgen ließ. Auch hier fielen schnell die Worte „Fehleinkauf", der Sprung von der chilenischen in die deutsche Liga sei zu groß gewesen, hieß es. Ähnliches sagten auch die Kritiker von Lewandowski, der den Sprung von Polen nach Deutschland diesen Aussagen nach nicht so einfach geschafft hätte. Dass ein Spieler in einer neuen Mannschaft und erst recht in einer neuen Liga, in der ein anderer Fußball gespielt wird als zu Hause, eine gewisse Zeit der Eingewöhnung braucht, steht außer Frage. Dies ist unabhängig von der Position, auch Verteidiger müssen sich zunächst teilweise an das schnellere Spiel in Deutschland gewöhnen. Wenn Stürmer diese Einarbeitungszeit brauchen, wird ihnen dies aber schnell zum Verhängnis. Das liegt daran – und ich bezahle bereitwillig die drei Euro in die „Neid und Missgunst"-Kasse des ehemaligen Deutschen Sportfernsehens – dass Stürmer immer noch an Toren gemessen werden.
Viel zu oft wurde bei Lewy aber auch außer Acht gelassen, dass er nicht der klassische Knipser ist, kein Lucas B., der eiskalt vor dem Tor verwandelt und nur dafür beurteilt wird. Vielmehr ist Robert auch ein starker Ballverteiler, der hinter den Spitzen spielen kann und dort auch seine Stärken hat. Dies wurde im Verlauf der Saison genau dann deutlich, wenn man die Spiele von Lewandowski als Barrios-Ersatz in der Sturmspitze mit den Spielen auf der „10"
vergleicht. Lewandowski ist vielmehr ein Offensivallrounder, der auch beispielsweise auf der rechten Seite eingesetzt werden kann – und genau das macht ihn stark. Robert hatte große Schwierigkeiten in dieser Saison einen Stammplatz zu finden – die Schuld hierfür ist nicht unbedingt bei ihm, sondern bei der starken Besetzung der ersten Elf zu suchen – war aber immer da, wenn er gebraucht wurde. War Barrios verletzte, konnte sich der Fan immer noch freuen, einen Mann wie Robert Lewandowski auf der Bank zu wissen, über den sich viele andere Bundesligisten definitiv in der Stamm-Elf gefreut hätten. Fiel ein Mario Götze oder Kuba aus, war Lewy auch wieder bereit, einzuspringen. Und häufig erledigte er dies mit Bravour. Seine vier Tore als Joker sprechen genau für diesen Fakt.
Und auch wenn beim Derbysieg in der Turnhalle häufig (und zurecht) die Konzentration der Beobachter auf einem kleinen Japaner mit der Rückennummer 23 liegt, darf man nicht vergessen, wer das dritte Tor für die Mannen in Schwarz-Gelb erzielte und damit bereits am dritten Spieltag das erste Mal für seine neue Mannschaft traf. Bis Lewandowski zum ersten Mal in der vergangenen Saison in der Startelf des Deutschen Meisters stand, zogen vierzehn Spieltage ins Land. Vierzehn Mal wurde er eingewechselt, kam dabei auf insgesamt 236 Minuten Spielzeit. Nicht unbedingt viel,