Hey Manni, Manni
Es war einmal vor langer Zeit, genauer gesagt vor 22 Jahren, in einem fernen Freistaat. Dort bekam das wackere und brave Ehepaar Bender vom König den Auftrag, der Welt zu zeigen, aus was für einem Holz die Menschen in diesem Freistaate geschnitzt sind. Sie sollten in die tiefsten Wälder gehen, den härtesten Baum finden und daraus drei Kinder schnitzen. Zwei Buben und ein Mädel. Sven, Lars und Chuck-eline geheißen.
Die Benders packten Wasser und Brot in ihren Proviantbeutel und machten sich sofort auf die Suche. Weit, weit im tiefen Wald fanden sie einen Specht mit verbogenem Schnabel. Voller Sorge und Mitleid fragen sie ihn, wie ihm das passieren konnte. Der Specht erzählte ihnen vom Baum mit dem härtesten Holz der Welt, den kein Specht jemals zerhacken könnte. Die Benders waren ganz aufgeregt und baten den Specht, ihnen den Weg zu zeigen, was er auch tat. Zwei Tage später fanden sie ihn. Gut gewachsen und so hart, dass nicht nur Spechtschnäbel, sondern auch menschliche Beine unweigerlich daran zerbrechen mussten. Leider war der Baum gerade einmal vier Meter hoch, so dass es nur für Sven und Lars reichte. Heimlich waren die Eltern sogar ganz froh darüber, weil sie keine Ahnung hatten, wie sie ein Mädel mit dem Namen Chuck-eline jemals unter die Haube kriegen sollten...
So oder so ähnlich muss sie gewesen sein, die Geschichte der Bender-Zwillinge. Nicht nur waschechte Bayern, sondern auch waschechte Europameister, die 2008 mit der U-19 Nationalmannschaft den Titel holten. Den Löwen-Fans muss das Herz bluten, bei dem Gedanken daran, was man heute für eine Mannschaft hätte, wenn einem das Wasser nicht bis zum Hals stehen würde. So aber ist man immer wieder gezwungen, hoffnungsvolle Talente abzugeben, noch bevor sie spielerisch den Sechzigern richtig zeigen konnten, was sie alles drauf haben. So auch im Falle von Sven Bender. Hier floss noch nicht einmal Geld, Michael Zorc holte den gebürtigen Rosenheimer im Tausch gegen Antonio Rukavina, der letztendlich auch nicht die erhoffte Verstärkung für die Position des Rechtsverteidigers war, zu unserem BVB. Ob Zorc da wirklich schon genau bewusst war, was für einen Rohdiamanten er da an Land gezogen hat? Unter den BVB-Fans war die Stimmung eher positiv skeptisch. Junger, talentierter Bursche mit Entwicklungspotential, der sich aber sicher erst einmal ganz weit hinter Kapitän Kehl auf der Position des „Sechsers" anstellen musste. So eine Art Schnuppersaison und dann mal gucken, was aus ihm wird.
Doch es kam anders. Als Neuling für den verletzten Kehl ins kalte Bundesligawasser geworfen, hat sich Sven zu einem elementaren Baustein des Dortmunder Spiels entwickelt. Ende März 2011, also in zweiter Saison beim BVB, stehen bereits 52 Spiele in Bundesliga und Europa-League in seinem Leistungsprofil. Dabei hat er sich zum kongenialen Partner von Nuri Sahin auf der Sechs entwickelt. Das Zusammenspiel funktionierte auf Anhieb, zunächst bei eindeutiger Rollenverteilung. Während Nuri den Takt des Dortmunder Spiels angab, hielt Bender ihm den Rücken frei. Man hatte sofort den Eindruck, dass es zwischen den beiden ganz einfach passte. Bender gab Sahin den nötigen Freiraum für Offensivaktionen, fand aber trotzdem immer den richtigen Abstand, um als rückwärtige Anspielstation für Notfälle und Absicherung nach hinten bereit zu sein. Kurz gesagt: Bender und Sahin, das passte von Beginn an. Trotz dieser scheinbar undankbaren und unauffälligen Rolle im Dortmunder Spiel schaffte Bender es, sich in die Herzen der Dortmunder Fans zu spielen. Die Art und Weise, wie er kompromisslos in Zweikämpfe geht, erinnert auf angenehme Weise an alte Dortmunder Kämpen vom Stile eines Sergej Gorlukowitsch. Hart gegen sich selbst und hart gegen den Gegner. Gerade einmal 5 gelbe Karten in zwei Spielzeiten zeugen aber davon, dass er eine perfekte Balance zwischen Härte und Fairness im Zweikampf mit sich bringt.
Wieviel Respekt sich Sven „Manni" Bender im Team erarbeitet hat, zeigt zum Beispiel die Aussage von Nuri Sahin, der ihn schlicht und ergreiftend für „bekloppt" erklärt hat, weil Sven mit dem Kopf in Zweikämpfe gehe, wo ein um Selbstschutz bemühter Bundesligaprofi nicht einmal sein Bein reinhalten würde. Manchmal muss man Bender sogar vor sich selbst schützen und mit sanfter Gewalt vom Platz schleifen, wenn er mal wieder mit einer Gehirnerschütterung oder einer ausgekugelten Schulter die fällige und notwendige Auswechselung verweigert. Welchem BVB-Fan, der ernsthaft für das viel zitierte Klischee vom verehrten Malocher einsteht, geht da nicht das Herz auf, wenn er Sven Bender in Aktion sieht?
Dabei ist Benders Entwicklung noch längst nicht abgeschlossen. Dass er kämpfen kann, hat man schnell gesehen. Das konnten auch andere, die bei Jürgen Klopp schon längst durchs Raster gefallen sind, wie ein Nelson Valdez. Bender hat es aber geschafft, sich auch in den temporeichen und technisch höchst anspruchsvollen Fußball des BVB in der Saison 2010/2011 zu integrieren. Weil er fußballerisch gar nicht so limitiert ist, wie man es von einemZweikampfmonster eigentlich erwartet. Er war von Anfang an ballsicher und die von ihm eroberten Bälle blieben auch, anders als häufig bei Kehl zu beobachten, fast ausschließlich in den eigenen Reihen. Und im Laufe der Saison traute er sich immer mehr zu, ging nach vorne, kurbelte, wohl dosiert, selbst das Spiel an und schoss in Kaiserslautern endlich das langersehnte Tor im schwarzgelben Trikot.
Sven Bender hat den BVB der aktuellen Spielzeit entscheident mitgeprägt, sich zu einem Publikumsliebling gemausert und sein Spiel immer weiter entwickelt. Eine Entwicklung, die längst noch nicht abgeschlossen ist und er wird, wenn er seinen bis Juni 2016 laufenden Vertrag erfüllt, uns allen noch verdammt viel Freude bereiten. Hey Manni, Manni....