Vom Sünder zum Helden: Lukasz Piszczek
Es ist der 13. Mai 2006, wir schreiben den 30. und letzten Spieltag der polnischen Ekstraklasa. Der drittplatzierte Club Zaglebie Lubin benötigt mindestens einen Punkt, um auf jenem dritten Platz, der für den Start in der ersten Qualifikationsrunde zum damaligen UEFA-Cup berechtigt, zu bleiben. Also entschließt sich der Mannschaftsrat, dem kommenden Gegner, Traditionsverein KS Cracovia, umgerechnet rund 25.000 Euro zu bieten, damit diese im Spiel kein Tor erzielen. Die Manipulation gelingt, die Krakauer erzielen vor eigener Kulisse kein Tor, das Spiel endet 0:0.
Der im Sommer 2004 von seinem Jugendverein Górnik Zabrze an Hertha BSC Berlin verkaufte und daraufhin für drei Jahre an Zaglebie Lubin verliehene Mittelfeldspieler Lukasz Piszczek kommt nicht zum Einsatz. Er sitzt noch nicht einmal auf der Bank, an diesem denkwürdigen Tag. Im Alter von nur 20 Jahren war er sicher auch nicht federführend an diesem Skandal beteiligt. Aber er beteiligte sich an den Zahlungen, was ihm später zum Verhängnis werden sollte. Piszczek zeigte sich im Dezember 2009 selbst bei der Breslauer Staatsanwaltschaft an und wurde mittlerweile verurteilt.
2007 gewann er dann mit Lubin die polnische Meisterschaft und kehrte daraufhin nach Berlin zurück, um zuerst im Sturmzentrum, später dann auf der linken offensiven Außenbahn auszuhelfen - er brachte es in dieser Saison auf 24 Einsätze. Nachdem er sich in der Saison 08/09 verletzte und länger ausfiel, bot der neue Trainer Lucien Favre ihn nach seiner Genesung auf der Rechtsverteidigerposition auf. Er sollte auf weitere 13 Einsätze kommen, bevor er in der folgenden Saison endlich zur Stammkraft avancierte. Doch nach dem Höhenflug im Vorjahr, legte die Hertha eine katastrophale Saison hin und stieg mit nur einem einzigen Heimsieg in der gesamten Saison sang- und klanglos ab.
Als im Sommer letzten Jahres die ablösefreie Verpflichtung des Polen bekannt wurde, hielt sich die Begeisterung - gelinde gesagt - in Grenzen. Piszczek hatte aus einer katastrophalen Berliner Mannschaft keinesfalls herausgeragt und so empfanden viele Fans den Polen nicht als benötigte Verstärkung. Wie solle uns ein Spieler dieser desolaten Mannschaft nur in Europa weiterhelfen?
Leider sollte er recht früh die Gelegenheit bekommen, uns von seinem Können zu überzeugen. Nachdem er anfangs in fast jedem Spiel im rechten Mittelfeld eingewechselt wurde, verletzte sich Patrick Owomoyela nach dem Heimspiel gegen den FC Sevilla unerwartet schwer und sollte fast die komplette Restsaison ausfallen. Damit hinterließ er eine beachtliche Lücke, war er doch statistisch der beste Außenverteidiger in der Bundesligasaison 2009/10. Ich mache es kurz: Lukasz wuchs über diese Lücke hinaus!
Bereits im Heimspiel gegen den FC Bayern beackerte der Pole unnachgiebig die rechte Seite und rang so die Bayern mit nieder. Zwar kann er nicht ganz die Kopfballstärke des Jungpopstars aufweisen, er macht diesen Makel aber durch andere Fähigkeiten wieder wett. Am Boden ist er kaum vom Ball zu trennen, er harmoniert bestens mit den Kollegen Subotic, Bender, Götze oder Kuba und legt dabei ein Tempo an den Tag, das schon manchen Gegner ins Staunen versetzt hat.
Der seit Freitag 26-jährige Pole (alles Gute nachträglich!) hat alle Zweifel widerlegt. Er hat mit seiner stürmischen, aggressiven und dennoch fairen Spielweise seinen Kollegen Owomoyela nicht nur blendend vertreten, sondern mittlerweile sogar verdrängt. Trotz aller Sünden in seiner Vergangenheit ist Lukasz Piszczek nicht nur ein herausragender Bundesligaspieler, er ist jetzt auch Deutscher Meister - und damit ein Held in schwatzgelb. Danke für eine tolle Saison, Pischo!