Jetzt geht wieder alles von vorne los
Die Sommerpause hatte 105 Tage, davon entfielen gute vier Wochen auf die WM im Vuvuzela-Beat, vielleicht 10 aufs faule Rumhängen an irgendwelchen Badestränden und die restlichen Tage auf eine seltsame innere Leere. Wenig überraschend also wenn Hannover Boss Martin Kind (mit 66 im besten Udo Jürgens Alter) ernüchtert konstatiert: "Ich fühle mich so leer, und das schon bevor die Saison begonnen hat".
Befremdlich nur der zweite Teil der Aussage des erfolgreicher Hörgeräteherstellers aus Hannover. Leer? Bevor die Saison begonnen hat? Und nicht, weil die Saison noch nicht begonnen hat. Es steht nicht gut um Kind, den beliebten Traditionalisten aus der Leinestadt. Wie soll das nur für ihn weitergehen? Am dritten Spieltag muss er den Trainer entlassen, zur Winterpause fliegt der Sportmanager und ein weiterer Trainer, zwischendurch kämpft er Don Quichote like gegen den Reformer Rauball und seine Untertanen. Am Ende seines erbitterten Kampfes könnte der Bundesligaabstieg stehen.
Doch nicht nur Hannover, sondern natürlich alle 18 Vereine der Bundesliga werden uns auch in dieser Saison wieder den Stoff liefern, den wir Junkies in den letzten Monaten so vermisst haben. Das Ersatzprodukt WM blieb ohne Langzeitwirkung. Oder erinnert sich etwa noch jemand an das Ergebnis zwischen Mexiko und Uruguay? Auch die Namen der Innenverteidiger Neuseelands, die immerhin ungeschlagen,durch die WM stolzierten, sind längst vergessen.
Endlich wieder Bundesliga! Da sind sich wohl die Fans aller Vereine, Hannover einmal ausgenommen, einig. Endlich wieder Zeit für Helden, Feindbilder, grenzenlosen Jubel und bittere Tränen. 90 Minuten, jede Woche kann man sich die Dosis zwischen Hamburg und München, zwischen Wolfsburg und Lautern abholen. Zeit für neue Spinnereien, neue Projekte, neue Trikots, neue Stadionbezahlsysteme, neue Gagadiskussionen im sonntäglichen Doppelpass, neue Spielsysteme, neue Buhmänner, neue Wandervögel. Doch hier trennen sich dann auch die Wege der Vereine. Für rund die Hälfte wird es in den Keller gehen, der Rest orientiert sich nach oben, rechnet wöchentlich nach, ob der Vorsprung auf Italien jetzt angewachsen oder gesunken ist, und wird sich schwarz ärgern, dass der HSV im letzten Jahr zu blöd war, sich für das Finale der Europa League zu qualifizieren.
Wohin aber wird der Weg der jungen Dortmunder Mannschaft führen? Wer
wird überraschen, wer spielt sich in die Herzen der Fans und wer nimmt
die Rolle des Sündenbocks ein? Wohin liegt das Limit in der Saison
2010/2011? Mats Hummels hat im vergangenen Winter gut aufgepasst und hat
somit auch die richtige Antwort parat: "Man sollte sich nach oben nie
ein Limit setzen! Es gibt 102 Punkte zu holen.
Die will ich, auch wenn es unrealistisch ist." antwortete der kommende Nationalspieler auf diese Limit angesprochen dem perplexen ruhrnachrichten-Redakteur. Auch Paul Lambert, einer der Champions-League Sieger von 97, zeigte sich im Interview mit schwatzgelb durchaus optimistisch: "Die Fans im Westfalenstadion stehen mit solch einer Liebe hinter ihrem Team, da gibts du als Spieler automatisch alles, um sie nicht zu enttäuschen und als Verlierer den Platz zu verlassen. Du willst dort jedes Spiel gewinnen. Borussia kann in dieser Saison viel erreichen". Das Personal dafür haben wir, die ersten Ergebnisse aus Landes- und Europapokal klingen verheißungsvoll. Mit Shinji Kagawa scheint dem Verein ein echter Transfercoup gelungen zu sein, mit Robert Lewandowski, dem Torschützenkönig der polnischen Ekstraliga, haben wir nach zähen Verhandlungen einen nicht billigen, aber sicher sehr guten und noch entwicklungsfähigen Stürmer in der Hinterhand, der als Ersatz für den Transfervolltreffer der letzten Saison, Lucas Barrios, zu Einsatzzeiten kommen und seine Torgefahr unter Beweis stellen wird. Mit Götze, Hornschuh, Ginzcek und Stiepermann drängt ein junges Quartett aus dem Jugendbereich teils mit großer Macht in den 18er-Kader. Die dortigen Stützen Sahin, Hummels, Subotic, Schmelzer und Großkreutz waren bei der letzten Dortmunder Meisterschaft noch im D-Jugend-Alter. Dazu gesellt sich die Gruppe der Erfahrenen um Kehl, Owomoyela, Weidenfeller und Dede. Es sieht gut aus. Doch wohin der Weg der Mannschaft führen wird, ist jetzt natürlich noch nicht sicher. Doch wo andere Leere in sich spüren, ist den Borussen seit zwei Jahren großes Selbstvertrauen erwachsen. Das Projekt 102 gilt solange es gilt und dann schauen wir weiter.
Die erste Hürde, die die DFL dem Rekordvorhaben in den Weg gestellt hat, ist gleich einer der höheren in dieser Saison: Bayer Leverkusen. Das Konzerteam von Jupp Heynckes konnte außer Toni Kroos sämtliche Stützen der letztjährigen Halbzeithimmelstürmer beisammenhalten. Mit Sydney Sam von Aufsteiger Kaiserslautern und Michael Ballack vom englischen Doublegewinner Chelsea verpflichteten sie zusätzlich noch zwei Hochkaräter. Der Ex- und vielleicht ja doch bald wieder Kapitän der Natioanlmannschaft machte in der Sommerpause Schlagzeilen. Es waren keine sportlichen Gründen, die ihn dort hinführten. Der Kindergartenkrieg mit Lahm, inklusive der unschönen Äußerungen des Ballack-Beraters Michael Becker und seine Freundschaft mit Christian Lell zementierten vor allen Dingen seine Position als Lothar-Matthäus-Nachfolger. Ob es sportlich für den ehemals torgefährlichsten Mittelfeldspieler der Welt noch einmal reicht, wird er in den nächsten 9 Monaten zeigen müssen. Doch auch ohne Ballack, dessen Einsatz nach einer Halbzeit im Simferopol-Spiel noch ungewiss ist, und auf jeden Fall ohne Patrick Helmes, wird Leverkusen nicht ohne Grund zum erweiterten Titelanwärterkreis gezählt. Wie man dieses Team besiegen kann, zeigte Borussia jedoch im letzten Vergleich in der abgelaufenen Saison, ein bärenstarker Weidenfeller im Tor und zahlreiche Nadelstiche in die Leverkusener Schwachstelle, die Innenverteidigung um Hyypiä und Manuel Friedrich langten im März zum in dieser Höhe sicherlich unverdienten 3-0 Erfolg. Ein Ergebnis mit dem am Sonntag die erwarteten 76.000 Zuschauer sicher gut leben könnten.
Endlich geht es wieder los, Projekt 102 lebt!
Vizekusen: Adler - Schwaab, M. Friedrich, Reinartz, Kadlec - Vidal, L. Bender - Renato Augusto, Sam - Kießling, Derdiyok
Ort: Westfalenstadion
Zeit: 22.08.2010 um 17.30h
Wetter: Wird überragend
Zuschauer: es gibt noch ausreichend Karten an den Tageskassen, die ab 13 Uhr geöffnet sein werden. Stand Freitag waren rund 71.000 Karten verkauft