Sevilla sehen... und sterben.
So oder so ähnlich kann man wohl das ausdrücken, was sich mir in den letzten Tagen unter andalusischer Sonne geboten hat. Auf der einen Seite die beeindruckende Schönheit der Stadt, mit ihrer weltoffenen und sehr entspannten Atmosphäre, prunkvollen Bauten und malerischen Straßenzügen. Auf der anderen Seite der eher nüchtern ausfallende sportliche Aspekt.
Am Morgen des Spiels zwischen dem heimischen Futbol Club de Sevilla – auch bekannt als der vom Papier her größte Konkurrent unserer Borussia, im Kampf um den Gruppensieg – und den französischen Gästen aus Paris, machte ich mich auf den Weg zum Estádio Ramón Sánchez Pizjuán im östlichen Stadtteil Nervion. Der große Schock dann bereits nach dem ersten Blick auf das Stadion. Baufällig, marode, völlig heruntergekommen. In Deutschland hätte ich in so einem Fall nicht weniger als zwei Reihen Bauzäune und meterweise rotes Absperrband erwartet. In Spanien dagegen anscheinend ein normaler Zustand (jedoch muss an dieser Stelle erwähnt werden, das ich diesen Eindruck aus dem Camp Nou in Barcelona oder dem Bernabeu in Madrid nicht bestätigen kann). Die Stimmung schon etwas getrübt, betrat ich den Fanshop unter der Osttribüne. Auch hier, wie scheinbar in ganz Andalusien, sprach niemand Englisch, was meine Suche nach Interviewpartnern erheblich erschwerte und letztlich auch einschränkte. Also versuchte ich mit einigen Brocken Spanisch den Mitarbeitern Informationen zu entlocken. Also stellte ich einige Standardfragen, nach dem Motto, wie bekannt denn die Dortmunder Borussia in Sevilla sei und was mit dem Namen Westfalenstadion verbunden wird. Die Antworten, die ich von den sehr freundlichen Mitarbeitern erhielt, steuerten alle in dieselbe Richtung. Ja, ja, Dortmund war doch mal Championsleague-Sieger vor einigen Jahren und das Stadion ist ziemlich groß – die WM '06 wurde also auch in Spanien gesehen. Ich wäre gern noch etwas tiefgründiger geworden, doch zu mehr reichte mein Spanisch und das Englisch der Spanier einfach nicht. Es soll wohl einen Mitarbeiter gegeben haben, der Englisch konnte, zu meinem Glück hatte der aber Urlaub. So ließ ich mir dann nur noch kurz erklären, wo ich Tickets kaufen konnte und machte mich auf den Weg zur Tageskasse. Die Karte in der Hand (40 € für den billigsten Platz, dafür aber im Kern der heißblütigen Sevillas), wollte ich eigentlich wieder in Richtung Innenstadt. Doch ein großes, schwarzes Luxusauto eines Deutschen Herstellers fuhr genau zu der Zeit aus einem der vielen Stadiontore.
Eigentlich nicht weiter ungewöhnlich, wenn da nicht mehrere Männer mit riesigen Kameras auf den Schultern gewesen wären, die wild gestikulierend auf das Auto zusteuerten. Es folgten drei Autos derselben Sorte und plötzlich stand ich inmitten hysterischer Spanierinnen und vor Freude zappelnder Kinder. So langsam dämmerte auch mir der Grund für diesen Trubel. Vorsorglich zückte ich meinen Fotoapparat und schaltete ihn ein. Eine gute Idee, wie sich kurze Zeit später herausstellte. Luis Fabiano, Jesus Navas (wow, ein spanischer Weltmeister) und Didier Zokora standen mittlerweile direkt neben mir, sodass ich die Gunst der Stunde nutzte und fleißig fotografierte. Peinlich wurde es, als mich ein jüngerer Spanier, eingehüllt in Sevilla-Schal und viel zu großem Trikot, nach den Namen der Spieler fragte und missmutig davon trottete, da ich ihm erklärte ich sei Engländer und kenne daher sowieso nur Wayne Rooney.
Am Abend dann also wieder zum Stadion. Und diesmal fuhr der von mehreren Polizeiwagen eskortierte Paris S.G.- Bus an mir vorbei, doch schon ein kurzer Blick reichte um Spieler wie Claude Makelele oder Ludovic Giuly zu erkennen. Zum Spiel muss eigentlich nicht viel gesagt werden. Die spanischen Anhänger betraten (wie immer halt) zwei Minuten vor Anpfiff das Stadion und sorgten während des Spiels nicht gerade für Gänsehautatmosphäre.
Beeindruckt haben mich die 8 (!) mitgereisten Saint Germain Fans. Schon der Wahnsinn, wie viele bereit waren die knapp 30 Stunden Flug auf sich zu nehmen um ein so unbedeutendes Spiel ihrer Mannschaft fernab vom Zentrum Europas zu verfolgen.
Die Sevillanos feierten trotz der knappen Niederlage (0:1) ihre Mannschaft und saßen dann noch bis spät in die Nacht in den berühmten Tapas-Bars.
Als Fazit also: Es lohnt sich allemal im Dezember nach Sevilla zu fliegen, eine super Stadt mit tollen Menschen und ein Verein, bei dem drei Auswärtspunkte drin sein sollten.
Tim, 13.12.2010
Alle Bilder wurden unter Creative Commons Lizenz veröffentlicht:
Urheber Bild 1: Ecemanl
Urheber Bild 2: Xosealberte
Urheber Bild 3: dubaduba