Pyro und Verantwortung
Am 24. Spieltag konnte man es in etlichen Kurven leuchten sehen. Beim Derby gab es im Dortmunder Block einen Bengalo und Böller, in Stuttgart brannte es, Köln in Leverkusen und im Bochumer Gästeblock gab es unter den Anhängern des FC Nürnbergs gar 8 Verletzte aufgrund von Pyroaktionen.
Dabei werden die Wenigsten abstreiten, dass der Anblick einer von Bengalfacken erleuchteten Kurve durchaus imposant und schön ist. Ebenso wenig lässt sich allerdings das Gefahrenpotential der Mischung aus einer mehreren hundert Grad heißen Flamme und einer dichtgedrängten Menge, die im Falle eines Tores wild und unkontrolliert durcheinander springt, abstreiten. Darüber zu streiten ist auch müßig, denn eins ist an dieser Sache unumstößlich: Pyromaterial ist in den deutschen Fußballstadien verboten. Jeder gezündete Bengalo ist ein Verstoß gegen die Stadionordnung und zieht für die Beteiligten harte Konsequenzen nach sich. Ein Stadionverbot ist denjenigen sicher, auch die monetären Strafen, die die Vereine dafür erhalten, können an die Verantwortlichen weiterbelastet werden.
Dabei könnte man für ein derartiges Verhalten sogar bis zu einem gewissen Grat Verständnis haben. Die „Szenen“ aus denen heraus gezündelt wird, sind noch verhältnismäßig jung und üben gerade auf die jüngeren Fans eine große Anziehungskraft aus. Und es ist gerade zu ein typisches jugendliches Verhalten, dass Verbote nur noch mehr reizen und bewirken, dass man genau entgegengesetzt handelt. Blendet man das Gefährdungspotential aus, könnte man an dieser Stelle einlenken und sagen: Strafe kassieren und hoffen, dass der oder die Betreffenden daraus lernen. Die Auswirkungen dieser Bilder und der Verstöße gegen das Pyroverbot betreffen aber alle Fans. Sie bewirken, dass in den Gästeblöcken oftmals jegliches Fanmaterial wie Fahnen und Doppelhalter, die man zum Einschmuggeln des Materials ebenso bneutzen kann, wie als Sichtschutz beim zünden, verboten sind und mancher Ordner am Einlass Bereiche des Körpers abtastet, die außer einem selbst nur dem eigenen Partner zugänglich sein sollten.
Es gibt erste Bemühungen, diese Situaion wieder etwas zu entspannen. Beispielsweise seien hier St. Pauli oder eben auch der BVB genannt, wo Fanmaterial wieder im vollen Umfang mitgebracht werden darf, wenn dafür auf die Benutzung von Pyrotechnik komplett verzichtet wird. Ein Vertrauensvorschuss und die Chance, den vielzitierten Selbstreinigungskräften der Fanszene auch nachzukommen. Solchen Bestrebungen und den Leuten, die sich dafür einsetzen, gehen aber mit jedem weiteren Bild einer „brennenden“ Kurve die Argumente aus. Der Einsatz von Bengalos und Co. nimmt zu statt ab und wie soll man bei den Vereinen Vertrauen erwecken, dass im eigenen Stadion nicht gezündelt wird?
Darüber hinaus gibt es genug Verantwortliche bei der DFL, den Vereinen und der Polizei, denen die aktuellen Maßnahmen noch längst nicht weit genug gehen. Personalisierte Tickets, Nacktkontrollen in Zelten, Reduzierung der Gästekontingente bis hin zum völligen Ausschluss von Gästefans sind in der Diskussion. Verfechter dieser ganz harten Linie dürften sich angesichts der Bilder des Spieltags die Hände reiben. Hier erweist man dem Fußball einen Bärendienst. Nicht allein die Anzahl der Spiele, sondern auch die Meldung über Verletzte dank Pyrotechnik sind pures Wasser auf die Mühlen von Befürwortern von noch stärkeren repressiven Maßnahmen.
Maßnahmen, die alle Fans betreffen und deren Kampf dagegen sich die Szenen auf die Fahne geschrieben haben. Die einfachste und leichteste Form des Kampfes ist aber, der Gegenseite einfach keine Argumente zu liefern und die öffentliche Akzeptanz für diese Forderungen so gering wie möglich zu halten. Der Einsatz von Pyrotechnik hat also etwas selbstzerstörerisches, man konterkariert damit die eigenen Forderungen nach mehr Freiheit, mehr Eigenverantwortung und weniger Verboten. Wer ernsthaft für das einstehen will, was er propagiert, darf so einfach nicht handeln. Letztendlich ist die Frage nach dem Einsatz von Pyromaterial auch eine Frage nach der Gültigkeit der eigenen Ideale. Handelt es sich hierbei nur um leere Worthülsen, oder um ein grundlegendes Fundament für die eigene Handlungsweise? Oder anders ausgedrückt: Lebt man wirklich noch das, was man vorgibt, oder geht es nur noch darum, mit möglichst vielen und öffentlichkeitswirksamen Übertretungen von Verboten und Gesetzen zu demonstrieren, dass man zu den ganz Harten gehört? Im ersteren Fall handelt es sich „nur“ um einen falschen Weg, der jedoch nicht unumkehrbar ist. Im zweiteren stehen uns allen ungemütliche Zeiten in den Stadien bevor.
Sascha, 08.03.2010