Spielbericht Profis

Herzschlagfinale. Nummer eins vor Mainz.

16.10.2010, 10:09 Uhr von:  Daniel R.
Das Team in Feierlaune
Das Team in Feierlaune

Da ist sie also, die langersehnte Tabellenführung. Endlich grüßt der BVB nach über sieben Jahren mal wieder von ganz oben in der Tabelle, thront über allen - zumindest für eine Nacht hält man den Platz an der Sonne. Und das tut richtig gut.

Dank des glücklichen Last-Minute-Sieges gegen eine formverbesserte Mannschaft aus dem Rheinland gewinnt das Team von Jürgen Klopp auch das siebte Spiel in Serie.

Langsam wird es unheimlich. Der BVB mausert sich Stück für Stück zu einem echten Spitzenteam. Aber was sind die Gründe dafür, dass der BVB seine Form aus den vorangegangen Spielen relativ gut kompensieren konnte und auch glückliche Siege – wie ein echtes Spitzenteam – in letzter Minute perfekt macht? Ein Erklärungsversuch:

Von positiven und negativen Vorzeichen

An diesem Freitag im Oktober, einem regnerischen Abend, waren deutlich mehr als 5.000 schwarzgelbe Fans in die Domstadt gereist, die schon weit vor der Partie ihr Team stimmungsvoll anfeuerten. Echtes Fritz-Walter-Wetter im Herbst, doch ungeachtet dessen hatten sich zahlreiche Fans traditionsgemäß zusätzlich mit Sitzplatzkarten in den neutralen Bereichen eingedeckt. Lautstarke Unterstützung in einer stimmungsvollen Atmosphäre vor insgesamt 50.000 Zuschauern und einem ausverkauftem Stadion war dem BVB also auch in diesem Auswärtsspiel gewiss.

Schöne Choreo der Südkurve Köln
Schöne Choreo der Südkurve Köln

Unter der Woche hatte die sportliche Leitung in Gestalt von Michael Zorc und Jürgen Klopp vor den rot-weißen Kölnern gewarnt. "Köln hat mehr Leistung und Qualität, als die Tabelle aussagt", ließ der Sportdirektor verlauten. Der Trainer schlug in die gleiche Kerbe und warnte besonders vor Nationalspieler Podolski: „Seitdem er ganz vorne spielt, ist das Kölner System flexibler geworden."

Doch waren diese Warnungen wirklich ernst zu nehmen? Der FC hatte vor der Partie mit vielen Problemen zu kämpfen und schien alles andere als ein gefestigter Gegner zu sein. Ein Podolski, der sich mit der gesamten sportlichen Leitung anzulegen getraute, eine in Faryd Mondragon geflüchtete Nummer eins und der unterdurchschnittliche Saisonstart mit nur fünf Punkten aus sieben Spielen waren vor der Partie gegen Borussia Dortmund alles andere als positive Vorzeichen.

Ganz anders der BVB, der in dieser Saison bisher bestens aufgelegt ist. Auch personell gab es wieder positive Meldungen. Urgestein Dede nahm nach langer Verletzungspause mal wieder auf der Bank Platz. Auch Mario Götze (zunächst auf der Bank) und Kevin Großkreutz (auf dem Platz) hatten sich von ihrem grippalen Infekt erholt und konnten mitwirken. Jürgen Klopp vertraute der gleichen Elf, die den FC Bayern München mit einem 2:0 besiegt hatte. Die schwarzgelbe Euphorie war nach dem überragendem Saisonstart mit sechs Siegen in Serie in der Bundesliga und guten Ergebnissen in Pokal und Euro League riesig. Erfolge, die wärmen und sogar Schutz vor strömendem Regen bieten. So viel darf schon einmal verraten werden: Die Partie jedenfalls plätscherte keineswegs vor sich hin, sondern entwickelte sich von Anfang an zu einem hitzigen Duell.

Klare Ansage aus dem Gästeblock
Klare Ansage aus dem Gästeblock

Trotz der Krise ließen auch die Kölner Fans sich nicht lumpen und boten noch vor Anpfiff einen ersten Hingucker. Eine Choreografie, die zwar ein wenig an Weihnachten erinnerte, aber durchaus schön anzusehen war. „Unser Verein. Unsere Liebe. Überstrahlt alles und jeden" war auf den einzelnen Spruchbändern, die auf der Südtribüne prangten, zu lesen. Zusätzlich schmückte das Emblem des 1. FC den Stimmungsblock der Kölner. Nach üblicher Cheerleader-Darbietung und Pfiffen für Zvonimir Soldo konnte es schließlich losgehen.

Ein hin und her in Halbzeit eins

Angetrieben von den hin- und herwogenden Fangesängen auf der Tribüne boten sich die Rheinländer und die Ruhrpöttler eine echte Regenschlacht. Kombinationen waren auf seifennassem Untergrund deutlich erschwert, doch Chancen blieben nicht Mangelware. Lucas Barrios eröffnete in der 6. Minute mit einem Kopfball über das Tor die Angriffswelle auf beide Tore. Der gut aufgelegte Pole Kuba, unter der Woche noch im Nationalmannschaftseinsatz in den USA, hatte den Ball nach innen geflankt.

Hoch her ging es auf beiden Seiten
Hoch her ging es auf beiden Seiten

Ein Lattenschuss von FC-Alleinunterhalter Podolski und der Nachschuss von Clemens, den Weidenfeller klasse parierte (10.), beantworte der schwarzgelbe Lucas wiederum mit einem Lattenkopfball (17.). Das Aluminium verhinderte also zunächst ein kleines Torfestival. Doch kurz darauf sollte der erste Treffer fallen. Hatte der gute Schlussmann Varvodic einen Flachschuss von Kagawa noch glänzend pariert, musste er Kuba nur eine Minute später gewähren lassen. Den Kopfball von Barrios – Kagawa hatte die Flanke gegeben – berührte der Pole noch mit dem Knie und traf damit nach längerer Zeit mal wieder für den BVB (20.). Nach einem Tor für Polen also eine durchaus gelungene Woche für Jakub Blaszczykowski. Die bisher den FC gut anfeuerten Fans waren ein erstes Mal verstummt. Den vier freundlichen Japanern auf der Pressetribüne war die Freude jedoch anzumerken, auch wenn es nicht ihr Landsmann gewesen war, der den BVB in Front geschossen hatte.

Doch auch danach blieb es bis zum Halbzeitpfiff eine offene Partie. Schmelzer (22.), Barrios (43.) und Großkreutz (44.) auf der einen und Podolski (28.), Petit (30.) und Jajalo (39.), auf der anderen Seite hatten mehr oder wenige gute Möglichkeiten, ein Tor zu erzielen. Nebenschauplatz Nummer eins: Die Trainerbank von Jürgen Klopp. Erst legte er sich - traditionell in Köln – mit dem vierten Schiedsrichter an, um danach auch an Neven Subotic und Mats Hummels lautstarke Kritik zu üben. Zu Recht, hatten beide Verteidiger doch zu oft mit ihren Vorstößen große Lücken im Deckungsverbund entstehen lassen. Dann ging es in die Halbzeit.

Kuba bejubt den Führungstreffer
Kuba bejubt den Führungstreffer

In der Halbzeitpause folgende Nachricht: Ein angeblicher Fan der Kölner hatte bei der Anfahrt die Scheibe des BVB-Mannschaftsbusses mit einem Stein eingeworfen, wobei zum Glück der innere Teil der Scheibe heil geblieben sein soll. Dennoch eine trauriges Visitenkarte, die von ein paar Chaoten abgegeben wurde. Jürgen Klopp fand dafür die passenden Worte: "Eine feige und lächerliche Aktion von irgendeinem Schwachkopf."

Sahins Eröffnung und Schlusspunkt

In der zweiten Halbzeit sollte die passende Antwort der Mannschaft aus dem Ruhrpott folgen. Doch eins nach dem anderen. Nuri Sahin eröffnete mit einem Fernschuss nicht nur die zweite Halbzeit (47.), sondern sollte sie auch – und das wusste man in diesem Moment noch nicht – beenden.

Das Spiel entwickelte sich im Anschluss immer mehr zur Regenschlacht. Erst zehn Minuten nach der Chance von Sahin ein erstes Lebenszeichen von Köln. Doch Matuschyks Kopfball verfehlt das Tor knapp (57.). Im Gegenzug versuchte sich Großkreutz an einem Schlenzer, der nur knapp am Pfosten vorbeirauschte. Während der Dortmunder Junge, dem die Folgen des Infekts durchaus noch anzumerken waren, eine weitere Großchance leichtfertig vertändelte, übte sich Weidenfeller gleich zweimal auf der Gegenseite im Ballabklatschen zur Seite. Petit mit einem Freistoß (61.) und Lanig (67.) hatten den seit Monaten in Topform agierenden Torhüter geprüft. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten – das war für das Spiel typisch. Denn Kagawa und Barrios ließen vor ihrer Auswechslung noch ein letztes Mal Warnschüsse auf Neuling Varvodic ab, um sich anschließend durch Götze und Lewandowski ersetzen zu lassen (72. und 76. Minute). Jürgen Klopp setzte auf die Sicherung der Defensive und hoffte auf den ein oder anderen gewinnbringenden Konter durch die frischen Einwechselspieler. Diese Taktik ging auch auf, und Lewandowski hatte zehn Minuten vor Schluss die Entscheidung sogar auf dem Fuß, doch dann kam Lukas Podolski.

Podolski erzielt den Ausgleich
Podolski erzielt den Ausgleich

Genau in der Phase, in der Sven Bender aufgrund einer Verletzung am Seitenrand behandelt wurde, nutzte die kölsche Frohnatur sein Mehr an Freiräumen und jagte den Ball aus 18 Metern unhaltbar in den rechten Winkel. Ein Aufschrei ging durch das Stadion, und es schien, als sei die Uhr am 11.11. just in diesem Moment auf 11:11 Uhr umgeschlagen. Rot-Weißer Jubeltaumel, lautstarke Anfeuerungsrufe und karnevalistische Gesänge folgten. Nach kurzer Schockstarre ließen sich die aber auch die BVB-Fans nicht entmutigen und begannen wieder, ihr Team anzufeuern. Eine tolle Atmosphäre, wofür sich beide Fanlager ein Lob verdienen.

Und tatsächlich wurde der BVB nun wieder offensiver und hatte – initiiert durch Götze, Lewandowski und Kuba - gute Möglichkeiten – zumindest im Ansatz. Lewandowski (84.) und Sahin (87.) wollten die Entscheidung erzwingen. In der Nachspielzeit dann einer dieser Momente, für den man den Fußball so liebt. Götze und Lewandowski stürmen über links heran, der Ball kommt zu Sahin und...der Rest ist einfach unbeschreiblich. Eine gelungene Antwort vom jungen Türken zudem, der kurz nach dem Ausgleich von Podolski provoziert worden war. Perl hatte auf Gelb für beide entschieden.

Doch dann kam Nuri
Doch dann kam Nuri

Ein geiles Spiel. Wieder, wie letztes Jahr in Köln und einige Male in dieser Saison, hat der BVB damit ein Spiel in der letzten Minute für sich entschieden. Und das einfach, weil seit Jürgen Klopp der Siegeswille und der Glaube bis in die 96. Minute zurückgekehrt ist. Wie ließ ein Kölner Fan auf dem Nachhauseweg verlauten: „Der Bayern-Dusel ist jetzt irgendwie zum BVB-Dusel geworden." Ein Lob, denn genau so etwas muss man sich erarbeiten und macht eine echte Spitzenmannschaft aus.

Für die euphorisierten Dortmunder geht es bereits am Donnerstag in der Euro League weiter. Das Heimspiel gegen Paris bietet eine perfekte Möglichkeit, sich eine komfortablere Position im Kampf um den Einzug in die nächste Runde zu verschaffen und weiter auf der Erfolgswelle zu gleiten. Am Wochenende empfangen Jürgen Klopp und sein Team schließlich die Hoffenheimer. Ein straffes Programm.

Videos zum Spiel:

Die Noten

Roman Weidenfeller: Einige Male mehr als glänzend pariert, beim Gegentor machtlos. Note 2

Marcel Schmelzer: Defensiv ziemlich stabil, offensiv diesmal weniger stark, aber mit einem guten Schuss ans Außennetz. Zusätzlich mit einigen Fehlpässen. Note 3

Neven Subotic: Bekam in der ersten Halbzeit einen Rüffel vom Trainer, taktisch nicht immer perfekt, ansonsten aber zumeist erster Sieger in den Duellen gegen Kölns Angriff. Note 3

Ballspielverein...
Ballspielverein...

Mats Hummels: Ähnlich wie sein Nebenmann. Köpfte Podolski den Ball beim Tor allerdings unglücklich vor die Füße. Note 3,5

Lukas Piszczek: Defensiv nur mit ein, zwei Fehlern, nach vorne wechselten sich Licht und Schatten ab. Note 3,5

Kevin Großkreutz: Ihm merkte man die krankheitsbedingte Pause noch etwas an, dennoch an mehreren guten Offensivaktionen beteiligt. Note 3

Sven Bender: Wieder ein gutes, unauffälliges Spiel vom Sechser. Symptomatisch, dass das Tor genau dann fiel, als er fehlte. Note 2,5

Nuri Sahin: Schon alleine das Tor in der letzten Minute war Gold wert. Auch ansonsten ein Leader, mit einigen Zuckerpässen und starken Tacklings. Note 1,5

Kuba: Starke Partie vom Polen, machte über die rechte Seite immer wieder Druck, half auch hinten gut mit. Zudem ein Tor, das ergibt die Note 2

Shinji Kagawa: Auch der Japaner war stark ausgepowert. War zwar an einigen guten Kombinationen, besonders in Halbzeit eins, beteiligt und war auch der Flankengeber vor dem 1:0, blieb aber in Halbzeit 2 eher blass und wurde ausgewechselt. Note 3

Lucas Barrios: Beteiligung beim ersten Tor, hatte noch einige weitere Chancen aber traf nicht, dennoch eine ordentliche Partie. Note 3

Lewandowski und Götze setzten einige Akzente und hatten einen großen Anteil am Siegtreffer, eine Benotung gibt es aber wegen der kurzen Einsatzzeit nicht.

Die Statistik

Kollektives Hüpfen vor der Kurve
Kollektives Hüpfen vor der Kurve
Borussia Dortmund: Weidenfeller - Piszczek, Subotic, Hummels, Schmelzer - Bender, Sahin - Kuba, Kagawa (72. Götze), Großkreutz - Barrios (76. Lewandowski)


1. FC Köln: Varvodic - Brecko, Geromel, Mohamad, Ehret - Petit (78. Novakovic)- Clemens, Lanig, Matuschyk, Jajalo (76. Chihi) - Podolski

Tore: 1:0 Kuba (20., Barrios), 1:1 Podolski (83.), 1:2 Sahin (92., Götze)

Gelbe Karten: Petit, Podolski – Weidenfeller, Hummels, Sahin, Lewandowski

Schiedsrichter: Günter Perl (Pullach)

Assistenten: Michael Emmer (Thurmansbang), Georg Schalk (Augsburg)

Vierter Schiedsrichter: Tobias Stieler (Obertshausen)

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