Alles Wird Gut - aber erst morgen
Als um 19.40 die Sprengstoffspürhunde in Richtung Rote Erde geführt werden, ist schon längst alles vorbei. Der schwarze Block ist da schon an Gleis 26. Über Frankfurt geht es in die Heimatstadt Darmstadt. Sie haben ihre Pflicht getan, so wie ihr Team auf dem Platz. "Unverhofft kommt oft" hat da ein sichtlich zufriedener Heribert Bruchhagen in die Blöcke der Journalisten diktiert und Mats Hummels sichtlich geknickt ergänzt "mit den Spielern, die wir heute auf dem Platz hatten, müssen wir Frankfurt eigentlich schlagen". Wie konnte es dazu kommen?
„Die Frankfurter haben uns viel zu leicht den Schneid abgekauft“ erklärt Hummels und hat damit leider recht. Sowohl auf den Rängen, wo sich die Südtribüne von Anfang an seltsam emotionslos präsentierte, als auch auf dem Platz waren die Gäste heute eindeutig tonangebend. Wieder einmal baut Klopp das Team um. Für Bender, der den Wettkampf gegen die Verletzung verloren hat, findet sich Großkreutz neben Nuri Sahin wieder. Valdez macht in der Mitte Platz für den Afrikameister Zidan und geht auf die linke Seite, auf der anderen Seite kommt der 19-jährige Damien Le Tallec, der letzte Woche noch für den auf rechts wechselnden Großkreutz über links kam, zu seinem Startelfdebüt.
Die Frankfurter bingen mit Sebastian Jung einen neuen Außenverteidiger. Maik „Arschloch“ Franz wird somit in der Innenverteidiung frei für sein Privatduell mit Barrios und dem Rest der schwatzgelben Welt. Und es fängt gut an. Nach wenigen Sekunden erobert Großkreutz den Ball in Höhe der Mittellinie, legt auf Zidan, der Barrios steil schickt. Doch leider ist der Pass ein wenig zu lang. Und das war es dann schon. Eigentlich sollte ich die nächsten 14 Minuten ignorieren. In dieser Zeit fällt das 1-0 durch Köhler, in dieser Zeit rettet Ziegler vor dem einschußbereiten Halil an der Strafraumgrenze. Irgendwie kommen wir in dieser Phase zu einer Ecke. Der Ball landet bei Zidan, der aus 24m einfach draufhält und anstelle des Tors Hummels findet. Drin: 1-1. Und kein Abseits, wie der Schiri-Assistent Mike Pickel vollkommen richtig in der Hocke sitzend erkennt. Das Spiel kann losgehen. Doch wieder sind es die Ghetto-Kids aus Crime-City, die mit schnellen Kontern zu guten Chancen kommen. Aber einmal riskiert Ziegler bei einer Stolpereinlage an der Strafraumgrenze Kopf, Kragen und eine Rote Karte, einmal versiebt der Ex-Blaue freistehend einen Kopfball und dann rettet Hummels den Ball mit einer Monstergrätsche nach katastrophalem Subotic-Patzer für den geschlagenen Ziegler.
Frankfurt steht tief und verdammt gut organisiert. Auf den Tribünen ist es ähnlich. Frankfurt war zwar zahlenmäßig unterlege, verdiente sich jedoch das Prädikat „laut und langweilig“. So kam es zu Wechselgesängen mit den schwarzgelben Nord/Ost-Ecke. Hier drehte es sich natürlich wieder um die Profession der Mutter. Auch die gelbe Wand wollten sie partout nicht erkennen. Unten auf dem Platz kommt es derweilen zum Duell Barrios gegen Franz. Mit Ellbogen, Kniekehle, Armen und Hüftknochen bearbeitet Franz den Welttorjäger, der sich in der 40min aber nach einem Zuckerlob von Sahin allein vor Nikolov wiederfindet. Doch an Oka Pekka Nikolov ist noch kein Vorbeikommen. Wolfgang Stark bittet dann zur Bockwurst. Die auch bei Schiri-Beobachter Manfred Amerell Anklang findet, der sich über das Feuer im Spiel freut.
Die zweite Halbzeit beginnt ohne Veränderungen auf beiden Seiten. In den ersten 10 Minuten passiert bis auf einen Schuhverlust von Damien Le Tallec nicht viel. Dieser gerät danach zusehends außer Tritt, doch erst einmal erleben wir eine wunderschöne Spieleröffnung von Sahin. Ein Blick, ein Pass. Der Ball wandert in den Strafraum, wo er von Owomoyela behauptet wird. Zidan mit schöner Flanke hinter die Verteidigungslinie und Barrios vollendet mit brachialer Gewalt (29 km/h) aus drei Metern zum zu diesem Zeitpunkt gar nicht mal so unverdienten 2-1 für die Gute Seite.
Doch als Nelson Valdez sich nachgutem Anspiel wieder als der gute alte Nelson erweist, beginnt das Spiel langsam wieder zu kippen. Frankfurt zwangsläufig etwas offensiver und mit dem Glück im Bunde. Nach einer Ecke kommt Jung zu einem Schuß aus 20m, der Ball wird von Sahin abgefälscht und somit zur tödlichen Gefahr für Ziegler. Borussia verliert jetzt zusehends die Kontrolle über das Spiel, aus der Abwärstsspirale kann auch Barrios nicht mehr ausbrechen, der den Ball leichtfertig im 16er vertändelt. Der Rest ist Valdez. Ein blöder Ballverlust im linken Mittelfeld, ein schneller Pass auf die rechte Seite, ein wirrer Owomoyela, der torgefährliche Meier und der zögernde Ziegler sind die Hauptdarsteller beim 3-2 der Frankfurter Eintracht. Auch der Doppelwechsel Dede & Götze für Valdez & Le Tallec bringt jetzt nicht mehr die Wende. Die in der Abwehr gewonnenen Bälle werden leichtfertig verspielt und kommen postwendend als Torchance zurück in den Dortmunder Strafraum. Zwar kann die Mannschaft das Stuttgart-Syndrom noch einmal besiegen, aber bis auf einen Götze-Schuss und einem Kopfball für Santana, der langen Brechstange, passiert bis zum bitteren Ende nichts mehr. Frankfurt feiert, die Borussen schleichen gestützt von Emma vom Platz.
Und jetzt? Zweite Niederlage in Folge. Gegen erstaunlich starke, vor allen Dingen kompakte Frankfurter durch individuelle Fehler verloren. Valdez gesperrt, Hajnal scheinbar noch nicht so weit, Kehl weit weg von einem Comeback, um Bender wird es auch stiller, Owomoyela wieder mit Anlaufproblemen, Subotic mit unglaublichen Fehlern, Weidenfeller auf Helmsuche und mit Fleischwunde, die Stimmung im Keller, das Selbstvertrauen weg, die lange ungeschlagene Serie vergessen und Bayern vor der Brust. Und jetzt? Fahren wir da hin und knallen die weg! Vielleicht, vielleicht auch nicht. Die Mannschaft ist eine Wundertüte. Monatelang denkt man, dass niemand, nicht einmal Barcelona uns besiegen kann und dann brechen wieder eine paar Bausteine raus und auf einmal denkt man, dass diese Mannschaft nie wieder ein Spiel gewinnen wird. Da Projekt 81 längst gestorben ist, können wir uns jetzt realistische Ziele setzen. Diese heißen: Europa und am Ende vor den Blauen. In dieser Reihenfolge. Vielleicht fangen wir in der nächsten Woche eine neue Serie an und sonst eben in der Woche drauf. Diese junge Mannschaft hat sich in dieser Spielzeit einen großen Vertrauensvorschuß verdient. Zwei Niederlagen in Folge sollten uns nicht aus der Spur bringen, das nächste Spiel ist immer das schönste. Seit 1991 hatte Frankfurt nicht mehr bei uns gewonnen, seit 1991 haben wir gegen Bayern nicht mehr gewonnen. Alles wird gut! Nur nicht gleich am heutigen Abend.
Die Statistik
Borussia: Ziegler – Owomoyela, Subotic, Hummels, Schmelzer (87. Santana) – Sahin, Großkreutz – Le Tallec (75. Dede), Zidan, Valdez (77. Götze) – Barrios
Eintracht Frankfurt: Nikolov - Jung, Franz, Russ, Spycher - Chris - Ochs, Meier, Teber, Köhler (90. Liberopoulos) - Halil Altintop (89. Caio)
Schiedsrichter: Stark
Zuschauer: 70.400
Tore: 0:1 Köhler (8.), 1:1 Hummels (17.), 2:1 Barrios (57.), 2:2 Jung (65.), 2:3 Meier (74.)
Gelbe Karten: Valdez (gegen Bayern gesperrt) - Spycher, Franz
Die meisten Ballkontakte: Sahin (97) – Chris (72)
Die Zweikampfstärksten: Schmelzer (83%) – Teber (57%)
Torschüsse: Dortmund 15 Frankfurt 12
Ecken: Dortmund 4 Frankfurt 4
Ballkontakte: Dortmund 55% Frankfurt 45%
Zweikämpfe gewonnen: Dortmund 53% Frankfurt 47%
Die Noten
Neven Subotic: (5) Der WM-Teilnehmer stand heute neben sich. Mit einigen gravierenden Fehlern in der Defensive, fand offensiv kaum statt. Seine langen Bälle erreichten selten ihr Ziel
Mats Hummels:(3) Entwickelt sich nach Barrios zum torgefährlichsten Spieler der jungen Mannschaft. Mit Sensationsgrätsche nach Altintops Roller. Versuchte in der Schlußphase das Spiel noch einmal anzukurbeln, was ihm jedoch nicht gelang
Patrick Owomoyela: (5) Es ist zum Verrücktwerden. Was er sich vorne aufbaut, reißt er hinten gleich wieder ein. Tolle Balleroberung vor dem 2-1, stümperhafter Fehler vor dem 2-3
Marcel Schmelzer: (4,5) 83% gewonnene Zweikämpfe, doch irgendwie nicht im Spiel angekommen. Nach der Winterpause scheint der Magdeburger ein wenig zu stagnieren – 4,5
Nuri Sahin: (3,5) Nuri ist ein fantastischer Fußballer. Traumpass aus dem Fußgelenk in der ersten Halbzeit, leitete das 2-1 entscheidend ein. Gab das Spiel in den letzten 15 Minuten leider auf
Nelson Valdez: (5) Arbeitete viel und strahlte leider keine Torgefahr aus. Pausiert gegen München nach seiner fünften Gelben
Mohamed Zidan: (2,5) Der Afrikameister war entscheidend an beiden Toren beteiligt und war auch sonst mit Abstand der beste Borusse auf dem Platz. Immer noch zu ballverliebt, aber mit immer besserem Spielverständnis auf der 10
Damien Le Tallec: (4) Beim Startelfdebüt in den ersten 55 Minuten mit einer soliden Leistung, fiel danach deutlich ab
Kevin Großkreutz: (5) Auf der Doppel-6 eindeutig überfordert
Lucas Barrios: (3,5) Der Panther mit seinem 11. Saisontreffer. Immer brandgefährlich. Leider konnte er nur eine seiner drei großen Chancen nutzen. Zog im Zweikampf (aus Angst vor der fünften Gelben?) häufig zurück