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Baku Reisebericht, Teil 2

26.08.2010, 11:01 Uhr von:  Redaktion

Nachdem es gestern nur einen ganz kurzen Bericht mit ersten Eindrücken gab, soll es heute einen etwas längeren Text für euch geben. Eines vorweg: Die Reise hat sich schon jetzt gelohnt und jeder, der für sie tief in die Tasche greifen wollte, wird nach ihr auf eine wundervolle Erinnerung zurückblicken können. Doch beginnen wir von vorne...

Am Flughafen angekommen, gab es erst einmal den gewöhnlichen Stress. Ein neues Land, keiner kennt sich aus und von allen Seiten wird man bedrängt, irgendein Taxi zu besteigen. Manche Fahrer sprechen deutsch – sie waren Gastarbeiter im sozialistischen Bruderstaat DDR oder haben eine solide Selbstausbildung genossen, um die Gäste besser verstehen zu können. Dass Tourismus und Aserbaidschan ansonsten noch immer wenig zusammenpassen, erkennt man an allen Ecken und Enden. (Zum Beispiel, wenn sich das opulente Frühstück als zwei Scheiben Toast, eine Scheibe einzelverpackten Käse und recht lappriges Müsli entpuppt.)

Die Autobahn vom Flughafen in Richtung Stadt ist hervorragend ausgebaut. Vier Spuren in beide Richtungen, das heißt sechs- bis siebenspurige Verkehrsströme in Richtung Baku – es fährt derjenige, der das größte Selbstvertrauen hat. Ampeln und sonstige Schilder sind mehr ein Vorschlag denn eine Regel, wie man es in südlich gelegenen Gefilden eben kennt. Dass die traumhaft ausgebauten Straßen Tempo 140 locker ermöglichen, ist eine Selbstverständlichkeit – dass die klapprigen (und ordentlich getuneten) Ladas trotz Vollbelastung auch tatsächlich 140 fahren können, eher nicht. Ein gesundes Maß an Lebensmüdigkeit gehört also auf jeden Fall dazu, schließlich gilt es als tödliche Beleidigung eines jeden Fahrers, sich während der Fahrt anzuschnallen.

Ein erster Rundgang durch das noble Baku lässt einen rasch vergessen, dass man sich (auf dem Blatt) in einem Entwicklungsland befinden soll. Nur wenige westeuropäische Metropolen können mit diesem Standard mithalten und es wird alles gezeigt, was in irgendeiner Form Geld bringt. Eben dieses spielt (wie auch der Islam) nur eine sehr untergeordnete Rolle: Wer es hat, hat es, wer nicht, der eben nicht.

Die zum weit überwiegenden Teil wunderschönen Frauen sind sehr freizügig (und teuer) gekleidet und durchaus selbstbewusst, aus jeder zweiten Musikbox hört man die westeuropäischen Charts rauf und runter. Sätze wie „Deutschland gut, I love Germany" hört man immer wieder und auch das Gefühl, dass Deutschland tatsächlich eine Vorbildfunktion besitzt, wird man nicht los. Viele Autos und LKWs haben deutsche Kennzeichenhalter, stammen aus Münster, München oder Schweinfurt – Henkel, Bosch, VW, MAN und eine ganze Reihe weiterer Unternehmen werben mit deutscher Qualität und scheinen damit nicht schlecht aufgestellt zu sein. In den Supermärkten finden sich dementsprechend auch deutsche Biere und Wasser höherer Preisklassen, für die Einheimischen eine Selbstverständlichkeit.

Bereits am ersten Tag stießen wir in Baku auf eine ganze Reihe BVB-Fans, die nicht zur Reihe der „üblichen Verdächtigen" gehörten. Sie hatten ihre Reisen individuell angetreten, um sich diese Gelegenheit nicht entgehen zu lassen – ohne zu optimistisch sein zu wollen, scheint sich also eine attraktive Menge an Gästefans in Baku eingefunden zu haben.
Am heutigen zweiten Tag schlossen wir uns dann auch gleich mit zwei weiteren Fans aus unserem Hotel zusammen, um einen Ausflug in Richtung der iranischen Wüste zu unternehmen. Drei Stationen wussten uns dabei besonders gut zu gefallen – die beiden letzten, weil sie unglaublich beeindruckende Zeugnisse einmaliger Kultur und Naturlandschaften waren, die erste, weil sie das brutale Ausmaß der Umweltzerstörung verdeutlichte.

So liegt die kleine, sehenswerte Moschee von Bibi Heybet rund 10km vom eigentlichen Stadtzentrum entfernt bereits auf dem Festland (Baku selbst liegt auf einer Halbinsel). Von ihr hat man einen hervorragenden Blick auf die gesamte Landzunge Bakus und das Meer, welches einem alten Schlachtfeld gleicht. Ölschiff neben Ölschiff, schwarze Schlieren wohin das Auge blickt und unglaubliche Massen an Schwerindustrie verdeutlichen den Preis, den Aserbaidschan für sein wirtschaftliches Auskommen zu bezahlen hat. Tolle Promenaden, von denen aus jeder Ausflug ins Wasser einem Sprung ins Ungewisse entspricht, lassen vieles recht schnell wieder mit nüchternen Blicken betrachten – die direkt am Straßenrand verlaufenden Pipelines bilden keine Ausnahme.

An der Sehenswürdigkeit „Terminal" (sehenswürdig laut Reiseführer, weil es außer grausamsten Sowjet-Plattenbauten und „Rost in all seinen erdenklichen Stadien" eine halbwegs nette Promenade geben soll) vorbei ging es dann weiter nach Gobustan. In der Steinzeit soll das Meer rund sechs Kilometer landeinwärts gelegen haben, so dass sich Menschen die Gelegenheit bot, in heute extrem zerklüfteten Felsen Zeichnungen in das Gestein zu ritzen. Rund 6000 Petroglyphen stehen unter Weltkulturerbe und erinnern an die Zeit, als die Hochkulturen der Welt im Kaukasus zu finden waren. Die Gemengelage christlicher, islamischer, jüdischer und weiterer Einflüsse schlug sich nieder in der Behandlung dieser Zeitzeugnisse – während sie in anderen Ländern zerstört oder verschliffen wurden, blieben diese aus Achtung und Respekt vor fremden Kulturen erhalten. In unmittelbarer Nähe befindet sich auch die älteste lateinische Inschrift des Mittelalters, welche damit das Ende des römischen Einflussgebiets markiert.

Die dritte und vielleicht noch beeindruckendere Sehenswürdigkeit waren die Schlammvulkane einige Kilometer weiter (rund 60km südlich von Baku). Eben dort, wo sich der extrem hohe Gasdruck einen Weg in die Freiheit bahnen muss, treten unglaubliche Massen an kaltem Schlamm zutage. Krater haben sich an diesen Stellen gebildet, vielleicht fünf bis sechs Meter hoch, und blubbern durchgehend vor sich hin. Alle Jubeljahre einmal, zuletzt 2000/2001, kommt es zu einer richtigen Gasentweichung: Stichflammen von bis zu 500 Metern Höhe sind dann selbst in weiter Entfernung noch zu sehen.
Um zu diesen Vulkanen zu gelangen, deren Position die wenigsten Fahrer kennen, muss man zu großer Geduld fähig sein. Abseits der (nach wie vor toll ausgebauten) Autobahn, deren wesentlicher Unterschied zu Deutschland vor allem in den am Straßenrand lebenden Kühen besteht, geht es einige Minuten lang über zerklüftete Wüstenstraßen, denen so gut wie kein modernes Auto mehr gewachsen wäre. Die guten alten Ladas machen die Strapazen jedoch problemlos mit und streiken erst am letzten Anstieg – was nicht heißen soll, dass jeder Fahrer die Unmöglichkeit des vorzeitigen Stoppens auch sofort einsehen würde.

Heute Abend wird uns der weitere Reiseweg wohl erstmals ins Stadion führen. Die Mannschaft ist vor wenigen Augenblicken gelandet und wird sich zu einem Training einfinden, um sich mit Platz und Gegebenheiten vertraut zu machen. Auch die Fans, von denen manche selbst eine Anreise aus Thailand auf sich nahmen, werden sich zum ersten größeren Umtrunk treffen – ein Mangel an feierwütigen Damen und Fangetränken wird sich dabei sicherlich nicht einstellen...

P.S.: Erkenntnis des Tages: Wer Höhlenmalereien geil findet, sollte erst mal mit den studentischen Guides Domino spielen. Es winkt eine Spritztour für die Ewigkeit...

Teil 1

Teil 3

Knüppler17, 26.08.2010

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