Die vergessenen Jahre Teil 9: Saison 59/60, 60/61 und 61/62
Der Zweite Weltkrieg war zu Ende und Deutschland war am Ende. Der Sport musste ganz andere Strukturen kriegen. Dieser Text befasst sich mit der Oberliga West, die in der Zeit von 1947 bis 1963 eine regionale Bundesliga war und die Basis für den BVB von heute darstellt. Spieler wie Preißler, Schmidt, Burgsmüller und viele andere brachte diese Zeit hervor. Trotzdem kennt kaum einer diese Liga. In diesen Saisonrückblick beschäftigen wir uns mit der Saison 1959/60 bis 1961/62.
Saison 1959/60 – Eine junge Mannschaft sucht seinen Weg
Zum Auftakt der Saison rettete Schütz in letzter Sekunde ein 3-3-Unentschieden bei Viktoria Köln. Dabei sorgte Schütz zusammen mit Konietzka für eine Kurriosität. Als der Schiedsrichter für den BVB auf Strafstoß entschied, verwandelte das Sturmduo, welches später den Beinamen „Max und Moritz“ erhielt, den Strafstoß gemeinsam, in dem der eine für den anderen vorlegte. Jürgen „Charlie“ Schütz wurde vom Obmann Dolle von Urania Lütgendortmund geholt. Weitere Neuzugänge waren Cyliax aus Münster und Thiemann (aus Schwerte). Nicht mehr im Team waren der nach Reutlingen gewechselte Dulz, sowie nach Beendigung der Karriere Preißler und Niepieklo.
Eine schwarze Stunde erlebte die junge BVB-Mannschaft beim Derby am 20.09.1959. Vor 40.000 Zuschauern ging man mit 0-5 beim Tabellenführer aus Gelsenkirchen unter. Zwölf Minuten vor dem Ende wurde Aki Schmidt für den verletzten Uwe Seeler beim Länderspiel in Bern gegen Schweiz (4-0-Sieg) eingewechselt. In Köln fand 17 Tage später das Länderspiel gegen Holland statt. Beim 7-0 der deutschen Nationalmannschaft traf Aki Schmidt zweimal Auch am 08.11.59 spielte Deutschland mit Aki Schmidt in Budapest gegen Ungarn (4-3-Niederlage) und verdiente sich als Kilometerfresser und unermüdlicher Antreiber im Mittelfeld eine gute Note. Nach dem 1-1 beim Meidericher SV belegte Borussia Dortmund den siebten Platz mit 16-14 Punkten und 36-32 Toren. Abgeschlossen wurde das Jahr mit dem Länderspiel in Hannover gegen Jugoslawien (1-1). Den 1-1-Endstand erzielte Aki Schmidt.
Das erste Oberligaspiel im neuen Jahrzehnt endete mit einem 2-0-Auswärtssieg beim Duisburger SV. Torschützen waren Jürgen Schütz und Gerd Cyliax. Richtig torreich war das Derby am 24.01.60. Aufgrund zweiter schwacher Abwehrreihen gewannen die Dortmunder mit 6-3 vor 42.000 Zuschauer. In Stuttgart gegen Chile (2-1-Sieg) feierte Jürgen Schütz seinen Einstand in der Nationalmannschaft. Er wurde für seinen Vereinskollegen Schmidt eingewechselt. Am 24. April 1960 fand für die Borussen das letzte Oberligaspiel statt. Durch den 3-2-Heimsieg über den Meidericher SV belegten die Dortmunder den dritten Platz mit 35-25 Punkten und 81-62-Toren. Borussia Dortmund schoss die zweitmeisten Tore der gesamten Liga (hinter dem Westmeister). Jürgen Schütz wurde mit 31 Treffern Torschützenkönig. Dritter wurde Timo Konietzka mit 25 Toren. Beide machten gemeinsam mit Gerd Cyliax und Heini Kwiatkowski die meisten Spiele (29). West-Meister wurde zum ersten Mal der 1. FC Köln. Es war der erste Meister, der nicht aus dem Ruhrgebiet kam, bzw. nicht von der Montanindustrie geprägt wurde.
Dortmunds Stürmer durften dann bei der Nationalmannschaft ran. In Ludwigshafen gegen Portugal (2-1) durfte Jürgen Schütz 90 Minuten spielen, vierzehn Tage später in Düsseldorf gegen Irland (0-1-Niederlage) trug Aki Schmidt das Nationaltrikot zum 20. Mal. Ende Mai, im Rahmen eines Turniers in Sevilla, spielte der BVB gegen den frischgebackenen Europapokalsieger Real Madrid und verlor mit 0-3.
Saison 1960/61 – Im Endspiel hatte der BVB keine Chance
Am 06.08.60 musste der BVB im Stadion „Rote Erde“ die Pokalambitionen im DFB-Pokal nach der überraschenden 3-4-Niederlage im Halbfinale des Landespokals gegen Mönchengladbach begraben. Dafür gelang der Auftakt zur 14. Oberligasaison durch einen 4-1-Sieg über Viktoria Köln. Da Jürgen Schütz verletzt war, durfte der mittlerweile 35-jährige Alfred Kelbassa mitspielen und vertrat Schütz prächtig.
Hoch her ging es am 28.08.60 im Stadion „Rote Erde“. Das
Sportreferat der Stadt Dortmund sagte, obwohl schon 8.000 Zuschauer im
Stadion waren, das Oberligaspiel
gegen den VfL Bochum ab
(aufgeweichter Boden). Im Anschluss gab es im Stadion Ausschreitungen
der enttäuschten Fans. Es entstand erheblicher Schaden, u.a. wurde ein
Tor aus der Verankerung gerissen. Ein guten Einstand feierte am 09.10.60
der 18jährige Dieter „Hoppy“ Kurrat beim Oberligaspiel in Hamborn
(Endstand 1-1). Nur 14 Tage später feierte der nächste 18jährige im Team
von Max Merkel seinen Einstand. Dieses Talent hieß Lothar Emmerich.
Nach dem 3-2 am 06.11.60 im Müngersdorfer Stadion übernahm der BVB am 12. Spieltag die Tabellenführung von den Kölnern. Die Tore gegen den 1.FCK erzielten Schütz, Konietzka und Emmerich. Enttäuschend präsentierte sich Borussia Dortmund in der 1. Runde des WFV-Pokals. Man verlor beim Verbandligisten Sportfreunde Neheim mit 2-1.
Am 19.02.61 gab es ein besonderes Spiel im Stadion „Rote Erde“. Hier traf der Tabellenerste auf den Tabellenletzten (Rot-Weiß-Essen). 2-0 ging der BVB erwartungsgemäß in Führung, aber die Essener drehten das Spiel und erzielten das 3-4. Doch der BVB zeigte Kämpferherz und drehte das Spiel in den letzten 10 Minuten erneut zum 6-4-Endstand.
Nach Bekanntgabe des Wechsels von Max Merkel zum Saisonende zum TSV 1860 München verkündete der BVB am 13.03.1961 seinen Nachfolger. Es war der Trainer vom Zweitligist Sportfreunde Gladbeck und ehemaliger S04-Spieler Hermann Eppenhoff. Ärger gab es am 25.03.61 als die Spieler Jürgen Schütz und Gerd Cyliax das Freundschaftsspiel beim SC 07 Bad Neuenahr (5-0 Sieg der Borussen) zu einem Barbesuch nutzten. Dabei wurde der Zapfenstreich erheblich überzogen. Der Spielausschussvorsitzende Herbert Sandmann erklärte darauf, dass der Verein diesen Vorfall nicht gutheißt, aber auch nicht dramatisieren wurde. Am viertletzten Spieltag gab es dann das Rückspiel in der Roten Erde vor 42.000 Zuschauern gegen den 1. FC Köln. Zweimal gingen die Borussen in Führung (Cyliax und Schütz) und führten zur Halbzeit sogar mit 2-1, bevor die Kölner mit 3-2 in Führung gingen. Aber ein Elfmeter von Kelbassa in der 65. Minuten sorgte für den Endstand.
Am vorletzten Spieltag am 30. April 1961 sicherte sich der BVB die Teilnahme an der Endrunde um die Deutsche Meisterschaft nach einer vierjährigen Abstinenz durch einen 2-0-Sieg über Rot-Weiß Oberhausen. Zwei Treffer von Jürgen Schütz hielten den direkten Konkurrenten für den zweiten Platz im Schacht. Am 13.05.61 kassierten die Borussen beim Meidericher SV eine 0-3-Niederlage und mussten die Oberligameisterschaft begraben. Meister wurde der 1. FC Köln und Dortmund belegte mit 39-21 Punkten und 70-46 Toren den zweiten Platz. An allen Spielen nahm Torhüter Kwiatkowski teil und zum zweiten Mal wurde Jürgen Schütz mit 27 Toren Torschützenkönig.
Einen Auftakt nach Maß erlebten die Dortmunder beim Titelverteidiger Hamburger SV. Zwar gingen die Hanseaten mit 2-1 in Führung (davon ein Elfmeter von Kelbassa), doch durch Tore von zweimal Schütz, Konietzka und Schmidt gewannen die Borussen am 20.05.61 mit 5-2. Sieben Tage später war die Eintracht aus Frankfurt in Dortmund zu Gast und ging in der 15. Minute in Führung. Trotz zahlreicher Chancen kamen die Borussen zu keinem Treffer und verloren das Spiel. Auch das nächste Heimspiel gegen den 1.FC Saarbrücken am 03.06.61 brachte keinen Sieg. Die frühe 0-2-Führung der Saarländer konnten die Borussen durch Konietzka und Kelbassa nach der Pause ausgleichen. Sieben Tage später reichte eine zweimalige Führung beim 1. FC Saarbrücken nicht, man verlor mit 3-4. Durch einen 2-1-Sieg beim Tabellenführer Eintracht Frankfurt am 14. Juni vor 68.000 Zuschauern im Waldstadion befand sich der BVB wieder im Rennen um die Deutsche Meisterschaft. Die Entscheidung fiel am 18.06.61 im Spitzenspiel gegen den Tabellenführer HSV. Die Hamburger lagen mit sechs Punkten vor den punktgleichen Dortmunder und Frankfurtern mit jeweils fünf Zählern. Aber auch der Tabellenletzte Saarbrücken hatte theoretische Chancen. Aber die Hanseaten hatten in Dortmund keine Chance. Durch Tore von Schütz (4), Kelbassa (2) und Konietzka gewannen die Borussen mit 7-2 und standen zum vierten Mal im Endspiel um die Deutsche Meisterschaft.
Ohne Hans Cieslarczyk, der von Merkel ausgemustert wurde, bezogen der BVB am 20.06.61 ein Trainingslager in Mellendorf (15 km von Hannover). Am 24.06.61 fand dann das Endspiel wie schon 1957 in Hannover statt und der Gegner hieß diesmal 1. FC Nürnberg, der sich in der anderen Gruppe souverän durchgesetzt hatte. Aber der überlegende Club ließ den Borussen keine Chance und gewann klar mit 3-0. Der BVB hatte in Kwiatkowski und Peters seine besten Männer. Ein Grund für die klare Niederlage war auch die schlechte Vorbereitung, wo es weniger um Taktikschulung ging, sondern eher um die Freuden des Lebens. Ein Tag später wurde der Vizemeister auf dem Marktplatz von 60.000 Dortmundern bei glühender Hitze empfangen. Danach lud Oberbürgermeister Dietrich Keunig den BVB in den Silbersaal der Westfalenhalle zu einem Bankett ein. Helmut „Jockel“ Bracht nannte später diese Mannschaft eine „Übergangself“, die mit aufstrebenden Talenten und Routiniers zusammengestellt wurde. Von der Klasse der Meistermannschaften 56 und 57 war sie noch weit entfernt. Bracht selber konnte im Finale verletzungsbedingt nicht teilnehmen, versprach aber folgendes: „Und ich werde mit der Borussia doch noch einmal Deutscher Meister werden!“
Saison 1961/62 – Der BVB zeigte seine schwächste Oberligasaison
Moral zeigte Borussia im März beim TSV Marl-Hüls. Nach 10 Minuten lag man bereits mit 0-3 zurück, konnte aber am Ende einen 4-3-Auswärtssieg feiern. In Gelsenkirchen kassierten die Dortmunder eine 3-5-Niederlage und beendeten die schwächste Oberligasaison des BVB. Am Ende erreichte man Platz 8 mit 32-28 Punkten und 67-51 Toren. Mit 29 Spielen machte Aki Schmidt die meisten Spiele, bester Borussen-Torschütze war erneut Jürgen Schütz mit 20 Treffern. Der Westmeister 1. FC Köln, dessen Mannschaft übrigens nahezu ausschließlich aus Nicht-Kölnern bestand, wurde auch Deutscher Meister. Man kann dies als ein Umbruch im deutschen Fußball sehen. Die Zeiten der Mannschaften, die sich ausschließlich aus regionalen Spielern zusammenstellten, waren vorbei.