Im Gespräch mit...

...Peter Hyballa: "Wir wollen nicht zu zwanzig Michael Ballacks werden."

27.05.2009, 15:33 Uhr von:  Scherben Guerriero Altrocker
...Peter Hyballa: "Wir wollen nicht zu zwanzig Michael Ballacks werden."
A-Jugend Trainer Peter Hyballa

Unsere A-Jugend steht übermorgen in Potsdam im Finale um den DFB-Pokal gegen den SC Freiburg. Am vergangenen Freitag, einen Tag nach der bitteren Niederlage im Westfalenpokal gegen den Nachbarclub aus Gelsenkirchen, hat sich schwatzgelb.de nach dem Training mit Peter Hyballa, dem Trainer der Mannschaft, getroffen.

Trainiert haben nur die Ersatzspieler unter Leitung von Assistenztrainer Jörg Behnert sowie die Torhüter mit Matthias Kleinsteiber. Hyballa selbst war mit den Akteuren vom Donnerstag im Wald.

Vor seiner Verpflichtung im Sommer 2007 war Peter Hyballa seit 2004 als B- und A-Jugendtrainer für den VfL Wolfsburg tätig. Weitere Stationen des 1975 geborenen Bocholters waren Jugendmannschaften von Borussia Bocholt (1994-1996), dem 1. FC Bocholt (1996-1998), Preußen Münster (1998-2001) und Arminia Bielefeld (2001/02) sowie der namibianische Erstligist Ramblers Windhoek (2002/03).

Peter, du bist jetzt Anfang 30 und trainierst die A-Jugend des BVB. Wie sah dein Weg bis dahin aus? Eine Karriere als Spieler hast du ja nicht hinter dir.

Peter Hyballa: Ich habe bereits als B-Jugendlicher bei meinem Heimatverein Borussia Bocholt die F-Jugend trainiert und relativ schnell den C-Trainerschein gemacht. Meine ersten Erfahrungen im Jugendbereich haben mir schon damals gezeigt, dass ich ein gewisses Talent habe, vor einer Mannschaft zu stehen. Als ich dann in jungen Jahren immer häufiger verletzt war, ist mir klar geworden, dass ich als Spieler keine große Zukunft vor mir haben würde. Es hätte es bei mir wohl auch nicht für den Profibereich gereicht. Entsprechend habe ich mich dann dafür entschieden, erstmal als Trainer weiterzumachen. Danach kam eins zum anderen: Ich hatte wie gesagt die C-Lizenz gemacht und später auch ein Sportstudium aufgenommen, versucht, mich auf diesem Weg weiterzuentwickeln. Für solche Trainerkarrieren gibt es durchaus Beispiele, etwa bei Ralf Rangnick, Mirko Slomka oder auch Jose Mourinho. Bereut habe ich diese Entscheidung ganz sicher nicht.

Wann hast du gemerkt, dass diese Trainertätigkeit mehr ist als nur ein Hobby nebenbei, sondern wirklich zu einem Beruf werden könnte?

Peter Hyballa: Als ich den ersten richtigen Gehaltsscheck in der Hand gehalten habe. Natürlich, du merkst schon, dass du gut vor Gruppen stehen kannst, dass du die Spieler begeistern kannst, aber erst durch das Gehalt wird dir klar, dass man von diesem Job wirklich leben kann. Nachdem ich zum Studium nach Münster gegangen bin, habe ich zunächst die B-Jugend von Preußen Münster trainiert und bin anschließend mit 24 Jahren Co-Trainer der Regionalliga-Mannschaft geworden. Wenn du dann zum ersten Mal mit der Mannschaft vor 12.000 Zuschauern einläufst, dann macht dir das natürlich großen Spaß, und du merkst, dass du den Job wohl auch ganz gut machst.

Assistenztrainer Jörg Behnert

Und dann ging es halt weiter: Ich habe die nächsten Trainerscheine gemacht, das Studium beendet, bin danach A-Jugendtrainer bei Arminia Bielefeld geworden und habe später noch ein Jahr in Afrika gearbeitet. Irgendwann denkt man gar nicht mehr darüber nach, was noch sein könnte. Ich bin vom Typ her sowieso eher jemand, der keine langen Zukunftspläne schmiedet und sich fragt, wo er in fünf Jahren arbeiten will. Jetzt bin ich hier in Dortmund, wir haben eine erfolgreiche Mannschaft, und die Arbeit macht Spaß.

Wie ist es denn dazu gekommen, dass du Trainer in Namibia geworden bist? Woher kam die Anfrage überhaupt, und warum macht man das?

Peter Hyballa: Ich habe früh damit angefangen, bei Fußballschulen mitzuarbeiten und Trainerfortbildungen zu leiten, und darüber hat mich jemand aus Namibia im Internet gefunden. Der erste Kontakt war zu der Zeit, als ich B-Jugendtrainer bei Preußen Münster war. Da rief jemand in meiner Studenten-WG an und hat gefragt, ob ich mir nicht vorstellen könnte, solche Fortbildungen auch in Namibia zu leiten. Ich habe spontan zugesagt, ohne großartig darüber nachzudenken. Das einzige Erkennungszeichen war jedenfalls, dass jemand mit einem Ball in der Hand am Flughafen in Windhoek steht, um mich abzuholen, und darauf habe ich mich eingelassen. Wahrscheinlich würden das 99 von 100 Leuten nicht machen, aber ich bin der Hinsicht wohl ein bisschen verrückt.

Daraus hat sich dann eine Freundschaft entwickelt, und als ich fünf Jahre später als Trainer bei Arminia Bielefeld entlassen wurde, kam ein Angebot aus Namibia, dort als Erstligatrainer zu arbeiten. Auch da habe ich zugesagt. Heute fliege ich immer noch einmal im Jahr nach Namibia und leite dort vor Weihnachten eine Fußballschule für Kinder und Jugendliche. Insgesamt war das eine wichtige Erfahrung für mich, die ich nicht missen will. Wenn sich heute jemand bei mir beschwert, dass er disziplinlose Spieler hat... (alle lachen)

Würdest du anderen Leuten ebenfalls empfehlen, solche Bauchentscheidungen zu treffen? Ist das der richtige Weg, um als Trainer erfolgreich zu werden?

Peter Hyballa: Für mich war das jedenfalls der richtige Weg, das ist aber eine Typfrage. Es gibt Leute, die sagen von sich, dass sie in Dortmund geboren sind und dort auch sterben wollen. Bei mir ist das anders: Ich brauche immer neue Reize. Und so führe ich auch meine Mannschaft. Ich provoziere die Jungs bis zum Glühen. Der eine kann damit gut umgehen, beim zweiten kitzelst du dadurch noch etwas aus ihm raus, und manch einer zerbricht vielleicht auch daran. Deshalb kann ich auch nicht sagen, dass das so immer für alle richtig ist, aber für mich ist es das. Ich will nicht auf ewig bei einem Verein bleiben, möchte auch mal etwas Neues sehen. Bei mir sind das spontane Entscheidungen, auch als ich damals gesagt habe, dass ich als Spieler aufhöre und Trainer werde. Andere Leute denken darüber sicher länger nach.

Heißt das auch, dass du deine weitere Karriere nicht geplant hast? Mit 33 als A-Jugendtrainer beim BVB: Viel mehr kann man als Trainer im Jugendbereich ja nicht werden...

Peter Hyballa im Interview

Peter Hyballa: Konkrete Pläne habe ich natürlich nicht, aber für mich ist klar, dass ich später einmal als Profitrainer arbeiten will. Ob dass dann in der Bundesliga klappt oder ich in der ersten Liga in Belgien tätig bin, ist erstmal zweitrangig. Jetzt habe ich noch einen Vertrag bis 2011 beim BVB unterschrieben, weil mir die Arbeit in Dortmund Spaß macht und ich Lust habe, mit Lars Ricken etwas Neues zu entwickeln. Allerdings möchte ich nicht mein ganzes Leben als A-Jugendtrainer arbeiten. Mal vor 40.000 Zuschauern im Stadion stehen und nicht immer nur vor 60 Rentnern. Das macht das Kribbeln ja aus.

Und der BVB ist als Sprungbrett da die richtige Wahl? Oder meinst du, dass du bei anderen Vereinen ähnliche oder sogar bessere Zukunftschancen hättest?

Peter Hyballa: Wenn du A-Jugendtrainer bei Borussia Dortmund bist, dann ist das schon etwas Besonderes. Gerade bei Trainerfortbildungen im Jugendbereich sieht man genau, dass der BVB zu den Top 5 im Land gehört, und deshalb ist mir auch klar, dass man bei den Junioren nichts Besseres werden kann. Wir haben hier die meisten Jugendnationalspieler im Bereich von U 17 bis U 19 in Deutschland, haben insgesamt eine tolle Mannschaft, und ich hoffe auch, dass wir es dieses Jahr endlich mal wieder schaffen, einen oder sogar zwei Titel nach Dortmund zu holen. Aber als Typ bin ich eben so, dass ich immer wieder was Neues machen will.

Haben die vielen Jugendnationalspieler auch etwas damit zu tun, dass mit Heiko Herrlich ein ehemaliger Dortmunder als Nationaltrainer arbeitet? Oder sind die Nominierungen wirklich alle leistungsgerecht?

Peter Hyballa: Das hat ganz sicher nur etwas mit der Leistung der Spieler zu tun. Bei Heiko in der U 19 sind mit Daniel Ginczek und Johannes Focher aktuell nur zwei unserer Spieler, davor hat praktisch kein Dortmunder bei ihm gespielt. Mario Götze war unter Marco Pezzaiuoli im Kader der U 17. Und mit Marc Hornschuh, Lasse Sobiech, Marco Stiepermann und eigentlich auch noch Daniel Ginczek spielen vier Jungs von uns unter Frank Engel in der U 18. Zudem ist es ja auch so, dass wir in Deutschland die meisten Punkte geholt haben, da ist es ganz normal, dass viele unserer Spieler in den Jugendauswahlen stehen.

Auch Julian Koch war zum Sichtungslehrgang der U 19 eingeladen, wurde aber letztlich nicht in den Kader berufen. Meinst du, er hat später noch Chancen auf eine Berufung?

Peter Hyballa: Kann sein, aber man muss auch mal bedenken, dass ein Christoph Metzelder in der A-Jugend von Preußen Münster gespielt hat, nie in Jugendnationalmannschaften berufen wurde, später aber trotzdem Riesenkarriere hingelegt hat. Da müssen wir Jugendtrainer, die immer meinen, den kompletten Überblick zu haben und glauben, genau zu wissen, was für die Spieler am besten ist, uns vielleicht auch mal etwas zurücknehmen. Manchmal kommt halt auch jemand groß raus, den wir in der Jugend nicht wahrgenommen haben. Oder andersherum: Marc Hornschuh ist U-18-Nationalspieler, aber ich kann dir trotzdem nicht sagen, ob er später eine Weltkarriere hinlegen wird. Ich hoffe es nur.

Du hast vorhin gesagt, dass dir momentan gerade die Zusammenarbeit mit Lars Ricken gut gefällt. Wie sind eure Kompetenzen generell verteilt? Wie oft sprichst du mit den anderen Trainern, vor allem auch mit Theo Schneider oder sogar Jürgen Klopp?

Hyballa im Gespräch

Peter Hyballa: Mit Theo Schneider habe ich sehr intensiven Kontakt, allein schon, weil wir die Spieler häufig zwischen den Mannschaften hin- und herschieben. Gestern war er zum Beispiel auch beim Spiel gegen Schalke 04. Danach haben wir uns natürlich darüber ausgetauscht, wie wir das Spiel gesehen haben. Mit Jürgen Klopp spreche ich seltener, weil wir im Rabenloh und die Profis in Brackel trainieren. Aber natürlich schaut er sich auch einige Spiele von uns an, wir treffen uns bei Sitzungen und telefonieren regelmäßig. Marc Hornschuh trainiert bei den Profis mit, darüber sprechen wir natürlich, und nach dem Sieg im Halbfinale hat er mir auch gratuliert. Der Kontakt ist von daher sehr gut, besser als früher. Mit Lars Ricken kommuniziere ich ebenfalls täglich, bei ihm hilft natürlich allein sein Name als Türöffner. Außerdem hat er als ehemaliger Spieler einen anderen Blickwinkel. Ganz wichtig ist in diesem Zusammenhang auch Peter Wazinski als sportlicher Leiter im Jugendbereich, der früher selbst die B-Jugend trainiert hat und die Sichtweise des Jugendtrainers entsprechend einbringen kann. Insgesamt haben wir schon ein gutes Team beisammen.

Siehst du eine Veränderung in der Wertschätzung der Jugendarbeit bei Borussia in den letzten zwei Jahren?

Peter Hyballa: Man merkt schon, dass das hier alles viel professioneller geworden ist. Gerade auch durch Lars Ricken, Peter Wazinski und Heiner Finke, die jetzt zu dritt für die Jugend zuständig sind. Eddy Boekamp hat früher auch einen guten Job gemacht, nur war er allein. Aber es hat auch viel mit unserem Erfolg zu tun, dass jetzt so viele Spieler den Sprung zu den Amateuren schaffen. Man rückt dadurch automatisch mehr in den Fokus als als Fünfter. Mit Jürgen Klopp ist jetzt zudem einer Trainer bei den Profis, der sich wirklich für die Jugendarbeit interessiert und gelegentlich auch mal von allein vorbeikommt, selbst zum Training. Unangekündigt. Das hat auch Auswirkungen auf die Spieler, ohne dass ich da groß etwas zu sagen muss.

Auf der anderen Seite ist es auch immer dem Trainer selbst überlassen, was er mit seiner Mannschaft macht. Jeder geht auf seine Weise mit den Jungs um. Wenn ich mich dafür entscheide, ein Trainingslager abzuhalten, dann kann ich nicht erwarten, dass ich noch zusätzlichen Input von Jürgen oder anderen kriege, was ich in der Zeit konkret machen soll.

Das heißt also: Jürgen Klopp kommt zum Training, andere haben das früher nicht gemacht?

Peter Hyballa: Genau. Ihr kriegt den Unterschied doch auch mit. Und damit meine ich nicht nur seine Trainingsarbeit, von der ich selbst ja auch nicht viel mitbekomme, sondern die Art und Weise, wie er mit uns umgeht. Er interessiert sich für uns und ist dabei immer offen und ehrlich. Wenn Spieler von uns bei ihm mittrainieren, wie Marc Hornschuh oder Tolgay Arslan im Trainingslager, dann sieht er, dass wir Qualität in der Mannschaft haben, und es ist gut, das von ihm zu hören.

Ist die Arbeit als Jugendtrainer in Dortmund denn grundlegend anders als beispielsweise in Wolfsburg, wo du zuletzt tätig warst?

Trainingsbeobachtung Jörg Behnert

Peter Hyballa: Das sind zwei grundverschiedene Vereine, und das merkst du auch sofort. Vergleichbar sind natürlich die Spieler, ihr Alter und ihre Qualität, aber hier wird Fußball wirklich gelebt. In Wolfsburg ist im Zweifel etwas mehr Geld da, wenn du zum Beispiel mal in ein Kurztrainingslager fahren willst, aber die Mentalität ist eine andere als in Dortmund.

Und deswegen macht das hier mehr Spaß?

Peter Hyballa: Mir ja. Ich komme aus der Region und habe auch das Herz auf der Zunge, aber natürlich ist es interessant, mal die andere Seite zu sehen. In Wolfsburg musst du eigentlich immer deine Vorgesetzten fragen, hier macht man auch mal Dinge aus dem Bauch heraus.

Kommen die Jungs denn auch mal zu dir, wenn sie Probleme in der Schule haben? Oder sogar mal kürzer treten wollen, wenn am Ende des Schuljahres noch Klausuren anstehen?

Peter Hyballa: Wenn wir Spieler zu Borussia holen wollen, dann ist es oft so, dass die Eltern oder auch ein Berater beim Gespräch dabei ist und die Frage aufkommt, wie wir mit Stress in der schulischen Ausbildung umgehen. Natürlich sagen wir dann, dass sie im Notfall sicher auch mal frei bekommen können. Aber gerade zu Saisonbeginn ertappe ich mich immer dabei, dass mich das eigentlich gar nicht so sehr interessiert, denn am Abend können die Jungs auch noch etwas für die Schule tun. Auch die Spieler selbst kommen mit solchen Fragen eigentlich nicht zu mir, weil sie dann denken, dass ihr Konkurrent vielleicht ein gutes Training machen könnte und der Platz im Team dann weg ist, sie vielleicht auch nicht im Finale zum Einsatz kommen. Das ist das Schlimmste für die Jungs, nicht zu spielen.

Man denkt manchmal, dass Jugendfußball so'n Jux nebenbei ist, aber dem ist nicht so. Wir machen hier Leistungssport, und wenn ein Spieler mal vier Spiele lang nicht auf dem Platz steht, dann will er den Verein wechseln. Das ist genau so wie oben, nur natürlich mit anderen Zahlen. Deshalb kommt es in der Realität auch nicht vor, dass wirklich mal ein Spieler zu mir kommt und sagt, dass er lieber lernen möchte.

Kannst du beurteilen, wie sehr die Arbeit mit den Jugendlichen anders als mit Profis ist? Wenn Jürgen Klopp zum Beispiel sagt, dass er "jeden Spieler besser machen" will, dann klingt das so, als ob der pädagogische Anspruch auch als Trainer von Erwachsenen noch vorhanden ist.

Peter Hyballa: Das ist von der Ansprache her sicher anders, aber andererseits ist man auch als Trainer immer so, wie man ist. Wenn Jürgen Klopp jetzt B-Jugendtrainer hier wäre, würde er an der Linie sicher genau so abgehen, wie er es heute bei den Profis tut. Und ein ruhiger Trainer wie Ralf Rangnick würde auch als A-Jugendtrainer so agieren. Ich mache halt vieles sehr emotional, zwar akribisch, aber immer mit viel Herz dabei. Natürlich sprichst du mit 18-Jährigen anders als mit 28-Jährigen, nur hängt vieles auch vom Intellekt des Spielers ab. Du musst dich sowieso auf dein Gegenüber einstellen. Vom Training her machen wir eigentlich alles so wie auch bei den Profis, üben sehr viele Spielformen ein und arbeiten taktisch, da würde ich nicht viel ändern.

Peter Hyballa nach dem Sieg im Westfalenpokal 2007/08

Als Trainer müsste man sich wahrscheinlich etwas zurücknehmen, weil vieles bereits untereinander in der Mannschaft geklärt wird. Im Jugendbereich ist der Trainer dagegen immer sehr präsent. Wir haben zum Beispiel vorhin in der Analyse der Niederlage gegen Schalke viel über Verantwortlichkeit gesprochen, was man in einer Seniorenmannschaft so sicher nicht muss. Dort bestehen automatisch Hierarchien. Wenn ein 30-Jähriger einem 18-Jährigen etwas sagt, dann nimmt er das auch an. Hier haben die Jungs ein Alter, und das macht den Trainer automatisch etwas wichtiger.

Du hast das Derby gegen die Blauen angesprochen: Merkt man auch im Jugendbereich, dass das ein etwas anderes Spiel ist? Viele Spieler sind ja auch sicher Fans ihres Vereins.

Peter Hyballa: Natürlich ist das ein anderes Spiel, und damit gehen wir auch sehr offensiv um. Vor dem Rückspiel haben wir der Mannschaft ein Video mit Szenen aus dem Hinspiel gezeigt, als wir in der 92. Minute den Siegtreffer erzielt haben. Da ging es sicher mehr zur Sache als in anderen Spielen. Aber ich finde das auch legitim und gut. Mit dem Schmusekursgetue kann ich nicht so viel anfangen. Die geilsten Spiele sind nun mal Derbies, sei es Barcelona gegen Real, Milan gegen Inter, Celtic gegen Rangers oder eben Dortmund gegen Schalke. Und das propagieren wir auch in der Kabine.

Gestern haben wir das aber leider nicht so gut hinbekommen, dennoch war das Spiel fair, und das ist auch wichtig. Die Jungs kennen sich zum Beispiel gut von der Westfalenauswahl und gehen auch mal zusammen in die Disco, aber auf dem Platz geht es trotzdem hoch her. Das merkt man auch im Umfeld. Es gibt nur ein A-Jugend-Spiel, zu dem viele Zuschauer kommen, und das ist eben Dortmund gegen Schalke. Die anderen Spiele interessieren hier doch kaum einen.

Was für eine Zuschauerresonanz erhoffst du dir denn am Freitag im Pokalfinale?

Peter Hyballa: Im letzten Jahr haben Bayer Leverkusen und Borussia Mönchengladbach gegeneinander gespielt, und es waren etwa 4.000 Zuschauer da. Wir wären natürlich froh, wenn wir in diesem Jahr ähnlich viele Zuschauer hätten.

Du warst ja vor zwei Jahren mit dem VfL Wolfsburg schon einmal im Endspiel und kennst das Ambiente daher etwas. Wie läuft das dort ab? Ist der DFB mit wirklich wichtigen Leuten vertreten? Und bekommt ihr auch Tickets für das Finale der Profis?

Plakat DFB Pokalendspiel A Jugend 2009 in Potzdam

Peter Hyballa: Ja, und deshalb waren wir auch überglücklich, nachdem wir im Halbfinale gegen Saarbrücken gewonnen hatten. Wir fahren nicht nur für ein Spiel nach Berlin, sondern sind ganze vier Tage da. Auf Einladung des DFB wohnen wir gemeinsam mit den Freiburgern im Estrel Hotel und haben am Donnerstag nach dem Abschlusstraining dort auch ein gemeinsames Bankett. Wer vom DFB beim Endspiel zugegen ist, kann ich nicht genau sagen, vor zwei Jahren hat Matthias Sammer den Pokal übergeben. Eigentlich schauen immer einige Prominente vorbei, denn die sind an dem Wochenende sowieso in Berlin. Am Samstag haben wir dann Karten für das Endspiel der Profis, das macht das Wochenende schon zu einem richtigen Highlight.

Außerdem geht es für uns natürlich um einen richtigen Titel. Davon gibt es in der A-Jugend ja auch nur zwei: Die Deutsche Meisterschaft und eben den DFB-Pokal. Borussia Dortmund war noch nie Pokalsieger in der A-Jugend, von daher wäre das auch eine schöne Gelegenheit, um uns auf dem Briefkopf zu verewigen.

Geht ihr das in der Mannschaft denn offensiv an? Ihr seid schließlich nicht nur im Pokalfinale, sondern auch Erster der Bundesliga West. Sprecht ihr da offen über die Möglichkeit, zwei Titel nach Dortmund zu holen? Oder denkt ihr auch eher "von Spiel zu Spiel"?

Peter Hyballa: Das Spiel gegen Freiburg steckt sicher schon in den Köpfen der Spieler, und es kann auch gut sein, dass uns deswegen gestern ein bis zwei Prozent gefehlt haben. Die Jungs sprechen kaum noch von etwas anderem. Gut für uns ist, dass praktisch die gesamte Mannschaft in den letzten Jahren in B-Jugend-Endspielen um die Deutsche Meisterschaft stand, dort am Ende aber immer nur die Silbermedaille um den Hals hängen hatte. Da setzen wir an und kitzeln die Jungs auch ein bisschen, damit sie nicht zu zwanzig Michael Ballacks werden - gute Spieler, aber ohne Titel. Deshalb sagen wir natürlich, dass wir das Spiel gewinnen wollen, und wir wären auch extrem enttäuscht, wenn wir wieder nur Zweiter werden würden. Wobei Freiburg natürlich auch keine Kokosnussmannschaft ist und am Ende nur Nuancen über den Sieg entscheiden werden. Für die Spieler wäre es wahnsinnig wichtig, einmal wirklich Erster zu sein und den Pokal in den Händen zu halten.

Wir hatten vorhin über die Koordination der Jugendarbeit beim BVB gesprochen. Wie sichtet ihr neue Spieler?

Peter Hyballa: Verantwortung für die Sichtung insgesamt ist unser Nachwuchs-Chefscout Heiner Finke. Wir haben Tippgeber in ganz Deutschland, aber in den meisten Fällen kriegen natürlich nicht nur wir die Tipps, sondern die anderen Vereine in der Region ebenfalls. Deshalb versuchen wir auch, einen großen Teil der Sichtung selbst abzudecken. Wenn zum Beispiel irgendwo ein Schülerlager oder ein großes Turnier wie in Duisburg-Wedau stattfindet, fahren wir normalerweise mit allen Jugendtrainern raus und schauen uns die Spiele an. Aber auch da sind natürlich die anderen Bundesligisten zugegen.

Kommt es vor, dass auch mal ehemalige Spieler Tipps geben? Dass euch etwa jemand auf einen talentierten jungen Brasilianer aufmerksam macht?

Peter Hyballa

Peter Hyballa: So genau weiß ich das gar nicht, das dürfte Michael Zorc besser wissen. Was eher kommt, sind Tipps von aktuellen Spielern. Wir hatten letztens etwa auf Vorschlag von Young-Pyo Lee zwei Koreaner im Training. Aber gezielt sichten wir in Brasilien keine Jugendspieler. Was wir im Ausland eher machen, ist etwa der Besuch von EM-Qualifikationsrunden. Bei der U-17-Quali war ich in Ungarn und Österreich und habe deren Spiele sowie die von Deutschland, Schottland und Portugal geguckt. Da decken wir eigentlich alle Spiele ab. Auch wenn es unrealistisch ist, heute jemanden aus der Jugend von Benfica Lissabon nach Dortmund zu holen. Aber dann hat man die Spieler wenigstens mal gesehen und zusätzlich in der Datenbank. Vielleicht ist der Junge in drei Jahren halt mal ein echter Kandidat. Außerdem erhält man einen guten Überblick über das Niveau im Jugendfußball insgesamt.

Und dann holt man folglich eher einen Ungarn als einen Portugiesen, weil die preisgünstiger sind?

Peter Hyballa: Preisgünstig sind die alle nicht. (alle lachen) Auch der beste Spieler aus Ungarn fällt ja nicht nur uns auf, sondern auch anderen Vereinen. In Ungarn waren nicht nur wir, sondern die halbe Bundesliga, englische Vereine, holländische Vereine ... Das ist ein brutales Geschäft geworden. Wenn der Spieler dann acht Angebote vorliegen hat, geht er wahrscheinlich dorthin, wo er eine gute Perspektive für sich sieht, aber eben auch das meiste Geld verdient. Da brauchen wir uns nichts vorzumachen.

Außerdem habt ihr natürlich noch die Eigengewächse. Wie viele sind das denn aktuell in deiner Mannschaft?

Peter Hyballa: Bei uns natürlich weniger als in der D-Jugend, aber auch wir haben einige Dortmunder in der Truppe. Das ist gut so, nicht nur weil die Jungs noch zuhause wohnen können, sondern auch, weil wir dadurch wissen, dass in den unteren Jahrgängen gut gearbeitet wird. Und die heutigen C-Jugendlichen sehen, dass sie beim BVB eine echte Chance haben. Wenn wir jedes Jahr zwölf neue Spieler für die A-Jugend holen müssten, wäre das ein schlechtes Zeichen. Soviel Platz haben wir gar nicht in unserem Jugendhaus. Wolfsburg hat zum Beispiel ein Internat mit 26 Plätzen, bei uns sind es zehn! Diese Plätze sind natürlich immer belegt, aber alle weiteren Spieler kommen aus dem Umland.

Auch nach der A-Jugend muss es weitergehen, das klappt bei uns momentan ebenfalls ganz gut. Mehrere Spieler aus meiner Mannschaft haben langfristige Verträge unterschieben: Marc Hornschuh, Julian Koch, Lasse Sobiech, Marco Stiepermann, Mario Götze, Daniel Ginczek ...

... Tolgay Arslan ...

Peter Hyballa: Gut, Tolgay hat woanders unterschrieben. Aber auch er wurde sechs Jahre hier ausgebildet.

Wie bewertest du, dass er jetzt nach Hamburg geht? Ist das nur eine Frage des Geldes?

Peter Hyballa
Peter Hyballa: Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. In der Hinrunde hat Tolgay 21 Tore geschossen, und das als Mittelfeldspieler. Sein Vertrag lief aus, von daher ist es ganz normal, dass auch andere Vereine auf ihn aufmerksam wurden. Heute noch hat er die meisten Tore in Deutschland geschossen. Am Ende hat er sich gegen uns entschieden, aber ich denke nicht, dass das Geld da die ausschlaggebende Rolle gespielt hat.

In den Medien ist das zu hart diskutiert worden. Man darf nicht vergessen, dass Tolgay uns erst mit seinen Toren dahin gebracht hat, wo wir jetzt stehen. Und für den Verein ist das natürlich auch eine tolle Sache, auch wenn die A-Jugend nicht so wichtig ist wie die Profis. Aber wenn wir das Finale gewinnen, heißt es auch in den überregionalen Medien, dass der BVB eine gute Jugendarbeit hat.

Und wie siehst du eure Chancen?


Peter Hyballa: Wie schon gesagt wird es ein sehr enges Spiel werden. Wir sind Tabellenführer der Bundesliga West, der SC Freiburg ist Erster in der Südstaffel. Das ist ein Gegner auf Augenhöhe. Schön wäre es für uns, wenn viele Fans des BVB den Weg nach Potsdam auf sich nehmen würden und das Stadion in Dortmunder Hand wäre. Anstoß ist am Freitag um 18 Uhr im Karl-Liebknecht-Stadion. Da kann man es sogar noch schaffen, direkt im Anschluss nach Hause zu fahren, um am Samstag die Amateure in Münster zu unterstützen... (lacht)

Wir bedanken uns für das Gespräch.

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