Eine Bestandsaufnahme
Fünf Pflichtspiele hat die Borussia inzwischen hinter sich und sich dabei durchaus achtbar aus der Affäre gezogen. Drei Siege, zwei Unentschieden, keine Niederlage - das ist die Bilanz von Jürgen Klopps Mannschaft, die sich durchaus sehen lassen kann. Gerade was die Bundesliga angeht, hätten wohl nur die wenigsten von uns bei Bekanntgabe des Spielplans erwartet, dass das Punktekonto des BVB nach vier Spieltagen bereits derart üppig gefüllt sein würde. Deutlich tritt es zu Tage: Die Mannschaft hat unter Jürgen Klopp einen guten Schritt nach vorn getan. Doch der Weg nach oben ist trotzdem noch ein langer und steiniger. Denn dass nicht alles Gold ist, was da glänzt, hat das Derby deutlich gezeigt.
Vor allem ist es die mangelnde Konstanz, mit der sich die Schwarzgelben noch recht häufig selbst im Weg stehen. Gegen die Bayern offenbarte das Klopp-Team eine phänomenale erste Halbzeit - und eine eher mäßige zweite. Im Derby traf nach ansprechendem Auftakt der unglückliche Elfmeter für das Blaukraut die Borussen bis ins Mark - und ließ sie in der Folge vor allem im Mittelfeld derart planlos agieren, dass einem auf der Tribüne angst und bange werden musste. Dann aber das fulminante Comeback, das vor allem den Charakter der Truppe eindrucksvoll unter Beweis stellte. Dazu offenbarten die Borussen im direkten Vergleich mit den blauen Gegenspielern vor allem eine höhere Abgeklärtheit. Während die unbeherrschten Reaktionen des Blaukrauts für eine ganze Handvoll Platzverweise ausgereicht hätte, ließen sich die Dortmunder weitaus weniger provozieren - und dass, obwohl angesichts des 0:3-Rückstands durchaus die ein oder andere Amok-Aktion zu erwarten gewesen wäre.
Insgesamt jedenfalls präsentiert sich der BVB unter Jürgen Klopp jedenfalls deutlich verbessert zum Vorjahr. Das phasenweise aufblitzende Kombinationsspiel offenbart eine völlig neue Qualität, die lediglich noch konstanter präsentiert werden muss. Die ein oder andere Vollgasveranstaltung, die Klopp bei seiner Präsentation im Sommer angekündigt hatte, konnte man also bereits in beiden Heimspielen begutachten. Dazu kommt, dass die Defensive, in der vergangenen Saison noch das große Manko der Borussia, sich zum Prunkstück entwickelt. Neven Subotic und Mats Hummels räumen nicht nur hinten ziemlich konsequent auf, auch im Spiel nach vorne zeigen sich die beiden blutjungen Innenverteidiger grandios. Subotic hat nach fünf Bundesligaspieler seiner Karriere immerhin schon drei Tore auf dem Konto - als Verteidiger wohlgemerkt - und Hummels eröffnet von hinten heraus das Spiel und mischt sich in den Spielaufbau, als habe er bereits zehn Profijahre auf dem Buckel. Bei Beiden ist natürlich zu erwarten, dass eines Tages ein Einbruch kommt. Doch bis dahin macht es schon mal tierisch Spaß, den Jungs beim Kicken zuzusehen.
Auch das Spiel auf den Außenbahnen weiß beim BVB neuerdings zu gefallen. Links macht Dede-Ersatz Marcel Schmelzer seine Sache bislang mehr als ordentlich und präsentiert sich auch Florian Kringe in ansprechender Form. Rechts trumpft Kuba erstmals im BVB-Trikot richtig auf und auch Antonio Rukavina lässt einen bedeutend ruhiger das Spiel verfolgen als im Vorjahr Philipp Degen.
Die neue Stärke auf den Außenbahnen fordert ihr Tribut allerdings in der Mittelfeldzentrale, wo Tamas Hajnal bisher durchwachsene und Sebastian Kehl erschreckend schwache Leistungen abruft. Eine Pause für den Kapitän scheint da fast ratsam, aber mit Tinga steht eine Alternative ja schon in den Startlöchern - und hat sich im Derby bereits auch bestens eingeführt.
Und sonst? Sowohl Angriff wie auch Torwart-Position lassen sich bislang nicht gut einschätzen. Hinten hatte die Leistung Roman Weidenfellers im Derby definitiv mehr Schatten als Licht. Ohne Spiel- und mit wenig Trainingspraxis wäre es jedoch ungerecht, ihn auf dieser Basis zu bewerten. Und auch vorne ist eine angemessene Bewertung noch schwierig. Nelson Valdez allerdings erscheint deutlich verändert und präsentiert sich ebenso torgefährlich wie selbstbewusst. Selbstbewusstsein kann man auch Mohamed Zidan nicht absprechen, doch bislang sind die Leistungen des Ägypters eher durchwachsen. Vor allem die Eigensinnigkeit, mit der sich der quirlige Neuzugang in den gegnerischen Abwehrbeinen festdribbelte, sorgte für Unmut im Publikum. Das muss zweifellos besser werden, aber wer will nach nur drei Spielen in Schwarzgelb bereits den Stab über Zidan brechen? Schwer wird er es aber zweifellos haben im Sturm, denn spätestens mit Alex Freis fulminanter Rückmeldung ist der Konkurrenzkampf im Angriff eröffnet. Vorsichtiger Optimismus ist angesichts dieser Alternativen jedenfalls angebracht, zumal hinter den Dreien auch noch Diego Klimowicz lauert und jederzeit für das ein oder andere Tor gut ist.
Der BVB jedenfalls befindet sich aktuell in einer personellen Luxusposition. Sieben der acht erreichten Punkte hat die Borussia mit einer halben B-Mannschaft erkämpft. Jetzt, wo immerhin Weidenfeller, Tinga und Frei zurück sind und mit Young-Pyo Lee neben Marcel Schmelzer noch ein zweiter Dede-Ersatz parat steht, hat Jürgen Klopp insgesamt mehr Qualität zur Verfügung - und steht damit gleichsam vor der Qual der Wahl. Härtefälle sind da unumgänglich. Bereits am Wochenende fanden weder Marc-André Kruska noch Giovanni Federico oder Bajram Sadrijaj Platz im Profi-Kader.
Wie gut Jürgen Klopp mit dem aktuell recht üppig besetzten Kader umzugehen vermag, wird wohl auch in den beiden Spielen gegen Udinese Calcio entschieden. Schon die nächsten englischen Wochen sind für uns Borussen ja ein längst verloren geglaubtes Lebensgefühl. Qualifiziert sich der BVB nun also für die Gruppenphase, so ist die Dimension des Kaders vermutlich gerade richtig für die anstehenden Aufgaben.
Der erfolgreiche Saisonauftakt jedenfalls vermag es, uns Borussen eigentümlich zuversichtlich in die Zukunft blicken zu lassen. Wer fünf Punkte in Spielen gegen die Bayern, das Blaukraut und Leverkusen erringt und sich dabei schadlos hält, der darf ruhigen Gewissens vorfreudig in die Zukunft blicken. Zwar gilt für die junge Innenverteidigung gleichermaßen wie für die gesamte Mannschaft die Einsicht, dass Rückschläge sicher noch kommen werden, doch erstmals seit langer Zeit erscheint der BVB wirklich auf einem guten Weg.
Und wenn wir es jetzt noch schaffen, am Donnerstag gegen Udine gut vorzulegen, dann werden wir wohl noch viel Spaß bekommen mit dieser Spielzeit.
Arne, 16.09.2008