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"Fußball unterm Hakenkreuz"

24.10.2007, 00:00 Uhr von:  Pini
"Fußball unterm Hakenkreuz"
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Die Zeit des Nationalsozialismus gehört wahrscheinlich zu den am besten erforschten Epochen der deutschen Geschichte. So mancher Fußballfan mag sich bereits häufiger gefragt haben, was der DFB eigentlich in dieser Zeit gemacht hat. Der promovierte Lektor Nils Havemann hat sich drei Jahre lang mit dem Thema beschäftigt und mit der Veröffentlichung seines Buches "Fußball unterm Hakenkreuz" im Jahre 2005 mit vielen Legenden, Vorurteilen und Mythen aufgeräumt.

Aufforderungen an den DFB, seine Geschichte aufzuarbeiten, gab es bereits 1975, aber erst vor der Hundertjahrfeier des DFB im Jahre 2000 wurde die Geschichte des DFB zwischen 1933 und 1945 ernsthaft diskutiert. So erschienen die Bücher "Stürmer für Hitler" von Gerhard Fischer und Ulrich Lindner, "Der deutsche Fußballbund" von Arthur Heinrich, ein Beitrag von Karl Adolf Scherer in "100 Jahre DFB" und "Der DFB" von Karl-Heinz Schwarz-Pich mit zum Teil sehr unterschiedlichen Positionen.

Gemeinsam sind ihnen laut Havemann aber die unsachliche Diskussion, die dürftige Quellenlage und der klischeehafte Umgang mit dem Dritten Reich. "Fußball unterm Hakenkreuz" – übrigens eine vom DFB in Auftrag gegebene, aber wissenschaftlich unabhängige Studie – hingegen besticht durch eine große Auswahl an Quellen und sehr gutes Kontextwissen. Herausgekommen ist ein hervorragendes, äußerst differenziertes Buch, das jeder, der sich für Fußballgeschichte interessiert, lesen sollte. Um das Handeln des DFB im Dritten Reich verstehen zu können, widmet Havemann zunächst zwei Kapitel dem DFB und seiner Rolle im ersten Drittel des zwanzigsten Jahrhunderts sowie den deutschen Sporttraditionen des neunzehnten Jahrhunderts. Der Fußball in Deutschland war zunächst ein bürgerliches Spiel, weil die Arbeiter keine Zeit hatten, sich die Materialen nicht leisten konnten und die Angst bei ihnen vor Verletzungen und den daraus resultierenden Lohnausfällen zu groß war. Der DFB hatte aber von Beginn an den Anspruch, alle Deutschen miteinander zu verbinden – und vor allem möglichst viele Mitglieder zu gewinnen. So hielt er sich auch aus politischen Streitigkeiten heraus, um niemanden abzuschrecken.

Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges konnte der DFB bereits ein großes Wachstum verzeichnen, was auch dringend nötig war, denn zum einen hatte der Fußball in der Gesellschaft nicht nur Freunde und zum anderen gab es viele Konkurrenzverbände, gegen die sich der DFB durchsetzen musste und die er sich oft einverleiben konnte. Nicht zuletzt weil viele Kaufleute an seiner Spitze standen, ging der DFB schon in seiner Anfangszeit streng geschäftsmäßig vor. In der Öffentlichkeit und dem Staat gegenüber musste er allerdings immaterielle, idealistische und nationalistische Gedanken vorschieben, da der Staat sonst seinen Anteil an den Eintrittsgeldern, die so genannte Besteuerung von Lustbarkeiten, eingefordert hätte. Trotz des nationalen Gründungsgeistes, in dem der DFB entstand, richtete er sich bereits frühzeitig international aus und unterstützte auch die Gründung der FIFA 1904. Grund dafür war nach Havemann allerdings weniger der immer wieder genannte Gedanke der Völkerverständigung, sondern die finanziellen Möglichkeiten, die die internationalen Spiele boten.

Erst 1912 wurde der DFB politisch aggressiver und ging eine enge Verbindung zum preußischen Militär ein. Dies war für den DFB nur von Vorteil, denn das Militär erwies sich als wichtigster Multiplikator des jungen Sports. Auf Grund des Ersten Weltkrieges waren die internationalen Möglichkeiten des DFB zu Beginn der Weimarer Republik eingeschränkt, aber nach einiger Zeit normalisierten sich die Beziehungen zu den ausländischen Verbänden wieder. Neben den eigenen Länderspielen waren auch die internationalen Spiele der Vereine ein gutes Geschäft für den DFB, der auch hier seinen Teil verlangte und an ein Franchise-Unternehmen erinnert. Wie sehr unternehmerisch der DFB dachte und wie sehr er dies zu verheimlichen versuchte, zeigen zwei Beispiele. Zum einen wurde ab 1927 die Jugendarbeit des DFB systematisiert – nicht zuletzt, weil man dadurch in den Genuss steuerlicher Vergünstigungen kam. Zum anderen argumentierte der DFB ebenfalls 1927 gegen das diskutierte Verbot von Alkohol auf Sportplätzen, dass dieses eine Gefahr für das Vereinsleben darstelle, weil die Eltern der jüngeren Spieler und andere Leute so vielleicht nicht im Vereinsheim verkehren würden. Ungenannt bliebt das wohl eigentlich wichtigere Argument, dass die Brauereien damals schon wichtige Geldgeber, unter anderem für den Bau von Fußballplätzen, waren.

Dass man mit dem Fußball zunehmend Geld verdienen konnte, hatte natürlich nicht nur der DFB, sondern auch die Vereine und vor allem die Spieler gemerkt. So kam in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre die Idee auf, das „Berufsspielertum“ einzuführen, wie es in einigen anderen europäischen Ländern längst der Fall war. In Deutschland sträubte sich der DFB aber mit aller Macht gegen die Gründung eines Profiverbandes. Besonders die großen Vereine hingegen, und von diesen besonders wiederum die im Süden Deutschlands, waren für die Trennung von Profi- und Amateurfußball. Für sie war es immer schwieriger geworden, ihre besten Spieler zu halten und gleichzeitig trotzdem legal zu wirtschaften. Mit dem Ausbruch der Weltwirtschaftkrise 1929 verstärkte sich das Problem noch und im Oktober 1930 drohten die großen Südvereine dem DFB mit der Gründung eines Konkurrenzverbandes. Im August 1932 wurde wirklich der Süddeutsche Verband für Berufsfußballspiele gegründet, der sogar direkt den Deutschen Städtetag auf seine Seite zog. Der DFB war jedoch weiterhin strikt gegen die Gründung eines Profiverbandes und fürchtete um die Einheit des deutschen Fußballs. Er argumentierte mit ethischen Gründen und pflegte den Mythos vom immateriellen Sport. Havemann hält es für möglich, dass es beim DFB Personen gab, die wirklich aus moralischen Gründen handelten.

Der bedeutendere Grund für den DFB, die Einführung des Profitums unter seinem Dach unbedingt zu verhindern, sind seiner Meinung nach aber die steuerlichen Vorteile gewesen, die mit dem Entstehen eines Berufsspielertums weggefallen wären. Ein neuer Konkurrenzverband hätte den DFB sogar noch schlechter dastehen lassen. Mitten in den Streit zwischen dem neuen süddeutschen Verband und dem DFB fiel die Machtergreifung Hitlers. Der Süddeutsche Berufsspielerverband argumentierte den Nationalsozialisten gegenüber, er würde 1.000 Arbeitsplätze schaffen. Das war ein starkes Argument, sodass der Starttermin der neuen Profiliga bereits angesetzt wurde. Allerdings konnte der DFB den Konkurrenten noch übertrumpfen: Die Gründung eines Profiverbandes würde die Amateurvereine derart schwächen, dass dies den Nichtgewinn der Goldmedaille bei den Olympischen Spielen 1936, dem Prestigeobjekt der Nazis, nach sich ziehen würde. Wenig später wurde der Plan, eine Profiliga zu gründen, von den Nationalsozialisten verworfen, der süddeutsche Verband verschwand in der Bedeutungslosigkeit und die besondere Stellung des DFB war erstmal gerettet. Dass keine Zuwendungen mehr an die Spieler flossen, ist unwahrscheinlich. Es wurde aber stärker versucht, sie geheim zu halten. Dies gelang jedoch nicht immer, wie das Beispiel Werder Bremen zeigt. Wegen eines Vergehens wurde der Club drei Monate vom Spielbetrieb suspendiert und seine Spieler und Repräsentanten wurden mit Sperren belegt. Unter den DFB-Funktionären war auch wegen der Klärung der Berufsspielerfrage Sympathie für die neue Regierung entstanden.

Waren vor 1933 nur sehr wenige führende DFB-Funktionäre Mitglied der NSDAP, waren es nach 1933 nur sehr wenige nicht. Die Motive, in die Partei einzutreten, waren laut Havemann vor allem Angst um die soziale Stellung, ein starkes Geltungsbedürfnis und erwartungsvolle Neugier. Die persönlichen Gründe waren also weitaus wichtiger als ideologische Gründe, die nur für wenige Personen bedeutend waren. Bis 1935 wuchs der Enthusiasmus noch, was nicht zuletzt damit zusammenhing, dass der DFB – dessen offizielle Bezeichnung ab 1933 „Fachamt Fußball“ lautete - zunächst zu den Gewinnern der neuen Zeit zählte. Von den meisten Funktionären wurde das Verhältnis zur Diktatur nur von ihrer Bedeutung für den DFB und nicht von ihren politischen Grundsätzen bestimmt. Auch der steigende sportliche Erfolg und die verbesserte wirtschaftliche Lage in den nächsten Jahren trugen dazu bei, dass der Nationalsozialismus von vielen Fußballfunktionären positiv beurteilt wurde. Wie alle anderen Vereine und Verbände auch, musste sich der DFB der neuen Zeit anpassen. Die föderalen Strukturen wurden beseitigt, die Landesverbände wurden durch Gaue ersetzt und das Führerprinzip erhielt auch im DFB Einzug.

Weitere Eingriffe von anderen nationalsozialistischen Stellen wurden von Reichssportführer Hans von Tschammer und Osten sowie Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß persönlich untersagt, da sie ihrer Meinung nach den Erfolg bei den Olympischen Spielen beeinträchtigen würden. Außerdem schätzten die Nazis den DFB als Wirtschaftsfaktor, auch wenn sie ihn als liberalen, kapitalistischen Verband sahen und deswegen ideologische Differenzen feststellten. So blieben die kommerziellen Aspekte des Fußballs erhalten. So war der finanzielle Erfolg bei Länderspielen weiterhin das oberste Kriterium. Dass die Großveranstaltungen von den Nationalsozialisten politisch benutzt wurden, nahm der DFB klaglos hin, weil es das Geschäft nicht störte, sondern durch die Masseneuphorie eher förderte. Was für ein Spektakel der Fußball mittlerweile geworden war, zeigt die Tatsache, dass das Frankfurter Stadion mit 35.000 Plätzen für große Spiele zu klein war. Großen Wert legten die Nationalsozialisten auf das positive Auftreten deutscher Sportler im Ausland, sollten sie doch ein positives Bild vom neuen Deutschland zeichnen. Im Ausland war man nicht überall von den Gastspielen der Deutschen angetan. So rechnete im Dezember 1935 vor einem Länderspiel in England die englische Presse mit 10.000 mitfahrenden uniformierten Nazis, sodass es in England großen Widerstand gegen das Spiel gab.

Ähnliches wiederholte sich knapp zwei Jahre später in der Schweiz, wo es zu zahlreichen Auseinandersetzungen kam und die 11.000 mitgereisten deutschen Anhänger sich wie bei einem Spießrutenlauf fühlten. Schon vor der „Machtergreifung“ Hitlers hatte es antisemitische Ausfälle gegeben. Beim DFB spielte der Rassenhass aber noch keine Rolle. Judenfreundlich war der DFB aber auch nicht gerade, denn viele Befürworter des Berufsfußballs waren Juden. Im April 1933 schloss der DFB dementsprechend nicht alle Juden aus, sondern verbot ihnen „nur“, höhere Positionen in Vereinen zu besetzen, um so einen Teil der Berufsspielerbewegung auszuschalten. So sprach für den DFB das eigene wirtschaftliche Interesse gegen die Juden – denen man ironischerweise ebendieses Interesse vorwarf. Auf Grund dessen verwundert es nicht, dass die Nationalsozialisten den DFB ähnlich beschrieben, wie der DFB die Juden beschrieb.

Es ist ebenfalls keine Überraschung, dass der DFB weiterhin gute Geschäftskontakte zu Juden unterhielt. Der DFB schaffte es also bis 1936, selbstständig weiterzuarbeiten und verbesserte seine Situation sogar. Dann kamen die Olympischen Spiele, bei denen die deutsche Elf bereits im zweiten Spiel vor der versammelten Prominenz der Nationalsozialisten mit 0:2 gegen Norwegen ausschied. Für den DFB war dies eine Katastrophe und eine Blamage vor den Nationalsozialisten. Nach den Olympischen Spielen begann der Niedergang des DFB, der nun von den Nationalsozialisten nicht mehr gebraucht wurde. Es fand eine „zweite Gleichschaltung“ statt, bei der unter anderem völlig fußballfremde Nationalsozialisten an die Stelle der alten Funktionäre gesetzt wurden. Weiterhin verlor der DFB auch das Recht, eigenständig über die Beziehung zu ausländischen Verbänden zu entscheiden. Die Länderspiele gingen an das Reichsfachamt Fußball über, sodass der kommerzielle Aspekt an Bedeutung verlor. Stattdessen wurde der Fußball nun auf den Gesamtplan Hitlers ausgerichtet.

Schlimmer noch als für den DFB war das Ende der Olympischen Spiele für die jüdischen Sportvereine. Mussten sie vorher noch toleriert werden, weil das Deutsche Reich Angst vor einem Olympiaboykott der anderen Länder hatte, brach der Antisemitismus nun offen aus. 1938/39 wurden die letzten jüdischen Vereine aufgelöst und verboten. Auch der DFB beteiligte sich aus Gründen der Opportunität an der Ausgrenzung der Juden. Extrem antisemitisch waren die Vertreter des DFB in der Mehrzahl zwar nicht, laut Havemann waren sie aber zumindest von der Andersartigkeit der Juden überzeugt. Im Frühjahr 1938 wurde Österreich dem Deutschen Reich angeschlossen und wenig später wurden Böhmen und Mähren von Deutschland besetzt. Dies bot auch für den DFB einiges an Konfliktpotenzial, denn in beiden Ländern spielte man Profifußball. Während die österreichischen Profis sich zumindest offiziell eine andere Arbeit suchen mussten, blieb das Berufsspielertum in Böhmen und Mähren erhalten, da die dortigen Spieler im Gegensatz zu den Österreichern nicht für die deutsche Nationalelf spielen sollten. Einige deutsche Spieler wechselten nun nach Böhmen und Mähren, wo es nicht selten zu Zwischenfällen zwischen Deutschen und Tschechen kam. Im April 1940 wurde der DFB formal aufgelöst.

Der nationale und internationale Spielbetrieb wurde danach vom Reichsfachamt Fußball weitergeführt. Mit dem Beginn des zweiten Weltkrieges fand der Sport fast ausschließlich zu militärischen Zwecken sowie am Sonntag zur Abwechslung statt. Benutzt wurde der Sport generell, besonders aber auch der Fußball außerdem zur Pflege internationaler Beziehung, die nun wichtiger geworden waren, da sich das Deutsche Reich vor der Isolation fürchtete. So bewarb sich Deutschland um die Austragung der Fußballweltmeisterschaft 1942, und sowohl im IOC, als auch in anderen internationalen Sportorganisationen sollten nach Meinung der politischen Spitze des Reichs Deutsche die Führung übernehmen. In der FIFA wurde der Posten des Vizepräsidenten angestrebt, hinter einem italienischen Faschisten. Wie wichtig diese Aspekte den Nationalsozialisten waren, zeigt die Tatsache, dass Personen, die auf dem Weg zur Macht in der FIFA im Weg standen, von der SS beseitigen werden sollten.

Dass dies nicht so geschah, scheint der Verdienst des späteren DFB-Präsidenten Peco Bauwens gewesen zu sein, der nach dem Krieg nachwies, dass er die FIFA-Repräsentanten vor dem Zugriff der Nazis bewahrt hatte. Die Länderspiele waren für die guten Spieler eine gute Chance, zumindest eine gewisse Zeit von der Front abberufen zu werden. So waren die Spieler stets sehr motiviert, um auch beim nächsten Mal wieder dabei zu sein. Nachdem 1943 der internationale Sportverkehr und ein Jahr später der offizielle deutsche Spielbetrieb zum Erliegen gekommen war, war es ab Herbst 1944 auch für die guten Spieler nicht mehr möglich, Heimaturlaub für Fußballspiele zu bekommen. Für rund 20 aktuelle Nationalspieler stellte sich die Frage nicht: Sie waren bereits im Kriege gefallen. Alles in allem erläutert Havemann das Handeln des DFB vor und im Dritten Reich und seine wirtschaftlichen Gründe sehr gut. Viele Fallbeispiele einzelner Funktionäre zeigen die individuellen Motive der Handelnden und ergeben ein sehr gutes Gesamtbild. Andererseits wird aber auch beschrieben, wie die Nationalsozialisten den Fußball vereinnahmten und benutzten. Fußball unterm Hakenkreuz gibt es bei der Bundeszentrale für politische Bildung für ganze 4 Euro zu erwerben. An der Börse würde man wohl von „strong buy“ sprechen.


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Nils Havemann
Fußball unterm Hakenkreuz
Campus-Verlag, Frankfurt/ Main, 2005
ISBN 3-89331-644-2

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