..Hans-Joachim Watzke (Teil 1): Die Bank droht ja jedem
Die Bundesligasaison 2006/2007 steht in den Startlöchern und der BVB blickt mit einer beinahe runderneuerten Mannschaft erwartungsvoll dem Auftakt bei den Bayern entgegen. Eine Woche, bevor es für die Schwatzgelben in München ernst wird, haben wir Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke einen Besuch abgestattet und uns mit ihm über die neue Mannschaft, Morgan Stanley, schwarzgelbe Farben und seine Gefühle als BVB-Fan unterhalten.
Fast zwei Stunden nahm sich der Chef Zeit, um ausführlich alle Fragen zu beantworten, auf Kritikpunkte einzugehen und selbst seine Sicht der Dinge darzulegen. Aufgrund der Länge präsentieren wir Euch das Interview in drei Teilen. Wir beginnen mit dem sportlichen Teil und der Fragestellung, wie wichtig das Erreichen von Platz Fünf wirklich für Borussia Dortmund ist.
schwatzgelb.de: Herr Watzke, die Weltmeisterschaft ist seit knapp einem Monat vorbei, in Dortmund fanden sechs – zum Teil herausragende - Spiele statt. Wie lautet Ihr Fazit zu diesem Großereignis, sowohl rein persönlich, als auch aus BVB-Sicht?
Watzke: Mein Fazit ist durchweg positiv, wir hatten tolle Spiele hier und haben als Verein wie als Stadt eine tolle Visitenkarte abgegeben. Dazu die Spieler von uns, die eine sehr gute Rolle gespielt haben. Wenn man jetzt beispielsweise erlebt hat, wie es in Gießen war (beim Testspiel der Borussia, Anm. d. Red.), da gab es ja einen Hype um die WM-Spieler, speziell um David Odonkor, das war wie bei Tokio Hotel. Wir sind, das bekommt Ihr ja auch mit, derzeit mit einem sehr großen medialen Auftrieb versehen und die WM hat das natürlich auch noch deutlicher gemacht, keine Frage.
schwatzgelb.de: Was aufgefallen ist: Wir hatten Berliner Freunde mit beim Spiel Ghana-Brasilien und die haben sich gewundert, wie die ganze Stadt geschmückt war, das war wohl in Berlin gar nicht in dem Maße der Fall. Aber wie kann man da jetzt als BVB versuchen, diese Stimmung rüberzuretten?
Watzke: Es gibt natürlich einige Ansätze, über die man sich auch Gedanken machen muss. Aber dazu hat es nicht nur der WM bedurft. Es gibt ein völlig anderes Publikumsverhalten, als das noch vor zwanzig oder dreißig Jahren der Fall war. Wenn ich mir die alten Sportschaubilder in Schwarzweiß anschaue, da saßen auf der Tribüne lauter Männer mit Mänteln und Hüten, eine Frau war da eher mal die Ausnahme. Und heute, das ist aber im ganzen gesellschaftlichen Bereich so, machen die Familien mehr zusammen. Ich weiß das noch: Früher, da stand mein Vater nach dem Abendessen auf und ging in die Kneipe. Da fragte auch keiner: „Was machst Du jetzt eigentlich?“ Das ist heute gar nicht mehr so, heute beteiligst Du die Familie mehr. Das heißt, wir müssen ein familiengerechtes Angebot machen. Da müssen wir uns drauf einstellen, in allen Bereichen! Heute Morgen gab es noch ein klassisches Beispiel dafür: Da habe ich mit unseren Leuten, die das Catering im Stadion machen, zusammen gesessen und die gefragt: „Warum gibt’s bei uns eigentlich keinen Döner?“ Das ist beispielsweise eine Sache, die Jüngere gerne haben wollen, während für den Älteren der Fußball sicher eher noch mit einer Bratwurst verbunden ist. Und so müssen wir das Stadion lebendig halten für die ganze Familie. Das ist das Erste.
Zum Zweiten war es für mich sehr beeindruckend, wie die Tribünen bei den Spielen untereinander kommuniziert haben. Das ist so etwas, das muss bei Borussia Dortmund auch besser werden. Bei uns hat sich alles auf die Südtribüne konzentriert und die anderen drei Tribünen haben mittlerweile die Haltung: ‚Die Südtribüne soll für die Stimmung sorgen und wir gucken uns das mal an.’ Das ist schlecht! Und deshalb versuchen wir, das auch ein bisschen zu ändern. Das sind so ein paar einzelne Punkte. Und ganz allgemein kann man sagen, dass man bei der WM gesehen hat, wie stark diese freundliche Atmosphäre und auch der gute Komfort in den deutschen Stadien von den Leuten angenommen werden. Sie kriegen völlig neue Zielgruppen, beispielsweise die Gruppe der zehn- bis achtzehnjährigen Mädchen, die sich bisher deutlich weniger für Fußball interessiert haben. Die sind jetzt ganz stark dabei. Ich sehe das an meiner eigenen Tochter, die sich mit zwölf Jahren auf einmal unheimlich dafür interessiert hat, was vorher gar nicht das Thema war. Und da müssen wir dann eben sehen, dass wir diese Klientel auch bei uns behalten.
schwatzgelb.de: Sie haben gesagt, man müsse versuchen, die anderen Tribünen auch mehr einzubeziehen. Wie?
Watzke: Ich bin nicht derjenige, der das Patentrezept hat, sonst hätten wir das nämlich schon morgen. Wir haben da eine Arbeitsgruppe eingerichtet, unter Beteiligung der Fanabteilung, mit Norbert Dickel, den Leuten von Sportfive, Markus Rejek. Die sollen sich alle mal Gedanken machen und ein Maßnahmenpaket schnüren. Es ist natürlich anderswo einfacher, in Gelsenkirchen oder Hamburg zum Beispiel. Die haben die Stadien entweder komplett umgebaut oder neu gebaut. Das heißt: Da konntest Du den einzelnen Fanblock mehr auf die einzelnen Tribünen verteilen. Ich würde mir heute wünschen, wir hätten einen harten Kern der Fans auf Süd und einen auf Nord, da könnten die sich die Bälle schön zuspielen. Das wäre gut, aber das gibt es hier halt nicht. Vielleicht muss man dahin aber den Weg ein wenig beschreiten. Aber wie gesagt: Die in der Arbeitsgruppe machen da ihre Vorschläge und ich bin die letzten Tage recht häufig mit ihnen in Kontakt. Muss man jetzt eben mal abwarten. Generell ist das aber sicherlich ein Punkt, wo sich jeder gerne wieder mehr beteiligen möchte. Es kann ja auch nicht sein, dass sich drei Tribünen nur auf die vierte fokussieren.
schwatzgelb.de: Ist das dieser Süd-Ost-Block, der da angedacht wurde?
Watzke: Zum Beispiel. Generell können wir da aber auch nicht zu sehr eingreifen. Wir können solche Verschiebungen vornehmen, aber es gibt auch andere Möglichkeiten. Das fängt schon damit an, dass ich auch der Mannschaft sage, auch mal an die anderen Tribünenseiten zu denken, wenn sie sich bedanken. Das sind viele kleine Schritte, aber da gibt es auch einen breiten Konsens: Ich habe das letzte Woche mit der Fanabteilung und auch mit The Unity und den Desperados diskutiert: Da sind alle einer Meinung, dass wir was machen müssen.
"...damit sich dich Jungen auch wohlfühlen"
schwatzgelb.de: Kommen wir noch einmal zu WM, diesmal aber zum Sportlichen: David Odonkor hat da eine ziemlich positive Rolle gespielt, Sebastian Kehl hat gute Leistungen gebracht, Metzelder war sogar Stammspieler. Zumindest bei Odonkor und Metzelder droht jetzt aber in Dortmund die Bank. Glauben Sie, das kann Probleme geben?
Watzke: Überhaupt nicht! Die Bank droht ja jedem. Das ist jetzt auch ein Thema, das künstlich aufgeblasen wird. Der David Odonkor hat natürlich eine Riesenaufmerksamkeit erzeugt, aber er war auch bei der WM in erster Linie Einwechselspieler. Er hat natürlich enorm seine Fähigkeiten demonstriert, David ist ja auch ein sehr wichtiger Spieler. Das Gleiche gilt aber auch für Metzelder und Kehl. Kehl zum Beispiel hat den Marc-André Kruska enorm im Nacken, da spricht aber kaum einer drüber, weil es grad nicht opportun ist. Aber warum soll der Kruska dem Sebastian Kehl nicht auch deutlich Wind machen? Das ist für mich auch das Schizophrene: Jeder weiß, wenn Du international spielen willst, brauchst Du eine gewisse Bandbreite in Deiner Mannschaft. Sagt jeder! Wenn Du die aber hast, dann wird aber nicht etwa gesagt „Ja, die brauchen wir auch, wenn wir international spielen wollen“, sondern es wird gesagt: „Boah, das gibt aber Probleme!“ Das ist eben so! Und dann, das ist genau dasselbe Thema, haben mich in den letzten Wochen so viele gefragt: „Ist das jetzt die Abkehr vom Jugendstil bei Borussia Dortmund?“ Dabei ist das völliger Unsinn. Wenn jemand auf die Jugend setzt, dann wir!
Erstmal haben wir mit dem neuen Trainingsgelände Grundlagen geschaffen, damit sich die Jungen auch wohl fühlen. Früher konntest Du ja im übertragenen Sinne den Eltern sagen: „Wenn Ihr wollt, dass Eure Kinder bestimmt Fußpilz kriegen, müsst Ihr sie zu Borussia Dortmund schicken.“ Das waren ja unwürdige Trainingsbedingungen und die haben wir geändert.
Weiter haben wir mit Kruska, Sahin, Tyrala, Vrzogic, Amachaibou fünf außergewöhnliche Spieler und die haben ja mehr oder weniger auch schon ihre Bundesligareife unter Beweis gestellt. Aber das alleine reicht ja nicht: Wenn ich jetzt als Nuri Sahin oder David Vrzogic, übrigens U17-Nationalspieler, internationaler Spitzenspieler werden will, dann muss ich mich auch intern durchsetzen können. Wenn ich das nicht kann, dann wird’s nicht reichen. Du tust keinem Jungen einen Gefallen, wenn Du sagst: „Jetzt bist Du 18 und hast ne Stammplatzgarantie!“, wie das bei uns teilweise zuletzt war. Da entwickeln sie sich nicht weiter und werden auch körperlich völlig überfordert.
schwatzgelb.de: Bei Nuri hat man das gesehen. Der wurde immer langsamer
Watzke: Extrem!
schwatzgelb.de: Arbeitet der eigentlich an seiner Schnelligkeit?
Watzke: Ja.
schwatzgelb.de: Das geht noch in dem Alter?
Watzke: Ja, das geht noch, solange die Muskulatur noch nicht vollkommen ausgebildet ist. Das ist bei ihm noch nicht der Fall, da ist noch deutlich Luft nach oben. Bei Markus Brzenska war es dasselbe. Das ist aber auch ein Langzeitprozess, der dauert anderthalb Jahre, aber der hat mit 18 oder 19 auch seine Schnelligkeit noch einmal deutlich verbessern können. Das geht schon.
Grundsätzlich ist es aber so: Borussia Dortmund – das ist einfach Fakt – ist einer der ganz großen Klubs in Deutschland und unser Bestreben muss es sein, auch wieder international zu spielen, nachdem wir finanziell wieder die gröbste und schlechteste Phase hinter uns haben. Aber mit Sinn und Verstand und nicht mit Brachialgewalt, indem wir irgendwelche Kredite aufnehmen und dann wild die Spieler holen. Das haben wir ja jetzt auch gerade nicht getan. Wir haben schön moderat investiert, mit 1,5 Millionen Euro – das ist für unsere Verhältnisse moderat. Da müssen sich die Jungen dran reiben und wenn Marc-André Kruska und Nuri Sahin so einem Steven Pienaar oder einem Sebastian Kehl im Training auch mal energisch gegenübertreten, dann ist das genau das Positive. Und dann müssen sie irgendwann auch mal versuchen, die abzulösen. Und die „Alten“ müssen versuchen, Ihren Platz zu beweisen. Wenn ich schon sehe, mit welchem Engagement die die letzten Wochen zu Werke gehen, das ist ja auch kein Zufall. Letztes Jahr bei diesem Turnier in Baunatal haben wir so gespielt, dass Du nicht hingucken konntest, und jetzt haben wir die da weggefegt. Woran liegt das denn? Weil jeder Spieler weiß: „Ich muss die kleinste Gelegenheit nutzen, selbst um in Gießen noch das 12:0 zu schießen, um für mich intern einen Pluspunkt beim Trainer einzufahren. Das ist der Punkt!
schwatzgelb.de: Gibt das Hoffnung, auch mal wieder einen überzeugenden Sieg in der ersten Pokalrunde einzufahren? Also so einen richtigen „Bundesliga gegen Amateure“-Sieg?
Watzke: Da wäre mir deutlich wichtiger, dass wir überhaupt weiterkommen. Aber natürlich, gar keine Frage, werden wir das mit vollem Elan angehen.
"Sie müssen sich jetzt ihren Weg freikämpfen"
schwatzgelb.de: Was aber bei der Sache mit den jungen Spielern viele befürchten: Der VfB Stuttgart ist ja – auch bei Borussia – in Punkto Jugend immer als Vorbild bezeichnet worden. Was daraus geworden ist, ist bekannt. Die jungen Wilden sind ausgeblutet, sind gegangen und stattdessen wurden irgendwelche mittelmäßigen Durchschnittsspieler verpflichtet.
Watzke: Das ist völlig richtig. Die Sorge könnte ich auch nachvollziehen, wenn wir dieselbe Situation hätten wie in Stuttgart. Haben wir aber nicht. Ich weiß nicht genau, wie viele Trainer in den letzten Jahren in Stuttgart waren, aber mindestens drei. Wenn man Magath noch zählt, sogar vier. In der ganzen Zeit hatten wir einen. Von den Sportdirektoren da konntest Du Dir die Namen nicht so schnell merken, wie da wieder andere kamen. Da war keine Kontinuität vorhanden und wenn Du die nicht hast, hast Du auch keine Gesamtphilosophie. Da sind sicherlich Fehler gemacht worden. Was man aber auch nicht unterschätzen darf: Wenn man jedem jungen Spieler das Gefühl gibt, dass es ohne ihn gar nicht mehr geht, dann ist das schwierig. Die haben alle schon ihre Spielerberater und da muss man auch aufpassen, dass das alles wirtschaftlich vernünftig bleibt.
Hier in Dortmund wird es aber keine Abkehr geben, denn wir haben ja die ganzen Jungen langfristigst gebunden, Vrzogic wollen wir ganz langfristig binden, Nuri Sahin, Sebastian Tyrala und die anderen haben Verträge bis 2009, 2010…. da wird sich aus meiner Sicht nichts tun. Aber den nächsten Schritt können wir den Jungs nicht abnehmen, sie müssen sich jetzt ihren Weg freikämpfen und da sind sie bei.
Unser Weg ist jedenfalls ganz klar: Wir brauchen richtig gute Spieler, aber mit Perspektive. Wir können keinen van Nistelrooy holen, das können wir uns finanziell nicht leisten….
schwatzgelb.de: …andere ja auch nicht…..
Watzke: …andere auch nicht, aber es gibt schon Klubs, die da mehr machen können. Wir müssen gute Spieler holen, von denen wir überzeugt sind, aber die müssen auch Perspektive haben. Uns, dem Trainer und dem Umfeld, muss es dann gelingen, aus diesen richtig guten Spielern - beispielsweise Nelson Valdez, der ist ja unstrittig ein Riesenfußballer mit seinen 22 Jahren – vielleicht einen Weltstar zu machen. Aber wir können keine Weltstars einkaufen, das werden wir auch nie wieder tun, denn das war auch einer der entscheidenden Punkte, weswegen wir nachher die Probleme bekommen haben. Das geben die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht her. Natürlich können wir aber Spieler wie Valdez, Frei oder Pienaar, die alle ein Riesen-Potenzial haben, verpflichten. Das geht schon.
Diese Spieler und dazu Junge, das muss die Mischung sein. Und nicht mehr irgendwelche Durchschnittsspieler, die einen nicht weiterbringen.
"Das Potential ist extrem hoch"
schwatzgelb.de: Wie sieht es denn insgesamt mit der Personalplanung aus: Es war ein bisschen geredet worden, dass eventuell noch ein Torwart kommen soll, und dann schwebt ja immer noch der Tinga über uns. Wie ist da die Situation?
Watzke: Tinga ist jetzt „unglücklicherweise“ in Südamerika ins Finale eingezogen. Da müssen wir jetzt auch Respekt haben vor Porto Allegre und vor den Verantwortlichen dort: Stellen Sie sich mal vor, wir stünden diese Woche im Endspiel um die Champions League und den Hero würden wir eine Woche vor dem Endspiel verkaufen. Das geht ja nicht! Also wird er jetzt die beiden Spiele machen und dann werden wir uns auch mit den entsprechenden Leuten kurzfristig zusammensetzen, um das auch zu finalisieren. Der klare Wille aller Beteiligten ist deutlich da, den Wechsel auch zu realisieren.
schwatzgelb.de: Also auch vom Verein?
Watzke: Da gehe ich von aus.
schwatzgelb.de: Und wie sieht es beim Thema Torwart aus?
Watzke: Das war jetzt eine etwas übereilte Diskussion, die uns vielleicht auch von Außen aufgezwungen worden ist. Der Roman hatte eine Sehnenreizung, da weiß man, dass es ne Woche dauert. Da wussten wir damals schon, dass er gegen Tottenham wieder spielen wird. Jetzt war ausgerechnet noch die Situation, dass der Bernd Meier Rückenprobleme hatte. Wenn das jetzt ein Meisterschaftsspiel gewesen wäre, hätte der wahrscheinlich Spritzen bekommen und hätte im Tor spielen können. Aber für ein Freundschaftsspiel kann man ja auch sagen: „Wir haben einen guten Regionalligatorwart, lassen wir den mal spielen.“ Das ist alles ganz unaufgeregt eigentlich. Ein neuer Torwart jedenfalls wäre für uns nur dann ein Thema, wenn einer von den Beiden eine langfristige Verletzung hätte, dann hätten wir vielleicht noch mal torwartmäßig reagieren müssen, aber das sehe ich jetzt derzeit nicht.
schwatzgelb.de: Wie schätzen Sie denn insgesamt das Potenzial der Mannschaft in der kommenden Saison ein?
Watzke: Das Potenzial unserer Mannschaft ist extrem hoch. Die Frage ist aber nicht so sehr die nach der Größe des Potenzials, sondern wie man es ausschöpft. Da muss man auch ein bisschen Geduld haben. Wir haben ja ganz klar gesagt, dass wir ins internationale Geschäft zurück wollen. Für uns bedeutet das zunächst, in den UEFA-Pokal zu kommen. Man sollte ja immer den ersten Schritt vor dem zweiten machen. Wir haben natürlich auch ein paar „Probleme“: Zunächst einmal ist die Mannschaft, mit Ausnahme von Christian Wörns, sehr jung. Die ist ja jetzt sogar noch jünger geworden. Zweitens haben wir eine Systemänderung, Wir spielen ja – worüber ich mich persönlich auch freue – mit 4-4-2. Und drittens haben wir acht Spieler bei der WM gehabt, die sich jetzt auch erstmal finden müssen im System und im Zusammenspiel. Das kann auch ein bisschen länger dauern, so etwas geht nicht einfach innerhalb einer Woche. Das ist so ein bisschen das Restrisiko dabei. Aber dass wir vom Potenzial der einzelnen Spieler her eine gute Mannschaft haben, da bin ich sehr, sehr sicher.
schwatzgelb.de: Was würde mit Mannschaft, Trainer und Verein passieren, wenn Platz 5 nicht erreicht würde?
Watzke: Mit dem Verein passiert dann gar nichts, außer dass wir dann ein langes Gesicht ziehen. Die Zeiten, wo wir so auf eine Ergebnisplatzierung spielen mussten, weil das anschließend mit gravierenden wirtschaftlichen Folgen verbunden war, sind vorbei. Der KGaA würde nur in dem Maße Schaden entstehen, dass weniger Einnahmen kämen. Aber eben Einnahmen, die ohnehin nicht für das nächste Jahr eingeplant waren. Das ist kein Thema. Aber wir wären alle – besonders ich an der Spitze – sehr enttäuscht, weil wir eben auch einen gewissen Ehrgeiz haben. Das ist ja nicht nur alles im Leben wirtschaftlich motiviert, sondern wir haben einen sportlichen Ehrgeiz. Wir wollen das und sind auch der Meinung, dass wir das schaffen. Das wäre dann die Enttäuschung, wenn es nicht klappt. Aber ich kann jetzt auch nicht sagen, wenn wir Sechster oder Siebter würden, dann passiert dies und das. Dann müsste man analytisch und mit kühlem Kopf nachsehen, woran es gelegen hat. Das kann ich im Vorfeld ja nicht.
Damit beschäftige ich mich aber auch gedanklich noch gar nicht, weil ich sehr, sehr überzeugt davon bin, dass wir in der kommenden Saison einen erstens hervorragenden und zweitens erfolgreichen Fußball sehen werden.
schwatzgelb.de: Wie erfolgsabhängig sind denn die neuen Sponsorenverträge? Sie haben ja gesagt, dass der RAG-Vertrag in die Dimensionen von E-ON vorstößt. Tut er das auch von der Grundsumme her oder ist das nur im Maximalfall so?
Watzke: In beiden Fällen. Wir kalkulieren ohnehin immer nur mit dem Basishonorar. Die Verträge mit Signal-Iduna und der RAG haben aber beide Dimensionen, die das vorige Niveau sogar deutlich übertreffen würden, wenn wir wieder international spielen.
"Das ist völliger Quatsch"
schwatzgelb.de: Existieren denn irgendwelche Worst-Case-Szenarien? Wir haben ja leidvoll erfahren müssen, dass eine Zeit lang immer nur mit dem besten anzunehmenden Fall gerechnet wurde.
Watzke: Wir rechnen mit gar keinem Fall. Für dieses Jahr stehen die Planungen ja sowieso und da ist natürlich auch kein Euro Europapokal-Einnahme einkalkuliert, weil wir da ja auch nicht spielen. Für das kommende Jahr 2007/2008 haben wir auch schon einen Businessplan, da sind auch keine internationalen Gelder drin enthalten. Man kann das Worst-Case-Rechnen aber auch übertreiben: Wenn wir uns jetzt fünfmal hintereinander nicht für den Europapokal qualifizieren, haben wir langfristig sowieso ein Problem, weil wir dann keine so großen Sponsorverträge mehr kriegen. Aber dann müssen wir eben unsere Kosten anpassen und dann heißt es irgendwann auch Abschied nehmen von unseren Ambitionen, aber das sehe ich derzeit überhaupt nicht.
Wir haben derzeit eine Mannschaft, die in der kommenden Saison 28 Millionen kostet, das ist für diese Qualität der Mannschaft nicht sehr viel. Da liegen wir nicht unter den ersten Fünf in der Bundesliga. Das ist ja der entscheidende Weg, den wir gehen wollen, das habe ich ja auch immer gesagt: Der sportliche Erfolg ist die eine Seite, aber der wirtschaftliche muss damit einhergehen. Nur auf eins von beidem zu achten, halte ich nicht für sinnvoll und das ist auch nicht mein Weg. Wenn ich jetzt in den Südwesten gucke, da hat man auch Sanierungen betrieben und am Ende ist der Klub in der zweiten Liga gelandet. Das ist auch keine richtige Sanierung für mich, da muss man sportlich und wirtschaftlich im Gleichschritt gehen.
schwatzgelb.de: Sie sind vor einigen Monaten aber zitiert worden, die internationale Teilnahme wäre jetzt schon notwendig.
Watzke: Überhaupt nicht, das ist völliger Quatsch. Habe ich auch nie gesagt, das ist definitiv nicht so!
schwatzgelb.de: Da war die Aufregung auch groß, weil es bis dahin immer hieß, man plane nicht damit.
Watzke: Dann ist das nicht richtig rüber gekommen. Das ist definitiv nicht so, weil wir damit gar nicht planen. Und ich würde mich auch niemals für ein – wie auch immer geartetes – Abenteuer hergeben, das da heißt: „Wir müssen jetzt wieder sportlichen Erfolg haben, sonst kriegen wir wieder wirtschaftliche Probleme.“ Dafür bin ich auch in der Haftung, das dürfen Sie mal nicht unterschätzen. Das gibt es nicht, völlig ausgeschlossen!
schwatzgelb.de: Ab nächstem Jahr sollen dann wieder schwarze Zahlen geschrieben werden, war zu lesen?
Watzke: Ja, wobei nach der Definition mancher Leute schon dieses Jahr schwarze Zahlen geschrieben worden wären. Man hat ja bei Borussia Dortmund immer von „operativen Gewinnen“ und so etwas erzählt. Wir haben dieses Jahr 3,9 Millionen Euro Verluste, haben aber 7,7 Millionen Abschreibungen. Das heißt: Wenn es mal kassentechnisch sieht, haben wir mehr Geld am Ende des Jahres gehabt als am Anfang. Die Abschreibungen solltest Du zwar eigentlich erwirtschaften, damit Du Gewinn hast, aber zumindest geht Dir dadurch kein Geld verloren. Der Spieler ist ja hier. Das heißt also, es ist jetzt zum ersten Mal kein Geld weniger geworden, was man ja auch am Abbau der Schulden deutlich sehen kann. Wir planen jedenfalls, im nächsten Jahr mit einer knappen schwarzen Zahl und unter der Prämisse keiner internationalen Einnahmen. Das wäre natürlich noch ein entsprechendes Sahnehäubchen, durch das wir dann auch einen deutlichen Gewinn machen würden. Aber unsere Prognose ist auch so positiv und wir haben ja zuletzt gezeigt, dass wir diese Prognosen auch in der Regel einhalten. Wir haben acht Millionen Minus prognostiziert, sind jetzt ungefähr um vier Millionen besser gewesen und wenn wir so eine Prognose abgeben, sind wir auch recht zuversichtlich, dass wir das auch wirklich einhalten. Aber es ist eben eine Prognose ohne internationalen Wettbewerb.
In den weiteren Teilen des großen Interviews mit Hans-Joachim Watzke befragen wir den Geschäftsführer zu Morgan Stanley, der Borussia als Börsenunternehmen, sprechen über Kritik, das neue Trikot und vieles mehr.
Hier ein paar Zitate aus dem zweiten Teil
Wo war die Alternative?“
Ich habe vollstes Verständnis für die Bedenken.“
Für mich ist Borussia Dortmund das Maß aller Dinge.“
Es ist immer einfach, eine Extremposition einzunehmen“
Wer meine Vita kennt, müsste wissen: Das ist ein Fußballbekloppter“
Das hat mich gestört, dass wir als Borussia Dortmund da ein schlechtes Bild abgegeben haben.“
Wir brauchen eine möglichst große Einigkeit“
Hier gehts zum zweiten Teil: "Was sind die Dinge, die Euch heilig sind?"
Hier gehts zum dritten Teil: "Hör mir auf mit Fundamentalisten..."