Dynamo Dresden - Fan - Interview
Vor einigen Tagen spielte Dynamo Dresden, der Traditionsverein aus Sachsen, bei Borussias Amateuren. Das Spiel fand nach einigen Irritationen an einem Mittwoch abend im Westfalenstadion statt. Wir haben die Gelegenheit ergriffen, daher ein Interview mit "Pulce" von den Ultras Dynamo zu führen.
Pulce ist 20 Jahre alt und gehört zu den 4 Gründungsmitgliedern der ULTRAS DYNAMO. Er fungiert mehr oder weniger als eine Art Sprecher.
Hallo Pulce,
schon mal vorab schönen Dank, daß Du uns für ein paar Fragen zur Verfügung stehst.
Am vergangenen Mittwoch spielten Eure Dynamos im Westfalenstadion gegen unsere Amateure. Wie habt ihr die Absage des ursprünglichen Termins erlebt und aufgenommen? War die Absage für Euch plausibel?
Pulce: Die Absage war der reinste Witz. Wir haben uns abends in unserem (ehemaligem) Raum getroffen und uns gefragt, warum ein Verein, der sich Weltpokalsieger und Aktiengesellschaft schimpft, kein Regionalligaspiel durchführen kann. Würde man in Dortmund mehr Wert auf solche Spiele legen, hätte man das alles anders planen können. Vielleicht eine andere Spielstätte finden können, aber wenn einem erst zwei Tage vor der Angst einfällt, dass ja ein riesiger Kran im Stadion steht ist das ziemlich Amateurhaft und nicht nachzuvollziehen.
Man kann also sagen, daß die Stimmung wegen des Mittwochs-Termins, der kurzfristigen Absage und der Niederlage gegen Aue etwas gereizt war, oder?
Pulce: Gereizt würde ich nicht sagen. Das Spiel gg. Aue wurde zwar verloren, aber es geht bei uns ja sportlich in dieser Saison sowieso um nichts mehr. Vor dem Spiel hatten zwar noch paar Träumer den Aufstieg vor Augen, aber ich denke, wir sollten realistisch bleiben und Ruhe in den Verein bringen. Die Leute, die am Mittwoch nach Dortmund gefahren sind, waren auch nicht gereizter als wenn sie es an einem Samstag getan hätten. Schließlich waren alle froh, doch dabei sein zu können.
Was passierte nach dem Spiel? Wieso gab es für gerade einmal 350 Dynamo-Fans eine Blocksperre? Dazu muß man von unserer Seite sagen, daß es in Dortmund noch nie eine Blocksperre für Gästefans gegeben hat.
Pulce: Warum es eine Platzsperre gab kann Dir wohl bloß der Obermacker der Polizei erzählen. Im gesamten Spiel ist es ruhig geblieben und es wurde nicht mal gg. die Bullen oder gg. euch übermäßig gepöbelt. Alles war im Rahmen und nach der Niederlage wollten alle nur nach Hause. Denn einige mussten ja wieder arbeiten und alle waren aufgrund der unglücklichen Niederlage ziemlich enttäuscht.
Warum die Bullen mit so einer Blocksperre provozierten, kann keiner von uns verstehen. Es kam zu Handgemenge bei dem Bullenknüppel und Fahnenstangen zum Einsatz kamen. Einige Ordner mischten ebenfalls mit. Unser Zivi (Szenekundiger Zivilbeamter der Dresdner Polizei, Anm. d. Red.) tauchte auf und es wurde wieder ruhig. Wir durften den Block verlassen, aber extrem langsam gehende Ordnungskräfte (Provokation?) und von hinten nachrückende Dynamos ließen wieder Drängeleien aufkommen und der Knüppel kam ein weiteres mal zum Einsatz. Als der Ausgang näher rückte, wurden wahllos Personen brutal verhaftet. Es wurden sogar verletze Leute und deren Helfer einkassiert, die zu einem Krankenwagen wollten. Nach langem hin und her kam Ruhe in die Angelegenheit und drei Personen wurden auf die Wache gefahren. Dort wurden Sie aufs übelste misshandelt. Einem wurde die Kapuze übers Gesicht gezogen und mehrere Bullen traten auf ihn ein, einem anderem wurde wahllos Straftaten angehängt und für diese Zeugen auf der Wache gesucht. Das man sich unter Kollegen hilft ist ja klar und für jede angebliche Straftat wurde auch ein Zeuge gefunden. Das die anderen zwei ebenfalls Tritte und Schläge von den Bullen abbekamen, versteht sich von alleine. Eine Anzeige gg. die Betreffenden Bullen läuft bereits und einige Namen der Beamten sind auch schon bekannt.
Was glaubst Du, woher Euer schlechter Ruf bei Polizei und Ordnungsdiensten kommt? Ist er unbegründet, durch übertriebene Berichterstattung geschürt oder zumindest in Teilen durchaus begründet?
Pulce: Der schlechte Ruf kommt sicherlich durch die Vorkommnisse in der letzten Zeit. Ich will ja gar nicht behaupten, dass wir alle Engel sind. Aber in letzter Zeit hat sich die Situation zu Hause und auch auswärts gebessert. Liefen früher 1500 randalegeile Leute zum Gästeblock und zettelten Randale an, sind es heute weitaus weniger, die dies versuchen. Die Berichterstattung seitens der Medien ist natürlich auch nicht unschuldig daran, dass man bei jedem Auswärtsspiel auf massig Grüne trifft. Bei den kleinsten Vorfällen werden seitenlange Berichte geschrieben, um noch mehr Öl ins Feuer zu gießen. Denn so etwas wollen die Leute lesen und die Verkaufsquoten sind bei solchen Vorfällen besonders hoch.
Wie ist die Fanszene bei Dynamo strukturiert? Ist die Fanszene im "Osten" Deiner Meinung nach grundsätzlich anders als die meisten Szenen im Westen? Woran machst Du das fest?
Pulce: Die Fanszene bei Dynamo ist kaum strukturiert. Alles geht in einander über. Klar, es gibt Unterschiede im Alter und somit auch bei den verschiedenen Interessen. Aber größtenteils arbeiten die Aktiven in der Szene zusammen. Wir wollen uns als ULTRAS DYNAMO auch nicht besonders hervorheben. Wir haben zwar den Block gut im Griff und stellen die größte Fraktion im Stadion. Aber ohne die anderen wären wir auch nichts und das wissen die Leute, die nicht bei uns mitarbeiten, genauso wie wir. Ich denke, der Unterschied zwischen Ost und West besteht hauptsächlich im Zusammenhalt. Im Westen konnte ich oft beobachten, das Pyrozünder von zwei Bullen aus dem Block gebracht werden. So etwas würde es bei uns nicht geben. In Essen und Münster haben wir gezeigt dass unser Block zusammenhält und den Bullen kaum Chancen lässt wahllos Leute zu verhaften.
Welchen Stellenwert hat Deine Gruppe, die Ultras Dynamo, in Dresdens Fanszene? Seid ihr voll akzeptiert oder habt ihr Probleme?
Pulce: Wir haben einen hohen Stellenwert in der Dresdner Szene. Denn der Verein als auch normale Fans wissen, was Sie an uns haben. Ein Protest beim Hinspiel gg. euch hat seine Wirkung nicht verfehlt. Damals wurde uns die ganze Randale, die es nach dem Derby gg. den DSC gab, als etliche Polizisten verletzt wurden und es mehrere Stunden zu Straßenschlachten kam, in die Schuhe geschoben. Man sprach sofort vom Verbot der Gruppe und einige "Internetforumsgötter" wollten uns steinigen. Das es solche Randale lange vor unserer Zeit schon gab, haben die natürlich prompt vergessen. Unser Protest zogen wir durch, indem wir keine Fahne aufhingen und uns nicht im eigentlichen Stimmungsblock sehen ließen. Die Akustik und die Optik im Stadion waren unter aller Sau und nun sahen viele, was sie an uns hatten. Natürlich läuft es bei uns auch nicht ohne Probleme ab, aber gute Kontakte zum Verein, zum Ordnungsdienst und zu den alteingesessenen Fans helfen uns bei vielen Problemen weiter. Wir haben ein großes Potential in der Dresdner Szene. Viele von uns sind noch jung, können und wollen was bewegen. Wir engagieren uns auch noch bei anderen Aktionen von Dynamofans. Wir sind z.B. bei ?Zukunft Dynamo? aktiv, dieser Verein kümmert sich um den Nachwuchs von Dynamo und wir arbeiten auch bei der, erst kürzlich ins Leben gerufene Initiative, "PRO-RHS" mit. Diese ist uns ganz besonders wichtig, weil auch in Dresden der Hype um eine neue, große und vor allem komfortable Arena begonnen hat. Wer sich über diese Problematik informieren will ist bei Pro RHS gern gesehen.
Habt ihr Vorbilder im Ausland?
Pulce: Wir lesen natürlich Fanzines aus dem In- und Ausland. Sind auch bei manchem Ostblockspiel anzutreffen und schauen uns Videos aus Italien an. Aber Vorbilder haben wir eigentlich nicht. Wir wollen unser eigenes Ding drehen und nicht auf Krampf Fanszenen nacheifern. Das wir uns aus dem Ausland Anregungen holen ist natürlich klar, denn die meisten Szenen sind weiter in ihrer Entwicklung als wir.
Welche Rolle spielen Gewalt und Politik allgemein in der Dresdner Fanszene und speziell bei UD?
Pulce: Politik spielt im Dresdner Stadion kaum eine Rolle. Jeder wird als Dynamofan akzeptiert. Jedoch werden keine Schwarz-Weiß-Roten Fahnen geduldet. In Verl wurde seit langem wieder ein gesichtet und sofort aus dem Block befördert. Bei UD gibt es auch keine politische Marschrichtung, obwohl die Mehrheit eher Links als Rechts eingestellt ist.
Die Gewalt in Dresden nimmt merklich ab. Natürlich haben wir noch gg. diese Problematik zu kämpfen, denn im Vergleich zu manchen Bundesligaspielen herrscht hier der reinste Krieg auf den Straßen. Das bekommt leider immer öfter der Verein zu spüren. Es hagelte Geldstrafen und beim Sachsenpokalfinale in Plauen wird eine Kaution von 5 € auf jede Gästeeintrittskarte erhoben. Wenn es im Stadion ruhig bleibt und Dynamo keine Strafen bezahlen muss, bekommt man sie wieder. Diese Sanktion wurde vom Sächsischem Fußballverband unserem Verein aufgedrückt. Was man davon hält, ist klar, aber wir haben keine Wahl.
Wir als ULTRAS DYNAMO wollen dem Verein in keinster Weise schaden. Deshalb verzichten wir oft auf Pyro und zünden beispielsweise zu Hause überhaupt keinen Rauch. Gewalt spielt für uns als Gruppe keine Rolle. Wir sind zwar - wie oben schon erwähnt - alles keine Engel, lassen uns auch nichts gefallen. Aber wir legen es nicht darauf an. Abgemachte Matches wie es im Westen teilweise der Fall ist, überlassen wir lieber unseren Leuten von "Hooligans Elbflorenz".