Schlechte Karten
Zwei Kreuzbandrisse, ein gerissener Meniskus und ein Kreuzbandanriss, dazu ein Platzverweis, ein ausgebüchster Spieler (inklusive Rückkehr) und zwei Blitz-Transfers ? was sich liest wie die Bilanz einer ruppigen Saison, ist gerade mal die Zusammenfassung der ersten zwei Wochen rund um den Bundesliga-Start 2003. Borussia geht am Stock.
Wenn das Spiel nicht Fußball, sondern Skat, am besten noch ?Ramsch? hieße, könnte man sich vielleicht auch genüsslich zurücklehnen und auf das Aufspiel warten. Leider heißt das Spiel in der BL und der CL aber Grand ? zumindest, wenn man in den Wettbewerben auch etwas erreichen will. Man kann allerdings auch schenken, wie es Leverkusen im Frühjahr getan hat. Die haben damit aber auch auf einen Schlag ihre über Jahre aufgebaute Reputation mit weggeschenkt. Zugegeben, so viele schwere Verletzungen, wie sie unser BVB zu Beginn der Saison verkraften muss, sind happig. Aber im Gegensatz zum Poker, wo man mit einem miserablen Blatt jederzeit bluffen oder aussteigen kann oder im Zweifel einfach neue Karten kauft, ist man beim Skat darauf angewiesen, auch aus den miesesten Situationen das Beste herauszuholen. Deshalb spielen auch zwei gegen einen.
Die Zwei müssen sich nur einig sein! Doch genau hier verstehe ich das Gespann Sammer/Zorc nicht. Die wollen in einer Skat-Runde Poker spielen und bei jeder schlechten Nachricht gleich neue Spieler kaufen. Wie wäre es denn stattdessen mal mit dem Gegenteil? Der Rückbesinnung darauf, was Fussballmannschaften und ganze Vereine schon immer unberechenbar und nahezu unbezwingbar gemacht hat: gemeinsam, mit allem zur Verfügung stehenden Mitteln für eine neue Aufbruchstimmung zu sorgen. Ganz nach dem Motto: Nicht mit uns! Jetzt erst recht!
Überall ist ein Mangel an Vertrauen spürbar: Seitens der Fans gegenüber dem Verein (z.B. Vorverkauf, Rahmenprogramm), seitens des Vereins gegenüber dem Profi-Kader (?Ende der Ausreden?) und letztlich auch seitens des Trainers gegenüber der zweiten und dritten Garde. Stattdessen sollte der Verein doch dringend nach Dingen suchen, die verbinden. Wo ist bei uns dieses Wir-Gefühl, das letzte Saison die Lauterer einen Riesen-Kraftakt hinlegen ließ? Oder noch einige Nummern größer: Was wäre vor einem Jahr mit den Dämmen im Osten passiert, wenn nicht Leute mit angepackt hätten, die bis dato nicht mal wussten, wie man eine Schaufel hält?
Zwischendurch mal die Fakten: Kehl wird im September wieder spielen. Fernandez und Conceicao haben in wenigen Wochen ihre Fitness aufploiert haben.
Metzelder wird in zwei bis drei Wochen wieder einsatzfähig sein. Es geht also maximal um zwei bis drei Bundesliga-Spiele gegen die Hammer-Teams aus Wolfsburg, 1860 und den 1.FC Köln. Dazu die die Quali-Auftritte gegen Brügge. Und für diese drei Heim- und zwei Auswärts-Spiele brauchen wir jetzt neue Trümpfe? Am besten noch mit dem folgenden Profil:
Fit für 90 Minuten, ballsicher und spielstark, muss der Mannschaft sofort weiterhelfen können, spielberechtigt in der CL und darf nicht so teuer sein.
Ach, so. Dann sieht?s doch gar nicht so schlecht aus. Wenn man nun tatsächlich eine solche Eierlegende-Wollmilchsau finden sollte, wäre nach dem Conceicao-Transfer die neue Hierarchie im Team übrigens auch nur noch eine Sommerloch-Anekdote. Solche Kracher neigen nämlich aller Erfahrung nach nicht dazu, allzu stille Mitmenschen zu sein. Die Transfer-Aktivitäten wirken darüber hinaus sehr hysterisch. Und: Irgendwann endet alles in einer, wie die Amerikaner es nennen, ?self-fullfilling prophecy? ? die Situation wird um so schlechter, je schlechter man sie sich redet.
Vielleicht sollten die Verantwortlichen das Geld sparen und auf das Blatt des Mitspielers setzten. Ein solches Wir-Gefühl kann uns weiterhelfen! Wofür unterhält man sonst eine Regionalliga-Mannschaft, wenn die Spieler von dort nicht die entstehenden Lücken im Profi-Team schließen dürfen? Was sind das denn für Zeichen an die Nachwuchs-Spieler? ?Herzlichen Glückwunsch, Du spielst jetzt beim BVB. Aber das Profi-Team vergiss gleich mal!? Klar gibt?s gewaltige Unterschiede zwischen einem Nationalspieler und einem Nachwuchsmann. Aber auf der anderen Seite sollte man sih auch überlegen, was es für einen Nachwuchsmann bedeuten würde, in der CL-Quali für den BVB aufzulaufen und einen Frings vertreten zu dürfen?
Man erinnere sich an die ersten Auftritte von Eike Immel, Lars Ricken oder Ibrahim Tanko. Ein solches Wir-Gefühl würde auch die Sitzplatz-Zuschauer wieder vom Hocker reißen. Könnte diese notgedrungene Underdog-Rolle nicht ein positives Klima rund um den ganzen Verein schaffen? Ja!
Vielleicht ist diese Sichtweise ja nur ein romatisch verklärter Blick auf die harte Realität. Vielleicht gibt sie aber auch den Blick auf einen Weg frei, der im Moment durch eine gewisse Betriebsblindheit verstellt wird.
Geschrieben von MaJo
ACHTUNG: Beiträge von Gastautoren müssen nicht die Meinung der Redaktion widerspiegeln, wir sind jedoch der Auffassung, dass auch solche Stimmen hier ein Forum finden sollten.
In der Rubrik „Eua Senf“ veröffentlichen wir in unregelmäßigen Abständen Texte, die uns von unseren Lesern zugesandt wurden.
Dir brennt auch ein Thema unter den Nägeln und Du möchtest einen Text auf schwatzgelb.de veröffentlichen? Dann schick ihn an gastautor@schwatzgelb.de.