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Ein Thema - Zwei Redakteure - Eine Meinung: Gunter Gabriel singt BVB-Hymne

22.08.2002, 00:00 Uhr von:  Arne Jens
Ein Thema - Zwei Redakteure - Eine Meinung: Gunter Gabriel singt BVB-Hymne
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Die Nachricht, daß Gunter Gabriel sich in den Kopf gesetzt hat, eine BVB-Hymne zu "singen", hat in der Redaktion für einige Unruhe gesorgt. Jens und Arne haben sich zu diesem Thema Gedanken gemacht, das Ergebnis findet ihr hier.

Arnes Meinung: Der nächste bitte...

Die Nachricht der Woche fand kaum Beachtung: "Gunter Gabriel will neue BVB-Hymne singen", so lief es gestern über den schwatzgelb.de-Ticker. Dies, so die Nachricht der Westfälischen Rundschau, habe der Countrysänger auf einer Veranstaltung des extravaganten BVB-Fanclubs "Hohensyburg" immerhin in Gegenwart von Norbert Dickel, Lothar Emmerich und Aki Schmidt versprochen. Versprochen? Ja, richtig gehört! Was in Kaschmir die Herren Vajpayee und Musharraf zum sofortigen Anlass für einen Nuklearkrieg nehmen würden, wird hierzulande - und offensichtlich besonders von der WR - als Versprechen angesehen. Wenn dem tatsächlich so ist, möchte ich persönlich niemals von Herrn Gabriel bedroht werden.

Nicht nur aus geschmacksästhetischer sowie akustisch-medizinischer Sicht bleibt zu hoffen, daß das Vorhaben dieses "Westentaschen-John Denver für niedrige Ansprüche" noch gestoppt werden kann. Schon viel zu häufig haben es nämlich abgewrackte, gescheiterte oder längst vergessene Möchtegern-Stars wie eben Gabriel versucht, ihren Namen mit Hilfe des BVB aufzupolieren und ein paar Euro abzugreifen, bevor sie sich endgültig in den längst überfälligen Ruhestand verabschieden.

Bereits Karel Gott hatte aus diesem Grund Mitte der 90er Jahre im Duett mit dem Nobby Dickel die BVB-Variante des Biene-Maja-Liedes geträllert. Bei aller Kritik muss man hierbei sogar noch erkennen, dass das Lied seinerzeit durchaus noch originell war und der Masse der von einem wahren CD-Regen zermürbten BVB-Fans sogar zu gefallen schien. Doch als nur wenige Zeit später der "König von Mallorca" himself, Jürgen Drews den Rasen betrat, um ein selbstgeschriebenes(?) Borussia-Lied zum Besten zu geben, war der Gipfel des zumutbaren Klamauks erreicht. Ausgerechnet Drews! Der Mensch, dessen Bildnis in sämtlichen Lexika unter "Peinlichkeit" zu finden ist! Die personifizierte Geschmacksattacke! Der "Super-GAU" für jedes humane oder animale Trommelfell! So dachten wohl auch die anderen um mich herum im Stadion, denn Drews Darbietung wurde von gellenden Pfiffen begleitet und endete schließlich darin, dass die Südtribüne den überaus lächerlichen Text mit eigenen Gesängen übertönte. "Onkel Jürgen" (möglicherweise der Grund, warum Eltern ihre Kinder immer vor dem bösen Onkel warnen) hatte sich die Sache wohl etwas anders vorgestellt und zog beleidigt von dannen, um justament ein halbes Jahr später mit "Trommler Manolo" an seiner Seite das Ganze auf dem Bökelberg zum Besten zu geben. Naja, egal, Hautsache Borussia?

Und nun? Mit Gunter Gabriel steht offenbar der nächste Kandidat bereit, um sich vor einem Riesenpublikum vollends der Lächerlichkeit preiszugeben und sich das letzte bisschen verbliebene Würde aus dem Schädel zu singen. Hoffen wir, dass auch er die passende Antwort von den Rängen bekommt, sollte er es tatsächlich mit seiner Komposition auf den Rasen des Westfalenstadions schaffen.

Eine BVB-Hymne - und allein die Wortwahl "Hymne" zeigt schon, unter welchem Realitätsverlust Gabriel zu leiden scheint - MUSS einfach auch von echten BVB-Fans gesungen werden, die an der Borussia hängen, mit ihr leiden und diese Emotionen auch in ein solches Lied hineinbringen können. BUMS, die vielleicht besten Urheber von Borussia-Liedern (Die Väter unserer INTRO-Musik), Bruno Knust oder auch die an dieser neulich vorgestellte Band "Geierabend" vermochten dies überaus wirkungsvoll. Der schwatzgelbe Fan nimmt immer dankbar auf, wenn er merkt, dass sich dahinter Herzblut verbirgt!

Abgehalfterte Altsänger wie Karel Gott, Jürgen Drews oder jetzt eben Gunter Gabriel können so etwas jedoch keineswegs. Diese glauben lediglich, in den Fußballfans eine dumme und leicht zu beeinflussende Zielgruppe gefunden zu haben, die bereitwillig jeden Dreck kauft, solange der Dreck die Vereinsfarben trägt.

Es bleibt zu hoffen, dass man bei Borussia inzwischen aus Schaden klug geworden ist, Gabriel die Unterstützung für dieses "Projekt" versagt und das BVB-Logo verweigert. Allerdings... diese Hoffnung wird illusorisch bleiben.

Jens Senf: Lieder für Millionen (EURO)

Was für eine tolle Nachricht für alle BVB-Fans: Gunter Gabriel will uns nach oben singen. Gunter Gabriel, der irgendwann, als die meisten von uns noch mit der Blechtrommel um den Weihnachtsbaum rannten, einen Pseudohit hatte: "Hey Boß, ich brauch mehr Geld!" Seither schlägt sich der Möchtegern-Cowboy mit Verkaufsveranstaltungen für Tütensuppen und Auftritten bei Schützenfesten und Tupperpartys durchs Leben. Irgendwann taucht er mal auf dem Schützenfest in Holzwickede auf, hing sturzbetrunken an der Theke und am nächsten Tag sang er bei Plaza in Aplerbeck für Tütensuppen. Eine steile Kariere. Nun soll es also der BVB mit den Tütensuppen gleichtun und sich für Gabriel und seine gescheiterte Existenz hergeben. Wenn ihn schon keiner kennt, dann soll man ihn jetzt kennen lernen. Irgendeine Knaller Nummer ala "Schwarzgelbe Biene Maja!" wird dabei schon herauskommen. Vielleicht wird es so toll, wie bei Jürgen Drews, der sich Mitte der 90er auch als BVB-Fan outen wollte und seine berüchtigten Liedermacher-Qualitäten unter Beweis stellen wollte. Doch das BVB-Publikum hatte genug von abgehalfterten Sängern, die auf einmal BVB-Fans sein wollten, als sie erkannten, daß mit jedem Müll Geld zu machen ist. Er wurde ausgepfiffen und verließ nach wenigen Minuten das Spielfeld, genug ist genug.

Gunter, wir brauchen Dich nicht, sing bitte weiter für Tüten-Suppen oder von uns aus auch auf Rudis Hochzeit in der "Arena". Irgendwie paßt Du besser dahin, das erinnert Dich sicherlich auch mehr an ein Bierzelt.

Der BVB und "seine" Lieder

Seit 1993 ist das ein leidiges Thema, damals kam Matthias "Kasche" Kartner auf die glorreiche Idee, den Song der BVB-Fans "Olé, hier kommt der BVB!" auf CD zu pressen. Seine Band kannten zu diesem Zeitpunkt nur einige wenige Eingeweihte. Das sollte sich mit dieser CD ändern. "Pur Harmony" wurden zur Hausband des BVB und machten sich alsbald an so manchem Fansong zu schaffen. Da sich über Geschmack nicht streiten läßt, wurden Pur Harmony entweder abgrundtief gehaßt oder eben geliebt, bzw. zumindest gekauft. Und so erging es irgendwann auch Pur Harmony wie Jürgen Drews und sie wurden ausgepfiffen. Die BVB-Fans haben vielleicht doch ein feines Gespür dafür, wenn die Schraube überdreht ist. Pur Harmony löste sich dann irgendwann in den vergangenen Jahren auf und Matthias "Kasche" Kartner trieb allein sein Unwesen.

Dann machte sich "Kasche" an einem Stück Musik- und Fußballgeschichte zu schaffen: er kopierte "You'll never walk alone!". YNWA ist von der englischen Band "Gerry & The Pacemakers" populär gemacht worden, ehe es in den späten 60er Jahren den Weg ins Fußballstadion fand (Mehr dazu findet ihr hier). Die Fans des Liverpool FC begannen damals so ziemlich als erste, populäre Popsongs für das Stadion umzuschreiben. YNWA stand daher immer für den LFC, jedoch wurde er außerhalb Englands von fast allen Fans mit der Zeit übernommen. Doch "Kasche" kannte keine Gnade, mit seiner herausragenden Stimme verpaßte er dem Kultsong aus den Fankurven der Welt eine Radikalkur. Und da "Kasche" immer wieder neue Ideen hat, kam er in diesem Sommer auf die grandiose Idee, das Stück erneut zu covern, den Rhythmus etwas zu beschleunigen und wieder auf CD zu pressen. Danke Kasche.

"Kasche" ließ sich dann auf einem Stadtfest in Witten auch nicht lange bitten und beglückwünschte die Sch*lker zu ihrem Pokalgewinn, der Pott müsse schließlich zusammenhalten. Daher lief er anderntags bei der Südtribünenmeisterschaft im Hoesch-Park wohl auch mit GE-Kappe herum. Ein echter Fan eben, der auch immer brav eine Mannschaft stellen darf und dessen neueste CD auf "Replay" im CD-Spieler lag.

Für viele ältere Fans war es dann schlimm zu merken, daß gerade die Jüngeren überhaupt nicht wußten, daß es sich um eine Coverversion handelte. Es erinnert mich an die Geschichte eines Kumpels und seines kleinen Bruders. Fast jeder kennt "You've got a right to fight for your party" von den Beastie Boys aus den 80er Jahren. Vor einiger Zeit kamen ein paar hundsclevere Produzenten auf die Idee, eine Pseudoband zu casten, sie NYCC zu taufen und sie dieses Lied trällern zu lassen. Der kleine Bruder stürzte irgendwann ins Zimmer meines Kumpels und meinte: "Ey, da haben irgendwelche Hampelmänner You've got a right.... gecovert!" Mein Kumpel dachte noch: "Wow, er merkt, wie peinlich NYCC sind....", da sagte der kleine schon: "Die nennen sich Beastie Boys, total peinliches Video!"

In diese Zeit fiel auch die Blüte der süddeutschen Punkrocker von "Bums", die ihrem Lieblings-Verein einige Stücke widmeten. Irgendwann sollen sie dem Vernehmen nach, nicht mehr erwünscht gewesen sein und durften keine BVB-Lieder mehr produzieren. Ob dem wirklich so ist, läßt sich leider nicht mehr ganz nachvollziehen. Jedenfalls waren die meisten Bums-Stücke sehr beliebt und vor allem waren sie eigene Songs. Aber auch hier läßt sich über Geschmack sicherlich streiten, Bums traten jedenfalls nie im Westfalenstadion auf und konnten ihre Beliebtheit nie richtig unter Beweis stellen.

Als dann ein Unternehmer aus Dortmund-Aplerbeck auf die Idee kam, "Borussias Hitparade" auf den Markt zu bringen, mußte er bald einsehen, daß Borussias Vermarkter, die UFA, das nicht gerne sieht. Der Vertrieb der CD mußte eingestellt werden. Schade, waren auf dieser CD doch wirklich viele alte Stücke, wie das Vereinslied in der Fassung von 1966, "Heja BVB", "Tolle Jungens sind die Jungens von Borussia!" und so weiter. Viele dieser alten Stücke werden noch von den Fans gern gesungen, viele Jüngere haben aber keine Chance diese Originale zu hören, weil es sie nicht mehr gibt.

Keiner spielt so schön wie Amoroso

Wir dachten also, wir hätten alles überstanden, da kam "Shuttle Media" und brachte uns "Keiner spielt so schön wie Amoroso!" Erfunden hatte dieses Lied ein Mitglied der Desperados Dortmund beim Freundschaftsspiel in Iserlohn. Nach einigen Anläufen wurde es dann auch auf der Südtribüne und bei Auswärtsspielen etabliert. Zum Ende der Saison war es dann der Knaller, weil Amoroso traf und traf und traf. Und wie kommt der Song dann auf CD? Immer mehr BVB-Fans fragten offensichtlich beim Verein und in den Fanshops nach, ob es dieses Lied nicht auf CD gäbe. Der BVB, als vorbildliche KGaA, fragte dann bei Shuttle-Media nach. Die ließen sich nicht lange bitten und produzierten innerhalb weniger Tage diesen Song. Bei diesem anspruchsvollen Material sicherlich ein kleines Wunder. Nun kann man den Verein und die Firma dafür beschimpfen oder sich einfach mal fragen, woher eigentlich dieser Wahn kommt, alles kaufen zu müssen, was im Stadion vielleicht mal gesungen wird? Warum wird eine CD nachgefragt, auf der irgendein Pseudo-Künstler singt, die eigentliche Idee aber schlicht geklaut hat? Bitte schreibt uns, falls ihr eine CD gekauft habt oder schreibt uns, warum ihr das eben nicht gemacht habt. Schreibt uns doch auch, welches BVB-Lied (ob Bums, Pur Harmony, Kasche oder wer auch immer) ihr am schönsten findet. Einige ausgewählte Briefe werden wir dann hier veröffentlichen.

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