Unsa Senf

Ein Finale, das nur zum Endspiel wurde - Teil 1

15.05.2002, 00:00 Uhr von:  Arne
Ein Finale, das nur zum Endspiel wurde - Teil 1
Warmer Empfang vom Gästeblock

"Fiiiinaaale oooohoooo" - so schallte es in diesem Frühjahr durch Deutschlands Stadien. Wo immer der BVB auftrat, wurde der 1997 geborene Schlager wieder intoniert und von Runde zu Runde im UEFA-Cup stieg die Vorfreude der Fans auf eben diese Finale. Die meisten der Schwatzgelben erinnerten sich schließlich noch zu gut an das Champions-League-Finale in München und das damit verbundene Fußballfest, bei dem man mit den Fans von Juventus Turin lange vor Anpfiff friedlich in der Innenstadt feierte.

Ähnliche Szenen gab es auch im vergangenen Jahr in Dortmund zu erleben: Das UEFA-Cup-Finale zwischen dem Liverpool FC und dem CD Alaves machte ebenfalls Werbung für den Fußball. Nicht nur das grandiose Spiel, das selbst neutrale Zuschauer begeistert von den Sitzen riss, nein auch die Party im Vorfeld des großen Spiels wird den Fans der beteiligten Mannschaften wohl noch lange im Gedächtnis haften bleiben. Absolut friedlich feierten Engländer und Spanier den ganzen Tag über in "unserer" Stadt und alle waren sich einig: Ein würdiger Rahmen für ein großes Spiel!

Derartig beeinflusst erhofften sich die schwatzgelben Fans für dieses Jahr auch wieder ein solches Spektakel, doch die Vorfreude bekam schnell den ersten Dämpfer als bekannt wurde, wo dieses Spiel stattfinden sollte. Als Austragungsort hatte die UEFA in diesem Jahr Rotterdam ausgesucht und Sorge machte sich unter den Fans breit. Gelten die Niederlande (fußballtechnisch) ohnehin nicht als besonders freundlich uns Deutschen gegenüber, stellte Rotterdam als Hooligan-Hochburg ein zusätzliches Risiko dar, beherbergt die Stadt doch die vielleicht größte und gewaltbereiteste Hooligan-Szene in Europa.

Doch trotz all dieser Bedenken, machten sich immerhin 14.000 Schwatzgelbe auf den Weg in die Niederländische Hafenstadt. Ein großes Finale sollte das Spiel zwar leider nicht werden, dafür aber ein Endspiel in vielerlei Hinsicht:

Endspiel für den BVB

Nach der Niederlage kommt die Mannschaft trotzdem zu seinen Fans
Nach der Niederlage kommt die Mannschaft trotzdem zu seinen Fans

Das letzte Pflichtspiel der Saison sollte - so zumindest die Hoffnung von Mannschaft, Vorstand und Fans - das Sahnehäubchen auf eine großartige Saison sein. Ein Titel war schon gewonnen und mit dem Gewinn des UEFA-Cups hätte sich die junge Mannschaft wohl schon früh unsterblich machen können. Ein Sieg gegen Feyenoord Rotterdam hätte den BVB in eine Reihe mit den ganz großen europäischen Mannschaften gestellt, denn lediglich einer Handvoll Vereine ist es bislang vergönnt gewesen, alle drei europäischen Vereinspokale zu gewinnen.

Wie jeder mittlerweile weiß, sollte es leider anders kommen: Der BVB hat mit 3:2 verloren und musste dieses Mal dem Gegner beim Jubeln zuschauen. Dennoch stellt die Niederlage sportlich keinen Grund für Frust oder Ärger dar, denn die Mannschaft hat sich in "de Kuip" so teuer verkauft, wie es nur ging. Nach einer halben Stunde nur noch zu zehnt und mit einem 0:2-Rückstand zur Pause schon als sicherer Verlierer gehandelt, rappelten sich die Borussen doch noch einmal auf, kämpften sich zurück ins Spiel und erzwangen um ein Haar noch eine Verlängerung.

In diesem Spiel hat die Mannschaft einmal mehr unter Beweis gestellt, dass sie es völlig verdient hat, dass schwatzgelbe Trikot zu tragen. Und auch wenn es schade ist, dass ausgerechnet das letzte wichtige Spiel der Saison verloren gegangen ist, kann man sich als Fan doch nur bei Matthias Sammer und seiner Mannschaft für diese tolle Spielzeit voller Höhen und vereinzelter Tiefen bedanken.

Endspiel für den Kokser

Ein gar nicht schöner Abgang: Jürgen Kohler
Ein gar nicht schöner Abgang: Jürgen Kohler

Zu riesengroßem Dank verpflichtet ist man als Borusse auch unserem "Jürgen Kohler - Fußballgott". Spieler wie ihn gibt es auf dieser Welt wohl nur ganz, ganz wenige und es steht zu befürchten, dass auch immer weniger nachkommen. Sportlich wie charakterlich stets unantastbar hat sich Jürgen in den sieben Jahren beim BVB sein eigenes Denkmal gebaut. Unvergessen seine Rettungstaten 1997 im Halbfinale der Champions-League gegen Eric Cantona; beispielhaft die Art und Weise, wie er sich zuletzt mit seinem Platz auf der Bank abgefunden und die jungen Konkurrenten "angelernt hat".

Was hätte das für ein Abschied sein können? Kurz vor dem Karriereende noch die Meisterschaft und den UEFA-Cup zu gewinnen wäre eines solch großen Spielers würdig gewesen. Leider hat zumindest Letzteres nicht so ganz funktioniert. Schlimmer noch: Ausgerechnet in seinem allerletzten Spiel für den BVB wurde Jürgen vom Platz gestellt - und das war leider sogar vertretbar. Unglücklich, doch wer auf eine solch großartige Karriere zurückblicken kann, der wird diesen unschönen Moment sicher schnell wieder

Und irgendwie passt es ja zu einem ehrlichen Arbeiter wie Kohler: Eine Grätsche als letzte Aktion im schwatzgelben Trikot...

Endspiel für die Menschenwürde

Ebenfalls "abgegrätscht" wurden in Rotterdam die Borussenfans. Aus dem Zug ausgestiegen, wurde man zunächst vor dem Eingang zusammengepfercht und musste lange auf den Einlass warten, da jeweils nur zwei Leute gleichzeitig abgefertigt werden konnten. Nach den Eingangskontrollen, die erfreulicherweise nicht so menschenunwürdig abliefen wie in manchen deutschen Stadien, wartete ein Tunnel auf uns, der uns auf das eigentliche Gästeareal führen sollte. Ein beklemmendes Gefühl beschlich einen beim Durchschreiten dieses Ganges, und auch wenn ich ansonsten eher selten wie eine Kuh denke, muss sich Schlachtvieh aber wohl in etwa genauso fühlen, wenn es seinen letzten Gang ins Schlachthaus antritt.

Ist das ein Gästebereich oder eher ein Eingang für Vieh beim Schlachter?
Ist das ein Gästebereich oder eher ein Eingang für Vieh beim Schlachter?
Ist das ein Gästebereich oder eher ein Eingang für Vieh beim Schlachter?
Ist das ein Gästebereich oder eher ein Eingang für Vieh beim Schlachter?
Ist das ein Gästebereich oder eher ein Eingang für Vieh beim Schlachter?
Ist das ein Gästebereich oder eher ein Eingang für Vieh beim Schlachter?

Wider Erwarten stand am Ende des Tunnels jedoch kein Oberordner mit Bolzenschussgerät, was allerdings auch das einzig Gute an dem Gästebereich war. Denn nicht durch das fehlende Tötungsgerät stellte einen Unterschied zur Schlachterei dar, sondern auch das sehr rare Fleisch. Zu Essen gab es nämlich nur an zwei winzig kleinen Imbissständen, die für 14.000 Gästefans einen riesigen Skandal darstellten. Wer sich erhofft hatte, dann wenigstens etwas trinken zu können, erlebte den gleichen Schock noch einmal: Eine verschwindend geringe Anzahl an Getränkeständen mit einer fast noch lächerlicheren Anzahl an Personal stand uns zur Verfügung. Und da man in den Niederlanden offenbar noch Probleme mit dem Euro hat, wurde auf Wechselgeld vollends verzichtet: Entweder die Getränke wurden passend bezahlt oder es wurde passend gemacht, was nicht passte und das überschüssige Geld einfach einbehalten.... praktizierte Gastfreundschaft, danke dafür.

Nun sollte man aber erwarten, dass zumindest die deutschen Presseleute besser behandelt wurden, doch weit gefehlt. Essen und Trinken gab es für die Vertreter der Journalie nur gegen vorher ausgehändigte Wertmarken. Dumm nur, dass einige Medienvertreter bei dieser Verteilaktion leer ausgegangen waren, denn diese durften das Spiel über hungern und mit trockener Kehle ihrem Beruf nachgehen. Nicht einmal mit Bargeld und dem Angebot, für Speisen und Getränke zu bezahlen, ließ sich das Rotterdamer Catering erweichen.

Endspiel für die Fairness

Überwältigt von dieser tollen Behandlung und beunruhigt durch die sich verbreitende Information, dass einer der Sonderzüge offenbar beschossen worden war, begaben sich die meisten "Sonderzug"-Borussen dann langsam in ihre Blöcke, wo man sich unter die mit Bus oder PKW angereisten Fans mischte. Diese hatten auf ihrer Stadtrundfahrt von Ahoy nach de Kuip die Gelegenheit bekommen, die hölländische Mittelfingeranatomie anhand zahlreicher Beispiele mit der deutschen zu vergleichen; und auch für die Geologie-Interessierten in den Bussen hatten die fürsorglichen Holländer gesorgt, indem sie den Schwatzgelben die verschiedensten in den Niederlanden verfügbaren Gesteinsarten zur Anschau präsentierten.

Heimbereich vor dem Anpfiff
Heimbereich vor dem Anpfiff

Lediglich die Busfahrer zeigten sich bei diesem Akt der Völkerverständigung als Spielverderber, in dem sie es - offenbar aus Angst, dass ein Zusteigen der Feyenoord-Anhänger den Bus zu voll werden lasse - vermieden, den Bus auf der Strecke zum Stadion auch nur ein einziges Mal anzuhalten.

Zu Beginn des Spiels dann großer Jubel im BVB-Block: Die uns wohlgesonnenen Feyenoord-Fans begrüßten uns mit entusiatischem Fahnenschwenken und zündeten uns zu Ehren geschätzte 50 - 70 Bengalos. Gut, dass man uns im Vorfeld von Schwenkfahnen, über Doppelhalter bis hin zum Megaphon so ziemlich ALLES verboten hatte, sonst hätten wir dieses Spektakel womöglich verpasst, weil uns eine lästige Fahne die Sicht versperrt hätte. Großen Dank an Feyenoord und UEFA für dieses Höchstmaß an Fairness!

Teil 2 unseres Final-Kommentars folgt in Kürze!

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